Rotting Christ
Rotting Christ

Interview

Mit Album Nummer 10, "Theogonia", meldet sich eine der ältesten Dark/Black Metal Bands eindrucksvoll wieder zurück. Die Griechen waren in ihrer langen Geschichte ja immer für die eine oder andere Überraschung zu haben, so veränderte sich der Sound immer wieder, was seitens der Fans nicht immer wohlwollend aufgefasst wurde. Mit dem neuen Werk beschreitet die Band um Fronter Sakis einen sehr dunklen, aggressiven Pfad. ROTTING CHRISTs letztes Album "Sanctus Diavolos" liegt nun auch schon eine ganze Zeit zurück, ebenso das letzte Interview bei metal.de. Gründe genug also, folgendes Gespräch mit Sakis zu führen.

Rotting ChristHallo Sakis! Ich finde, euer neues Album „Theogonia“ ist um einiges schneller und aggressiver als der direkte Vorgänger „Sanctus Diavolos“. Trotzdem findet man darauf noch immer einige tolle, epische Parts. Auch ist mir aufgefallen, dass sich gerade die Gitarrenarbeit ein ganzes Stück weiterentwickelt hat. Wenn du die beiden Alben miteinander vergleichst, worin siehst du selbst die hauptsächlichen Unterschiede und wie glücklich bist du mit dem Endresultat von „Theogonia“?

Es ist exakt genau so, wie du es beschrieben hast, mein Freund! Wir haben dieses Mal mehr Aufmerksamkeit auf die Gitarrenmelodien gelegt. Man kann diese typischen Melodien auch schon als ROTTING CHRIST Melodien bezeichnen, welche ein wenig auf „Sanctus Diavolos“ zu kurz kamen. Wir erschufen eine epische Atmosphäre, allerdings nun auch mit anderen Instrumenten als dem Keyboard, vor allem spezifisch mit echten Instrumenten aus der griechischen Musikgeschichte. Wir gingen an die gesamte Produktion unter einem ethnischen Blickwinkel heran, ein antikes Feeling, welches man als Kult bezeichnen kann. Das ist es, was wir mit diesem Album erreichen wollten, ein Schritt vorwärts, und ich kann sagen, dass wir mit dem Resultat sehr zufrieden sind.

Steckt hinter „Theogonia“ ein vielleicht ein bestimmtes Konzept?

Ja, das ganze Konzept des neuen Albums wurde durch ein antike griechische Mythen über die Kosmogonie (Mythen von der Entstehung der Welt, die „Welterzeugung“, Anmerk. d. Red.) beeinflusst. Ebenso wie in Teilen aus Hsiodos Buch „Theogonia“, welches sehr bildhaft die Entstehung des Kosmos, die Entstehung von Chaos/Nacht/Titanen/Phobos (Phobos ist in der griechischen Mythologie ein Sohn der Götter Ares und Aphrodite, Anmerk. d. Red.) beschreibt. Diese Deutungen lassen sich sehr einfach in das sowohl lyrisch als auch musikalisch dunkle Konzept von ROTTING CHRIST involvieren. Die Entstehung des Chaos, das Nichts, aus welchem die ersten Objekte der Existenz entstehen, gab uns die Inspiration für den Song ΧΑΟΣΓΕΝΕΤΟ („The Sign Of Prime Creation“), wir behandeln Erevos (die Dunkelheit der Unterwelt) oder Tartarus, den Ort unendlicher Qualen, Pein und Leiden in der Unterwelt.

Für „Sanctus Diavolo“ hattet ihr ja einen Chor, bestehend aus acht Personen. Waren für „Theogonia“ ebenfalls so viele Leute involviert?

Ja, es sind ebenfalls wieder acht Personen im Chor, aber sie singen auf unterschiedliche Weise. Es ist nun nicht mehr so sehr im Stil wie eine Operette, sondern eher wie eine antike griechische Tragödie. Das passt einfach besser zum gesamten Konzept des Albums.

Das neue Album wurde von dir produziert, gemischt und gemastert. Wie kam es dazu?

Ich kann mit Stolz verkünden dass „Theogonia“ zu 100% ein ROTTING CHRIST Produkt darstellt, da ich exklusiv die Stücke komponiert habe, sowie den gesamten Produktionsprozess inklusive mischen und Mastering übernommen habe. Ich habe schon mit zu vielen Produzenten zusammengearbeitet und auch noch Soundtechniker gelernt. Daher denke ich, dass ich nun ein Level erreicht habe, an welchem ich diese ganzen Tätigkeiten selbst ausführen kann.

