Eluveitie
Wir sind eine Familie, keine Firma!

Interview

Angesichts der Personalrochaden in den letzten Monaten könnte man die Celtic Folk Metaller ELUVEITIE auch liebevoll den HSV des Metals nennen. Jedenfalls haben die Schweizer jetzt wieder ein volles Line-Up zusammen, das sie in den vergangenen Tagen nach und nach der Öffentlichkeit vorgestellt haben. Die Feuertaufe steht für die nunmehr neun Musiker an diesem Wochenende an – beim eigenen „ELUVEITIE & Friends“-Festival. Höchste Zeit, Frontmann Chrigel Glanzmann selbst zu den Wechseln zu befragen.

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Chrigel, Ihr habt mit Jonas Wolf (Gitarre), Alain Ackermann (Schlagzeug), Michalina Malisz (Drehleier) und Fabienne Erni (Gesang, Keltische Harfe, Mandola) vier neue Mitglieder in Euren Reihen. Wie fühlt es sich für Dich an, jetzt die neuen Mitglieder verkünden zu können?

Grundsätzlich fühlt sich das einfach wahnsinnig gut und erleichternd an! Es war wirklich ein sehr schwieriges Jahr für uns.

Offenbar hatte es ja bei Euch ordentlich gekracht, jedenfalls war das der Eindruck von außen, gerade auch nach den Statements nach der Trennung. Was waren die Gründe für den Abgang von Merlin, Ivo und Anna?

Na ja, ich muss ehrlich gestehen, dass das Ganze in der Öffentlichkeit ziemlich krass empor geschaukelt wurde; was zugegebenermaßen auch zu erwarten war. Aber dennoch, man braucht in so einer Situation schon ein recht dickes Fell. Wenn über Monate teilweise sehr drastische Dinge über dich geredet und verbreitet werden, die aber Lichtjahre von der Realität entfernt sind, ist das nicht ganz einfach.

Also hat es nicht gekracht?

Nee, eigentlich nicht. Wir sind zwar mit Meinungsverschiedenheiten, also unterschiedlichen Auffassungen, auseinander, jedoch nicht im Streit. Ich hege persönlich auch nicht im Geringsten etwas gegen Merlin, Ivo oder Anna, sondern empfinde nach wie vor genau denselben großen Respekt für sie, wie eh und je – als Musiker, aber auch als Menschen und Freunde.

Der Grund der Trennung waren de facto tatsächlich schlicht unterschiedliche Vorstellungen. Nicht mal so sehr, was Musikalisches angeht, sondern viel mehr sehr unterschiedliche Auffassungen des Konstruktes „Band“. Daran hatten wir schon seit vielen Jahren zu nagen, seit langem war die Band ein Stück weit gespalten deshalb, und das ist einfach nicht gut; letztlich leiden die ganze Band, die Musik und auch beide „Seiten“ unter so einem Zustand.

Wir, also die verbliebenen Bandmitglieder, sehen eine Band einfach viel mehr als „Familie“, denn als „Firma“ an (was nichts über die Professionalität aussagt). Natürlich sind wir professionell und natürlich ist ELUVEITIE unser Job. Aber wenn wir Zustände wollten, wie wir sie teilweise eben in der Band hatten, dann bräuchten wir nicht in einer fucking Rock’n’Roll Band zu spielen, sondern dann könnten wir genau so gut einfach Angestellte bei Microsoft, der Commerzbank oder bei Lidl sein! Das wollen wir aber nicht, sondern wir sind eine Band!

Die drei waren ja lange in der Band und irgendwie auch nicht so richtig aus der Band wegzudenken. Hast Du irgendwann mal daran gedacht, im Zuge dieses Abgangs die Brocken mit ELUVEITIE hinzuwerfen?

Ja, die drei waren wirklich lange Teil von ELUVEITIE. Umso schwerer war dieser Schritt – nicht nur als Band, sondern auch persönlich. Ich erinnere mich noch an letzten März, als Anna und ich immer wieder stundenlang darüber redeten. Als wir irgendwann begriffen, dass eine Trennung wohl tatsächlich der beste Weg ist, war das verdammt hart. Für beide. Wir hielten uns nach der Entscheidung lange einfach schweigend und mit Tränen in den Augen in den Armen.

Ich glaube, wir alle hatten lange daran zu nagen. Aber so ein Bruch kann immer auch eine Chance sein, zumindest, wenn man ihn als Chance nutzt! Und ich glaube, das ist uns allen gelungen – Merlin, Ivo und Anna mit ihrer neuen Band CELLAR DARLING, aber auch uns, mit unserm neuen Line-Up. Insofern nein, ich dachte niemals daran, ELUVEITIE hinzuwerfen.

