Mantar
Nichts an dieser Platte hat Spaß gemacht.

Interview

Lass uns noch einmal auf die Musik als solches zurückkommen. Hin und wieder ist man beim Hören der neuen Songs versucht zu glauben, dass die Aufnahmen zu „Grungetown Hooligangs II“ einen starken Einfluss auf das Songwriting hatten. Wie siehst Du das?

Das wurden wir schon oft gefragt und Du hast recht. Wir wollten mit der Cover-Platte einfach etwas machen, wo wir Spaß haben. Sie ist dann als Schnellschuss während der Festivalsaison, als ich gerade in Deutschland war, entstanden. Das ist die Musik mit der wir aufgewachsen sind und die uns als Künstler sozialisiert hat. Viele waren überrascht, weil das so gar nicht Metal war. Andererseits waren MANTAR aber auch nie die Vorzeige-Metal-Metal-Band.

Beim Schreiben für „Pain Is Forever And This Is The End“ habe ich dann relativ schnell gemerkt, dass uns genau die einfachen, effektiven Songstrukturen von den Cover-Songs gut stehen. Sachen, die schnell auf den Punkt kommen und einen starken Climax haben. Natürlich haben wir immer versucht gute Songs mit einem starken Refrain zu schreiben, aber mehr im Rock-Outfit. Irgendein Journalist hat neulich mal gemeint, es klingt als ob THE HELLACOPTERS Songs von DARKTHRONE spielen oder umgekehrt. Und den Vergleich fand ich eigentlich ganz geil. Ich bin mit Classic Rock groß geworden, das ist meine DNA. Sei es der Gitarrensound oder das Songwriting, da gibt es klare Strukturen. Aber die Cover-Platte hat uns vielleicht wirklich das Selbstvertrauen gegeben uns noch weniger hinter gewissen Szene-Must-Haves zu verstecken. Ich habe so viel weggeschnitten, so viele Riffs wieder aus den Songs genommen, da könnte man ganze Alben draus machen. Aber ich wollte halt keine Klischeeplatte machen und darum haben wir alles, was den einzelnen Songs nicht dienlich war, verbannt. Diesbezüglich hat die Cover-Platte ihren Zweck erfüllt, weil sie halt auch so geil unverkopft war. Die Songs sind teilweise sehr simpel und gleichzeitig höchstgradig effektiv. Ich will nicht behaupten, dass unsere eigenen Songs so gut sind, wie die Songs auf der Cover-Platte. Aber sie hat uns auf jeden Fall mehr Selbstvertrauen gegeben.

Es geht jetzt mehr um Intensität als um Härte. Bands wie PORTISHEAD oder MASSIV ATTACK sind unglaublich intensiv, auch ohne Härte. Hart kann jeder, drauf geschissen.

Dieses Prädikat passt beispielsweise auf „New Age Pagan“ sehr gut. Auf dem Stückst singst Du fast im Clean-Bereich und man hört eine echte Melodie. Wie groß war die Herausforderung für Dich, nicht einfach wieder angepisst zu brüllen? Oder hast Du vielleicht sogar Lust darauf, künftig öfter „richtig“ zu singen?

Ach, ich bin ja nun kein guter Sänger. Ich war ja auch nie ein besonders guter Gitarrist. Ich wollte in erster Linie immer effektiv am Instrument sein. Da mache ich mir echt nicht so viele Gedanken und es hat sich im Studio einfach so ergeben. Das ist eigentlich auch schon alles.

Aber ich finde, dass es ganz gut geworden ist. Nicht, dass ich das zum Anlass genommen hätte, aber einige Leute haben gesagt: „Ey MANTAR sind schon geil, aber nach einer dreiviertel Stunde wird der Gesang schon eintönig.“ Das ist mir zwar scheißegal, weil es ist das einzige, das ich kann. Aber ich finde es schon geil, dass da jetzt mehr Höhen und Tiefen sind. Generell finde ich, dass die Platte mehr Dynamik besitzt. Auch vom Songwriting her. Mein Beef den ich mit der „The Modern Art Of Setting Ablaze“ habe ist, dass die von vorne bis hinten exakt gleich klingt. Obwohl da ein paar geile Songs drauf sind, wie ich finde.

