Jethro Tull - Living With The Past/Nothing Is Easy: Live At The Isle Of Wight 1970

Review

Ein Gespann großer Gegensätze hat Eagle Rock mit der „Living With The Past/Nothing Is Easy: Live At the Isle Of Wight 1970“-Doppel-CD zusammengeschnurrt: Da zwischen den Aufnahmezeitpunkten der beiden jeweils schon vor rund einer Dekade erstveröffentlichen und hier zusammengeführten Live-Alben stolze 31 Jahre liegen, zeigen die beiden Mittschnitte auch zwei unterschiedliche Gesichter der unverwechselbaren britischen Progressive-Rock-Altvorderen JETHRO TULL – und die Unterschiede sind erstaunlich markant.

Überschäumend lebendig und hingebungsvoll rockflötet „Nothing Is Easy: Live At The Isle Of Wight 1970“: Hörbar motiviert durch eine gigantische, zwischen den Liedern eindrucksvoll zu vernehmende Zuschauermasse von geschätzt 600.000 Menschen – ja, das chaotische Isle-Of-Wight-Festival 1970 war wahrscheinlich noch etwas größer als das berühmte Woodstock-Festival im Vorjahr – liefert hier eine blutjunge Band um ihren Kopf Ian Anderson eine völlig extatische und mitreißende einstündige Darbietung ab. Dabei greift man auf Material der drei bis zu diesem Zeitpunkt erschienenen Platten – „This Was“, „Stand Up“ und „Benefit“ – zurück, und mit „My God“ gibt es bereits einen ersten Ausblick auf den Klassiker „Aqualung“, der im Folgejahr erscheinen sollte. Gerade weil JETHRO TULL hier, vor dieser unüberschaubaren Menschenansammlung, mitunter aufgeregt bis wild-wirr agieren, ja regelrecht spielen, als ginge es um ihr Leben, und der Klang nicht heutigen, perfekt-kastrierten Standards entspricht, spürt man so unglaublich viel Seele.

Auf „Living With The Past“ – welches im Kern in zwölf Portiönchen das Konzert im Londoner Hammersmith Apollo vom 25. November 2001 dokumentiert und durch neun weitere, während diverser Anlässe mitgeschnittene Stücke angereichert wird – überlagern hingegen Professionalität und Routine besagte Seele. Es ist absolut nicht so, dass die insgesamt 21 Lieder kaum genießbar wären. Aber dieser 1970 noch präsente, ganz eigenwillige Charme der frühen Jahre, dieses Gemenge aus Unerfahrenheit, unbedingtem Schöpfungswillen und der Suche nach einer eigenene Nische, geht nun mal bei jedem Künstler irgendwann verloren. Und wo bitte ist das Publikum? Live-Atmosphäre Fehlanzeige – egal, ob beim London-Konzert oder dem Ausschnitt aus irgendeiner Fernsehsendung; es tönt zu steril, zu sehr wie aus dem Studio. Auch die Liedauswahl ist nicht makellos: Das fabelhafte „Thick As A Brick“ beispielsweise wurde leider nicht einmal in Kurzform berücksichtigt. Ansonsten sind die JETHRO-TULL-Gassenhauer „Aqualung“ und „Locomotive Breath“ natürlich vertreten, ebenso jedoch auch weniger Begeisterndes wie das Titelstück des damals aktuellen 1999er-Werkes „Dotcom“.

Obwohl die schriftlichen Einlassungen von Ian Anderson im Einleger zu beiden Live-Zeugnissen so etwas wie den Kleber, das die Sache doch noch halbwegs rund machende Element, bilden, möchte der Doppeldecker aus zwei Gründen nicht vollends überzeugen: Zum einen erhält der Hörer keinerlei Neuwert, da beide Alben schon seit 2002 beziehungsweise 2004 separat erhältlich sind, zum anderen kann „Living With The Past“ aufgrund mangelnden Hautnah-dabei-Gefühls und nicht vollends überzeugender Setlist lediglich als „solide“ bezeichnet werden. Doch diese scheinbar perfekte, in Wahrheit zu glattgebügelte (Quasi-)Gegenwart von „Living With The Past“ hat immerhin etwas Gutes: Sie lässt das herrlich Urwüchsig-Unkontrollierte der Vergangenheit auf „Nothing Is Easy: Live At The Isle Of Wight 1970“ im direkten Kontrast noch einen Hauch prächtiger erstrahlen.

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07.02.2014

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