Eluveitie
"Das ist richtig viel Arbeit." - Interview zu "Evocation II - Pantheon"

Interview

Acht Jahre nach dem ersten Teil ihres Akustikalbums „Evocation I – The Arcane Dominion“ bringen ELUVEITIE nun endlich den zweiten Teil heraus. „Evocation II – Pantheon“ heißt die Scheibe, und begibt sich wie der Titel schon sagt auf eine Reise durch die Götterwelt. Gemeint ist damit natürlich die der Kelten. Da sich bei ELUVEITIE vor allem die Akustik-Alben intensiv mit der gallischen Sprache beschäftigen, war das auch eines der Hauptthemen, die uns auf den Nägeln brannten, als wir uns beim diesjährigen Rockharz Open Air mit ELUVEITIE-Fronter Chrigel Glanzmann trafen, um ihn Rede und Antwort zum Album stehen zu lassen.

Bild Eluveitie Promo Foto

Eluveitie Promo Foto

Hi Chrigel, natürlich erstmal danke für deine Zeit! Das erste ELUVEITIE Akustikalbum „Evocation I“ ist ja nun 8 Jahre her. Habt ihr nebenher immer ein bisschen an „Evocation II“ gebastelt oder erst nach „Origins“ damit angefangen?

Ich habe damals, 2008 oder so, das Evocation-Konzept geschrieben. Das war von Anfang an auf zwei Albumteile ausgelegt. Wir wollten uns für den zweiten Teil aber wirklich Zeit lassen. Das muss sich einfach richtig anfühlen, und das war nach „Origins“ der Fall. Während wir „Origins“ produziert haben, haben wir entschieden, dass das nächste Album „Evocation II“ sein wird. Das inhaltliche Konzept stand schon, schon seit Jahren eben, aber musikalisch haben wir das wirklich in den letzten plus minus zwölf Monaten erarbeitet.

Hat euch der Lineup-Wechsel 2016 da in der Planung zurückgeworfen, oder gar vorangebracht?

Ja und nein. Zurückgeworfen ja, wir hätten es eigentlich im Frühjahr schon rausbringen wollen. Insofern hat sich der Lineup-Wechsel schon ein Stück weit niedergeschlagen. Es war halt sehr unerwartet. Im Grunde besteht unser neues Lineup aus den Leuten, die wir sowieso als Live-Session-Musiker angefragt haben, um die Zeit zu überbrücken, bis wir neue Bandmitglieder gefunden haben. Dass die dann wirklich die neuen Mitglieder werden, hat niemand gedacht, das hat sich einfach so entwickelt. Wir als Band, als Ganzes, als Gruppe von Menschen, das hat sich total super entwickelt über das nächste Jahr. Wir sind zu einer richtigen Einheit gewachsen.

Ein Stück weit denke ich, das hört man dem Album vielleicht auch an. Wir haben schon ganz lange nicht mehr, vielleicht seit „Slania“ oder „Spirits“, so intensiv als Gruppe von Musikern zusammengearbeitet. Die ganze Produktionszeit von „Evocation II“ über war praktisch die ganze Band da, auch die, die gerade nicht am Aufnehmen waren. Die waren einfach da, um da zu sein, oder um für den Rest zu kochen, oder was weiß ich. Die Atmosphäre im Studio war wirklich fokussiert. In jedem Winkel haben irgendwelche Leute zusammengehockt und haben über irgendwelchen Details gebrütet. Das war schon ein Stück weit ein Novum für uns. Insofern, ja, das hat sich schon niedergeschlagen.

Aber eben positiv.

Positiv, ja!

Wie sieht es mit den Texten aus. Ihr habt ja wieder mit Historikern bzw. Linguisten gearbeitet. Die gallische Sprache ist ja nicht unbedingt so gut überliefert, teilweise absichtlich nicht, weil sie viele Dinge nicht aufschreiben wollten. Habt ihr „aus der Not“ selbst Texte geschrieben und die übertragen (lassen) oder habt ihr genug authentische Quellen gefunden?