Bei der neuen Platte haben wir es jetzt gewagt auch mal ein Stück zurück zu gehen. So wie Du es auch oft bei der alten NIRVANA-Grunge-Schule findest. In der Strophe zurückfahren, damit die Hook doppelt knallt. Bei der Produktion habe ich für jeden Track das Mischpult zurückgesetzt und die Effekte neu aufgesetzt. So ist zum Beispiel der Gitarren-Sound viel diverser als auf „Modern Art“. Live ist das natürlich völlig latte. Da geht es nur um Lautstärke, einen geilen Groove und Faust in die Luft. Wir sind nun wirklich keine Ästheten was das betrifft. Aber so gesehen hat es schon Spaß gemacht, auch einfach mal ein bisschen mehr zu wagen und zu produzieren. Aber ich bin ganz ehrlich: Bei einem Song wie „Odysseus“ hatte ich schon Muffensauen, was die Leute dazu sagen würden.

Allerdings ist Musik ja keine Einbahnstraße. Und wenn in den Reviews jetzt stehen würde „Wo MANTAR draufsteht, ist auch MANTAR drin. Alle Fans können bedenkenlos zugreifen“, dann hätte mich das als Musiker schon getroffen. Deshalb hatten wir ja so lange darüber diskutiert, ob wir noch eine neue Platte machen sollen. Denn manche Alben haben einfach keinen Grund zu existieren.

Was hat es abgesehen davon bei Euch ausgelöst, dass Ihr mit „The Modern Art Of Setting Ablaze“ in die Charts gekommen seid?

Ich freue mich natürlich, weil ich mir denke, noch ist die Welt nicht verloren. MANTAR mussten es durchmachen, jede neue coole Band muss es erleben: Auf einmal kennt Dein Nachbar die Band auch. Und die Freundin Deiner Schwester hat jetzt auch ein MANTAR-T-Shirt. Wenn Du zwanzig bist, dann ist das für Dich natürlich voll die Blasphemie. Wenn Du älter wirst, denkst Du aber: „Gut. 1:0 für uns und 0:1 für ANDREA BERG oder wie die alle heißen“.

Grundsätzlich muss man aber schon noch einmal festhalten, was so eine Chartplatzierung mit uns gemacht hat. Wir haben uns – und das soll jetzt gar nicht arrogant klingen – in erster Linie bepisst. Weil das einfach so absurd und lustig war. Das hätte sich vorher ja nun wirklich keiner ausdenken können. Ob wir stolz waren weiß ich nicht, aber gefreut haben wir uns auf jeden Fall. Weil das bedeutet, dass viele Leute diese Platte gekauft und hoffentlich auch gut gefunden haben. Meine Eltern finden das sicherlich cooler als ich, aber jeder der sich darüber nicht freuen würde, ist ein Idiot. Nichts ist peinlicher, als in einer Band zu spielen und sie mit allen Mitteln unten halten zu wollen.

Für viele gelten MANTAR in erster Linie als Live-Band. Was bedeutet Dir mehr: Studio oder Bühne?

Innerhalb der Band ist das ausgewogen. Erinç gehört eindeutig zum Team Bühne. Ich bin deutlich lieber im Studio. Zwar bin ich gut in dem was ich mache, auch auf der Bühne und diese 30 oder 60 Minuten finde ich dann auch geil und bin voll in meinem Element und gebe Vollgas. Gut, nach mehreren Knie-OPs ist das vielleicht nicht mehr ganz so und man muss sehr vorsichtig sein. Egal.

Jedenfalls hasse ich aber wirklich alles andere, was mit Live-Konzerten zu tun hat. Ich verachte das Reisen, ich hasse warten, ich hasse schlechtes Essen, ich hasse es schlecht zu schlafen… Das einzig schöne ist wirklich der Moment auf der Bühne und natürlich auch Fans und Freunde zu treffen. Wir waren ja letztes Wochenende erst in Seattle und es ist ein wahnsinnig großes Geschenk, wenn jemand mit Deinem T-Shirt kommt und sich für das Konzert bedankt. Ich bin da gar nicht abgestumpft und es ist immer noch ein Wunder, wenn das aufs Neue passiert. Und es ist wirklich egal ob es fünfzig oder tausend Leute sind. Aber leider hasse ich den ganzen Rest und ich kann mir gut vorstellen, dass MANTAR in nicht allzu ferner Zukunft eine Band sein wird, die sehr selten live spielt. Ich kann mir sehr gut vorstellen, nur noch zehn oder zwanzig Shows im Jahr zu spielen, die sind dann total geil: New York, ein dickes Festival in Mexiko, vielleicht mal wieder nach Japan, ein paar geile Shows in Deutschland. Guck mal, um von dieser Band leben zu können, muss man auch sehr viel touren. Aber der Preis ist halt auch extrem hoch. Ich bin auf Tour ständig unglücklich und dann denke ich mir: „Dann musste halt wieder einen anderen Job machen“. So ist das dann halt. Aber ich höre ja deswegen nicht auf, Musik zu produzieren.

