Judas Priest - Stained Class

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Ein halbes Jahr nach Veröffentlichung von „Sin After Sin“ befanden sich JUDAS PRIEST bereits wieder auf dem Weg ins Studio, um ihr viertes Album „Stained Class“ einzuspielen. Die Zwischenzeit war gut gefüllt mit Touren (das erste Mal auch in den USA) und mit einem neuen Mann hinter dem Drumkit: Les Binks kam auf Empfehlung von Roger Glover und hatte den Vorzug, die innovativen Double-Bass-Rhythmen seines Vorgängers Simon Phillips spielen zu können.

Keine naheliegende Wahl

Mehr noch: Der Mann brachte sich ins Songwriting mit ein, ebenso wie Bassist Ian Hill, und so spudelte die Band vor Ideen. Heftiger sollte das Album werden, nicht ganz so zersplittert wie noch „Sin After Sin“, bei dem immer noch eine gewisse Bluesrock-Attitüde zu vernehmen war und gleich zwei Balladen den Weg in die Tracklist fanden. Das Album sollte hingegen wie aus einem Guss klingen. Im Rückblick sollte „Stained Class“ aber auch aus anderer Perspektive eine besondere Stellung einnehmen. Dazu aber später noch mehr.

Jetzt befanden sich JUDAS PRIEST im Oktober 1977 also zusammen mit Produzent Dennis MacKay in den Chipping Norton Recording Studios im gleichnamigen Ort in der Grafschaft Oxfordshire. Den Produzenten hatten sie von ihrem Plattenlabel aufs Auge gedrückt bekommen, nachdem die Erfahrungen mit ex-DEEP-PURPLE-Bassist Roger Glover beim Vorgängeralbum eher durchwachsen waren. Die Expertise von MacKay umfasste Jazz-Fusion- und Progressive-Rock-Künstler wie DAVID BOWIE und SUPERTRAMP. Im Rückblick vielleicht keine naheliegende Wahl, aber da JUDAS PRIEST zur damaligen Zeit mit Heavy Metal eher experimentell unterwegs waren, was wäre da passender gewesen?

Außerdem lief bei den Aufnahmen diesmal alles einigermaßen glatt. Bis die Songs bei CBS Records im Cassettendeck landeten und … nun ja, der Plattenfirma war die Ausrichtung der Platte deutlich zu düster und unheilvoll, weswegen man sich noch einen Song mit kommerziellem Potential wünschte. Also gingen die Aufnahmen in die Verlängerung, und der Einfachheit fiel die Wahl auf den Coversong „Better By You, Better Than Me“ von der britischen Bluesrock-Band SPOOKY TOOTH.

Es gab da nur ein Problem: Produzent Dennis MacKay hatte bereits andere Verpflichtungen, sodass James Guthrie als Produzent einspringen musste. Das Ergebnis begeisterte die Band allerdings so sehr, dass Guthrie zum Wunschproduzenten des Folgealbums „Killing Machine“ aufstieg.

Aufnahmen gehen in die Verlängerung

Bleiben wir aber bei „Stained Class“ und kommen nun zu den Songs: Die Scheibe beginnt mit der Uptempohymne „Exciter“, bei dem das flüssige Riffing und die Double-Bass-Drums den Ton angeben. War „Sinner“ vom Vorgängeralbum schon ein flotter Auftaktsong, toppt ihn „Exciter“ in Vehemenz und Direktheit sogar um Längen. Eine frühe Form von Speed Metal? Vielleicht. Passend zum aggressiven Gesang textet Rob Halford: “Who is this man, where is he from? Exciter comes for everyone. You’ll never see him. But you will taste the fire upon your tongue.” Und vielleicht entfacht das Stück ja auch ein wenig Feuer in den Gehörgängen.

Weiter geht es mit „White Heat, Red Hot“, das noch am ehesten in Richtung der Bluesrock-Vergangenheit der Band schielt, bei dem aber die Double-Bass-Drums von Neuschlagzeuger Les Binks den Unterschied zu früher ausmachen. „Better By You, Better Than Me“ fügt sich nahtlos an, wobei aber das Gitarrenriff von Glenn Tipton und K.K. Downing aufgepimpt worden ist und der Refrain deutlich hymnischer als im Original klingt. Ob es trotzdem eine naheliegende Wahl für eine Singleauskopplung war, sei mal dahingestellt.

Dagegen setzt der Titeltrack mit seinem galoppierenden Riffing und den sirenenhaften Vocals wieder einen ganz anderen Fokus. Und ja, der Refrain klingt wirklich dramatisch und düster – da hatte die Plattenfirma also recht. Gleiches gilt eigentlich auch für „Invader“ … bis der Chorus plötzlich in eine helle, lichte und positive (man könnte auch sagen: naiv-fröhliche) Stimmung dreht. Damit hätte sich dieser Song doch eigentlich für eine Singleauskopplung qualifizieren können. Zumindest hätte sich „Invader“ aber auf einem der kommenden Alben wohlgefühlt.