Daneben richtete ich meine ganze Aufmerksamkeit auf den Kompositionsprozess. Ich verbrachte mehr als ein Jahr mit dem Komponieren neuer Stücke. Es wäre für mich zu einfach, mich hinzusetzen, meine Gitarre zu nehmen und einige neue Riffs zu schreiben. Da könnte ich innerhalb weniger Monate ein neues Album schreiben. Ich wollte allerdings etwas eher Neues, Unterschiedliches erschaffen, einen neuen Baustein in das Gebäude ROTTING CHRIST einfügen. Meine erste Sorge bestand also darin, eine Songidee aufzugreifen, zu formen und zu sehen, wie sie reift und was sie Neues bringt. Etwas, was mich wach hält oder mir Alpträume beschert, wenn es Zeit ist zu schlafen. Es kam häufiger vor, dass mir in der Nacht plötzlich eine Idee kam, ich zur Gitarre griff und versuchte, diese Idee zum Leben zu bringen. Zuerst kam also die Idee und später die Manifestierung.

Es ist ja bekannt, dass du alle Songs schreibst. Daneben produzierst du nun auch die Alben. Sind ROTTING CHRIST eine kreative Diktatur? Und welche Atmosphäre, welche Stimmung beeinflusst dich während du neue Stücke schreibst?

Diktatur? Nein! Überhaupt nicht! Es ist eben einfach so, dass ich seit Anbeginn in der Band bin und als Hauptkomponist denke ich, dass ich weiß, welches Feeling ein Song braucht, damit ihn die Leute eindeutig als Stück von ROTTING CHRIST identifizieren. Nicht wenige halten unseren Stil schließlich für einmalig. Das ist etwas, was aus den dunklen Tiefen meiner Seele kommt. Sollte eines Tages ein weiterer Musiker dazu in der Lage sein, wäre es ein großartiges Geschenk für mich, es würde definitiv mein Leben einfacher gestalten, es wäre einfacher, Songs zu schreiben und die ganzen Jobs zu erledigen, wofür ich unzählige Stunden täglich verwende.

Ihr habt inzwischen einen neuen Gitarristen namens George Bokos in der Band. Was kannst du uns über ihn erzählen, hat er vorher in anderen bekannten Gruppen gespielt und hatte er einen Einfluss auf „Theogonia“?

Seine Biografie seiner Ex-Band NIGHTFALL richtete meine Aufmerksamkeit auf ihn nach unserer Trennung von unserem vorherigen Gitarristen Kostas. Er stieg erstmal probeweise in die Band ein, spielte einige Touren mit uns, er passt zu uns in jeglicher Hinsicht (was nicht einfach ist) und wurde daher vollwertiges Mitglied.

Die limitierte Auflage von „Theogonia“ wird eine DVD beinhalten. Was kannst du uns über diese DVD erzählen?

Sie ist ein zusätzlicher Mehrwert, welchen man zusammen mit unserem Album erwerben kann. Die DVD enthält ein Making Of des Albums, ein Interview und die besten Parts unserer letzten, weltweiten Tour zu „Sanctus Diavolos“. An dieser Stelle ein großes Dankeschön an unser derzeitiges Label, dass wir dies umsetzen konnten.

Gutes Stichwort! Weshalb habt ihr euch eigentlich von Century Media getrennt und seid nun bei dem Label Season Of Mist zu Hause?

Nach über 10 gemeinsamen Jahren und einer Zusammenarbeit über 6 Alben kommt man früher oder später zu einer freundschaftlichen Trennung, um mal etwas Neues zu versuchen. Wir suchten nach einem Label, welches seine Prioritäten in Sachen Promotion auf ROTTING CHRIST hin ausrichtet, was Season Of Mist taten, worüber wir sehr froh sind.

ROTTING CHRIST waren ja eine der ersten Bands der sogenannten zweiten Black-Metal-Welle, Mitbegründer eines Genres. Ich halte es für sehr interessant, die Zeit ein wenig zurückzudrehen auf das Jahr 1987, in welchem ihr euch gegründet habt. Bitte erzähle uns doch ein wenig über die Anfänge von ROTTING CHRIST, über eure frühen Einflüsse und wie es damals war, in Griechenland mit einer Death/Black-Metal-Band loszulegen!