Jetzt habt Ihr neue Mitglieder. Warum sind sie die beste Wahl für ELUVEITIE?

Wir wollten wieder mehr back to the roots! Mehr Authentizität, mehr Folk, mehr Musik im Zentrum, mehr Spirit. Insofern haben wir ja auch instrumentell aufgestockt und haben nun auch keltische Harfe fix in unserm Instrumentarium.

Die „Neuen“ sind verhältnismäßig jung – zumindest verglichen mit mir altem Sack, haha! Sie sind voller Tatendrang und Commitment. Aber allem voran sind sie einfach allesamt unglaubliche Musiker und Musikerinnen. Beispielsweise ein Jonas an der Gitarre, oder eine Sängerin wie Fabienne – sorry, aber das ist für eine Band einfach ein verdammter Sechser im Lotto!

Aber auch persönlich harmonieren wir großartig. Die Stimmung innerhalb der Band ist jetzt eine ganz andere, es fühlt sich tatsächlich langsam wieder wie eine Familie an, und wir agieren derweil aus einer Atmosphäre der Einheit, der Leidenschaft und des Aufschwungs heraus. Und das fühlt sich verdammt gut an.

Beides zusammengenommen – Abgänge und Zugänge – inwieweit hat sich das kreative und auch, wenn man so will, Machtgefüge bei ELUVEITIE verändert? Hältst Du bei ELUVEITIE die Fäden allein in der Hand?

Gutes Stichwort! Ich glaube, das ist die größte Veränderung: Es gibt nun kein Machtgefüge mehr! Natürlich ist ELUVEITIE letztlich mein Baby, ich schreibe einen Großteil der Musik, die Texte und stehe hinter der ganzen Konzeption, ja. Aber was ich niemals war und auch nie sein möchte, ist ein Boss. Ich will, dass wir eine Band und keine Firma sind: Jede und jeder ist gleich viel Wert, hat mitzureden, kann sich einbringen und mitarbeiten! Alles wird gleichmäßig durch acht, bzw. jetzt neun geteilt, keiner wird bevorzugt, und Entscheidungen sollen nicht diktiert, sondern im gemeinsamen Dialog gefunden werden – eben so, dass alle wirklich und von Herzen an einem Strang ziehen können!

So sah ich uns immer. So funktionierten wir früher auch einmal. Und so funktionieren wir heute nun endlich auch wieder. Und das ist verdammt gut!

Mal alles zusammengenommen, Musik und Köpfe: Warum werden sich alte Fans trotz dieser Veränderungen trotzdem mit ELUVEITIE identifizieren können?

Letztlich, so glaube ich, ist es allein ihre Entscheidung, ob sie das tun wollen, oder nicht! Musikalisch wird sich wohl gar nicht so viel verändern. Ich meine, natürlich werden „die Neuen“ ihre eigenen Klangfarben hinein bringen, aber ELUVEITIE wird immer zu einhundert Prozent ELUVEITIE bleiben. Und ich könnte mir vorstellen, dass gerade Fans, die unsern früheren Tage zu Zeiten von „Slania“ rühmen (von denen es ja einige gibt), sich um so mehr auf „ELUVEITIE 2017“ freuen können! Denn wir sind tatsächlich nun wieder ein Stück weit „uriger“.

Was sind die nächsten Schritte mit der Band – auf den Bühnenbrettern und im Studio?

Zunächst steht an diesem Wochenende unser kleines, aber feines Festival „ELUVEITIE & Friends“ an. Das ist für uns ein großes Ding, weil es die erste Show komplett mit neuem Line-Up ist. Quasi die Feuertaufe. Anschließend verschanzen wir uns für einige Monate und werden unser nächstes Album, welches bereits kräftig am gedeihen ist, fertigstellen: „Evocation II“.

Ab der Sommerfestival-Saison sind wir dann wieder mit voller Kraft zurück auf den Bühnen, und wir freuen uns auch extrem darauf!

Danke, Chrigel, das war’s auch schon!

Wie immer bleibt es mir einfach, Dir für das Interview und allen Lesern für ihr Interesse an ELUVEITIE zu danken! Man sieht sich!

(Bandfoto: Manuel Vargas)

ELUVEITIE-Line-Up 2017:

Chrigel Glanzmann – Gesang, Whistles, Mandola, Dudelsack, Bodhrán
Rafael Salzmann – Gitarre
Jonas Wolf – Gitarre
Kay Brem – Bass
Alain Ackermann – Schlagzeug
Matteo Sisti – Whistles, Dudelsack, Mandola
Nicole Ansperger – Geige
Michalina Malisz – Drehleier
Fabienne Erni – Gesang, Keltische Harfe, Mandola

07.01.2017

- Dreaming in Red -

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