Naiv-fröhlich oder düster und unheilvoll?

Kommen wir zur zweiten Seite und zum Grund, warum „Stained Class“ sich von den folgenden Studioalben so abhebt: Denn die folgenden vier Songs sind düster, bauen sich teils langsam auf, sind teils episch. „Saints In Hell“ wagt im Riffing fast einen Rückgriff auf den Opener des Debütalbums „Rocka Rolla“, klingt dabei aber deutlich fetter und vehementer. Außerdem setzt Rob Halford mit ausgefeilten Gesanglinien seine Akzente, bevor der Song fast schon progressive Ausmaße annimmt. Dagegen kommt das mit sirenenhaften Schreien eingeleitete „Savage“ schneller auf den Punkt; der Gitarrenanschlag ist flüssig, der Text anklagend: der moderne Mensch als der eigentliche Wilde.

Ganz in die Abgründe der Unterwelt taucht „Beyond The Realms Of Death“ ein, ein Stück, das sich in den Strophen mit sanftem Gitarrenzupfen und melancholisch-melodiösen Gesangslinien auszeichnet, sich aber im Refrain entlädt: Da nimmt der Song wie eine Achterbahn so plötzlich Fahrt auf, dass der Schrei im Hals stecken bleibt (außer natürlich bei Meister Rob Halford, der mal zackig singt, mal extravagant schreit). Bleibt noch das auf einem stampfenden Rhythmus fortschreitende „Heroes End“, bei dem ebenfalls eine eher düstere Grundstimmung vorherrscht und dessen Text in der fast schon philosophischen Feststellung mündet: „Why do you have to die to be a hero. It’s a shame a legend begins at its end.”

Optisch aufgepimpt

Womit wir den Bogen wieder zurück zu JUDAS PRIEST spannen: Die hatten sich also songschreiberisch ordentlich weiterentwickelt, und das spiegelte sich auch auf dem Albumcover wider. Das zierte nämlich nicht nur ein futuristisch anmutendes Sci-Fi-Porträt im Oilslick-Liquid-Metal-Look, sondern auch ein neues Logo – statt der Gothic-Typo gab es jetzt den schneidigen Schriftzug, der bis heute in leicht abgewandelter Form verwendet wird. Der Erfolg des im Februar 1978 veröffentlichten Albums gab den Priestern recht: Platz #27 im UK sieht zwar nach einem moderaten Erfolg aus, aber in den USA knackte die Scheibe die Top 200-Liste – eine wichtiger Meilenstein, der mit allen folgenden Alben immer ein wenig höher gesetzt werden sollte.

In der Diskografie nimmt „Stained Class“ aber eine besondere Stellung ein: Bereits auf dem ebenfalls im Jahr 1978 veröffentlichten „Killing Machine“ (wurde in den USA unter dem Titel „Hell Bent For Leather“ veröffentlicht) standen zumeist kürzere Songs auf der Tracklist. Da hatten JUDAS PRIEST Vielschichtigkeit und Düsternis gegen potentielle Hittauglichkeit eingetauscht. Dadurch klangen die folgenden Alben allerdings auch bisweilen etwas eindimensional. Kein Wunder, wenn so mancher „Stained Class“ als Lieblingsalbum nennt. Ein Höhepunkt der Diskografie ist es allemal.

Schwere Nachwirkungen

Und es sollte ein Album mit Nachwirkungen sein, denn 1990 fanden sich die Bandmitglieder deswegen in den USA vor Gericht wieder. Die Familie eines Teenagers hatte Klage eingereicht, dass die Band in eben jenem Coversong „Better By You, Better Than Me“ unterschwellige Botschaften versteckt habe, die den Jungen und einen Freund dazu verleitet hätten, Selbstmord zu begehen. Das kaum hörbare „Do it“ entpuppte sich schließlich als Kombination aus einem Ausatmen und einem Gitarrenton. Als die Klage schließlich abgewiesen wurde, war das die Ruhe vor dem vielleicht kompromisslosesten Sturm, den JUDAS PRIEST entfachen würden. Das ist allerdings eine andere Geschichte. In dieser Reihe folgt demnächst noch eine Würdigung von „Killing Machine“ und den abermals „neuen“ JUDAS PRIEST.

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2 Kommentare zu Judas Priest - Stained Class

  1. Lysolium 68 sagt:

    Eins meiner ersten Metalalben von erspartem Taschengeld gekauft und „Better by you“ immer voll aufgedreht. Ist immer noch einer einer meiner liebsten Songs überhaupt. Mag bessere Priest Alben geben aber Stained Class ist meine Nummer Eins.

    10/10
  2. El Tiburon sagt:

    Auch eine 10/10 von mir, beyond the realms of death ist mein absoluter priest Lieblingssong!

    10/10