Die Gründung unterscheidet sich nicht wirklich von einer spontanen Entscheidung junger Metal Heads, ganz einfache und billige Instrumente zu kaufen und anfangen, mit diesen zu spielen wie ihre Idole BATHORY, VENOM und CELTIC FROST. Wie die Jahre verstrichen, lernten sie besser zu spielen, begannen damit, Alben aufzunehmen, widmeten sich immer mehr der Szene mit einer Stärke, welche nur Teenager haben. Diese Band hatte zu Anfang zu viele Probleme, es stellten sich uns sehr viele Steine in den Weg. Aber wir sind froh darüber, die Geburt einer neuen Szene, die Geburt der zweiten Generation des Black Metals miterlebt zu haben, genauso wie wir glücklich darüber sind, einige Alben erschaffen zu haben, welche die Leute für wichtig für diese Szene erachten.

Mit welchen Bands standet ihr damals in direktem Kontakt?

Mit der großen Mehrheit von den Bands, ich verfolgte die ersten Schritte der großen Gruppen, da es damals einen anderen Kodex gab, die spontan entstandene Treue zwischen den Bands. Ich bin stolz darauf, ein Teil dieser Szene gewesen zu sein.

Wenn du vergleichst, worin siehst du die Unterschiede zwischen der Black Metal Szene damals und heute? Was hat sich deiner Meinung nach am meisten verändert?

Die Prägnanz des Plastik! Die heutige Ära des Black Metal erinnert mich zu sehr an Plastik, zu vieles ist Gesichtslos, zu vieles ist falsch, aber wir müssen überleben, das ist das Wichtigste, was ich mit ROTTING CHRIST gelernt habe, man muß ein Kämpfer sein!

Da ROTTING CHRIST dieses Jahr ihr 20jähriges Jubiläum bestreiten, habt ihr irgendwas Spezielles geplant?

Wir feiern auch 15 Jahre Diskographie, aber wir haben nichts Spezielles vorbereitet. Es sind für uns aber eher blose Zahlen, vielleicht werden wir aber doch noch etwas machen, mal schauen. Jedenfalls ist bis jetzt noch nichts geplant.

Ok, kommen wir nun zu euren Alben, ich bitte um ein kurzes Statement zu euren bisherigen Werken.

„Passage To Arcturo“ – Primitiver Black Metal
„Thy Mighty Contract“ – Eine Alternative zur skandinavischen Variante, wie Black Metal auch klingen könnte
„Non Serviam“ – Das Album, welches auf atmosphärische Gitarren basiert
„Triarchy Of The Lost Lovers“ – Das Riff Album
„A Dead Poem“ – Das Heavy Metal Album
„Sleep Of The Angels“ – Das Heavy Gothic Album, an welches sich viele Fans nicht erinnern woollen. Persönlich erinnere ich mich gerne daran, da es immer noch ROTTING CHRIST ist und sehr atmosphärisch.
„Khronos“ – Das experimentellste Album
„Genesis“ – Langsam zurück zu unseren Ursprüngen
„Sanctus Diavolo“ – Zurück an unseren Wurzeln mit unserer dunkelsten Veröffentlichung

Wie war die Blitzkrieg Tour 2005 mit VADER für euch?

Es war eine großartige Erfahrung, 60 Shows in 65 Tagen zu absolvieren. Es war eine tolle Tour mit unseren Freunden von VADER und ANOREXIA NERVOSA.

Wie ist deine persönliche Definition von Black Metal? Ist es für dich „nur“ Musik oder steckt da mehr dahinter, ein Art Lifestyle oder etwas auf spiritueller Ebene?

Es ist eher eine spirituelle Sache, aber auch eine Art Lebensweise. Die Welt, welche wir durch diese Musik erschaffen, lässt uns tagtäglich aus unserem zu flachen Leben flüchten, und das ist großartig.

Was können wir von eurer kommenden Europatour mit MALEVOLENT CREATION und CARPATHIAN FOREST erwarten?

Wir werden unsere Eingeweide auf die Bühne ausspucken, um damit unsere musikalischen Sorgen zum Ausdruck zu bringen. ROTTING CHRIST basieren nicht auf irgendwelche Imagesachen oder große Bühnenüberraschungen, dafür aber auf unsere Seelen, das wollen wir mit dieser Tour beweisen. Wir freuen uns schon darauf, mit Bühne mit all diesen glorreichen Bands zu teilen.

Vielen Dank für das Interview! Die letzten Worte gehören dir!

KEEP THE DARK CULT ALIVE!

Galerie mit 27 Bildern: Rotting Christ - Summer Breeze Open Air 2024
15.01.2007

Geschäftsführender Redakteur (stellv. Redaktionsleitung, News-Planung)

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