Nicht aus der Not, mit Not hatte das nichts zu tun. Die gallische Sprache ist ja schon ganz gut überliefert, allerdings ist das, was du angesprochen hast, natürlich korrekt. Dass es gemäß der druidischen Lehre nicht OK ist, solche Inhalte niederzuschreiben. Das wurde deshalb größtenteils auch nicht gemacht. Das betrifft dann halt vor allem spirituelle oder mythologische Texte.

Bei dem Thema des Albums gehört das ja aber schon mit rein.

Ganz genau, ja. Also insofern stimmt das. „Evocation I“ nimmt authentische Texte als Songtexte. Also Texte, die vor plus minus 2000 Jahren verfasst wurden. Beim zweiten Teil ist das nicht so, aber wie gesagt nicht aus der Not heraus, das war eine bewusste Entscheidung. Wir arbeiten seit Anbeginn der Band mit diversen Wissenschaftlern von verschiedenen Universitäten aus ganz Europa zusammen. Die sind heute ein bisschen wie ein Netzwerk. Wir erarbeiten die Texte gemeinsam. Was die Sprache angeht sind die Wissenschaftler da natürlich eben sehr stark involviert, oder auch inhaltlich muss man da viel erarbeiten. Gerade bei dieser Thematik. Wenn wir von keltischer Mythologie oder Spiritualität sprechen, sind wir bis auf wenige epigraphische Monumente und archäologische Funde hauptsächlich auf antike literarische Zeugnisse angewiesen.

Zum Beispiel lateinische Quellen.

Lateinische, griechische und so. Und das ist dann meisten auch was aus zweiter oder dritter Hand. So. Das ist dann sehr viel Arbeit. Du musst dir vorstellen, wenn irgendein griechischer Geschichtsschreiber da was über die Kelten geschrieben hat, selbst wenn er vor Ort war, was ja bei ganz vielen nicht der Fall war, dann hat er eine Kultur beschrieben, die ihm selbst vollkommen fremd war. Stell dir mal vor, du nimmst einen Deutschen, einen Schweizer, einen Italiener und einen Engländer und schickst die für eine Woche nach Afrika, irgendwo zu was weiß ich für einem Stamm, und lässt die am Ende der Woche beschreiben, was sie gesehen haben. Da kriegst du ein paar komplett verschiedene Beschreibungen. Und so war das eben früher auch.

Wenn du irgendein Fragment in einem antiken Text hast, auch wenn es nur ein Satz ist, dann geht das ganze Theater eigentlich los. Du musst alles angucken. Was ist das für ein Mensch, der das geschrieben hat, in welcher Zeit hat er gelebt, in welcher kulturellen Umwelt ist er groß geworden, in welchem sozialen Umfeld ist er groß geworden, wo hat er studiert, und so weiter. Und natürlich, wie ist er zu seinen Infos gekommen. Dann die eine Millionen Dollar Frage: Was war der Zweck seines Schreibens? Von Propaganda natürlich, bis hin zu ganz vielen jungen, griechischen Satyrikern, die über die keltische Mythologie berichtet haben und am Anfang ihrer Karriereleiter standen. Die versuchten halt, ihre Popularität zu steigern und ihre Zuhörerschaft zu beeindrucken, mit möglichst vielen, möglichst haarsträubenden „Fakten“ aus irgendwelchen fernen Kulturen, die keine Sau kennt.

Das muss man sich halt alles angucken und das ist richtig viel Arbeit. Bis du dann am Schluss zu einem kleinen Körnchen Info kommst, wo du denkst, OK, das ist jetzt wahrscheinlich relativ belegt. Und ich denke, im Bereich Mythologie und Spiritualität ist das halt alles so. Jede Silbe eines jeden Textes ist quasi so erarbeitet. So ungefähr schaut unsere Zusammenarbeit mit Wissenschaftlern aus.

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Quelle: Chrigel Glanzmann, Eluveitie
11.08.2017

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