Ich bin in Bands seit 1994 und seit Anfang der 2000er eigentlich immer konstant auf Tour. Lange Zeit auch als Backliner oder Guitar-Tech oder Tourmanager. Und ich habe eigentlich keine Lust mehr. Ich hoffe, das kommt jetzt nicht arrogant rüber, ich will einfach nur ehrlich sein. Mir macht das Live spielen auf der Bühne für die Leute großen Spaß. Aber all das Logistische drum herum, das empfinde ich als Zumutung (lacht). Das heißt aber nicht, dass ich mich nicht auf die Konzerte freue, die jetzt kommen. In erster Linie freue ich mich darüber, dass sie in homöopathischen Dosen kommen (lacht). Aber frag mich Ende des Jahres nochmal. Vielleicht bin ich dann auch wieder voll angezündet und hab voll Bock. Ja, ich rede viel. Aber ich möchte einfach nur ehrlich sein.

Gehst Du selbst noch als Fan auf Konzerte?

Ja klar, dann ist es mir ja egal. Ich kann ja hingehen, Bier trinken und wieder gehen, wann ich will. Ich bin echt gut darin, nach der Vorband oder mitten im Set zu gehen. Das ist mit der Sauferei und dem Feiern ähnlich. Wenn ich merke, dass ich genug habe und der Abend nicht mehr besser wird, dann gehe ich halt. Allerdings lasse ich mich eigentlich fast nur noch auf so ganz kleinen Konzerten blicken, aus Convenience-Gründen. Übernächste Woche gehe ich zu IRON MAIDEN, allerdings mehr, weil das wie ein Klassentreffen mit alten Freunden ist. Am wenigsten freue ich mich auf die Bands.

Gerade hier in Florida sind Gigs meistens sehr klein und rustikal. Es spielen auch oft irgendwelche Grind-Bands in der Garage gegen Spende. Da gehe ich dann auch gerne hin. Aber das ich mir Tickets kaufe und dem Event entgegenfiebern würde, kommt sehr selten vor. In den letzten zehn oder sogar fünfzehn Jahren, waren das NINE INCH NAILS, AC/DC, TOM PETTY, IRON MAIDEN… Das war es dann auch schon fast. Da bin ich überhaupt kein Jäger und Sammler.

Was steht als nächstes bei Euch an?

Nächste Woche fliege ich nach Deutschland und komme in Hamburg an. Dann geht es direkt in den Proberaum und wir spielen eine kleine Show in Bremen und dann auf dem Tombstone Festival in Dortmund. Und dann ist auch die Platte erstmal raus. Damit endet auch ein – hoffentlich versöhnliches – Kapitel für mich. Zumindest der Druck lässt dann nach. Natürlich, die letzten Monate hat man viel Promo gemacht, dann wollten wir ein paar geile Videos produzieren. Dann erscheint die Platte auch als Special Edition, dafür habe ich einen Remix des kompletten Albums angefertigt. Ich habe schon die doppelte und dreifache Mühe in jedes Detail auf dem Album gesteckt und hoffe natürlich, dass die Leute das feiern. Da tut es schon gut, wenn man zum Release den Stift fallen lassen kann und vielleicht nur noch ein paar Interviews hat und sogar ein bisschen chillen kann.

Im August geht es dann noch nach Wacken und nach Leipzig auf das Kadavar Festival und dann fliege ich zurück nach Florida. Im September spielen wir dann ein paar Live-Dates, die meisten in Deutschland. Da darf man auch echt gespannt sein, wie das wird. Da werden sich noch ganz viele Leute, inklusive uns umgucken, wie die Live-Realität jetzt aussieht. Die Leute haben Schubladen voll mit Tickets für Konzerte, die seit zwei Jahren immer wieder verschoben worden sind. Die Leute haben Angst vor neuen Restriktionen und sind verunsichert. Verstehe mich nicht falsch, ich nehme das alles ernst. Ich hatte noch kein Covid und trage auch immer noch Maske und alles. Aber ich glaube nicht, dass es einen soften Weg zurück zur Normalität gibt. Ich glaube, da müssen jetzt wirklich alle durch.

Dazu kommt natürlich auch noch Krieg und Inflation. Auf einmal kostet das Bier bei der Show nicht mehr 3,40 € sondern 4,80 €, das Ticket nicht 26 € sondern 34 € und keiner kann etwas dafür, keiner macht sich die Taschen voll. Da wird noch ein Raunen durch die Menge gehen und wir mitten drin. Ganz nach dem Motto der Platte bin ich aufs Schlimmste vorbereitet.

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13.07.2022

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