Prophecy Fest 2016
Ein Wochenende in der Höhle

Konzertbericht

Billing: Alvenrad, Hekate, Germ, Les Discrets, Iron Mountain, Secrets Of The Moon, Helrunar, Wöljager, Völur, Bohren & Der Club Of Gore, Antimatter, GlerAkur, Alcest, Sol Invictus und Vemod
Konzert vom 29.07.2016 | Balver Höhle, Balve

Hönnetal, Balve – in einer zur Kreidezeit entstandenen Karsthöhle treffen gut 1000 Musikbegeisterte aufeinander, um ein gediegenes Wochenende in einzigartiger Atmosphäre zu verbringen. Denn der ewig währende Festivalkrieg um den teuersten Headliner und die größten Nebenattraktionen verlangt nun einmal nach Events wie diesen. Das traditionsreiche Liebhaber-Label Prophecy Productions weiß das genau – und inszeniert zum zweiten Mal in Folge ein Meisterstück herzblutgetriebener Nischenarbeit.

Doch zunächst einmal lassen die Prophecy-Veranstalter den kleineren Business-Kollegen den Vorrang: Der Donnerstagabend steht ganz im Zeichen der Kollegen der Minilabels Trollmusic. Für den Konzertabend in der etwas weiter nördlich gelegenen Hönnetalhalle schickt das „infamous label for adventurous music“ mit ALVENRAD, THE GOOD HAND, MIRNA’S FLING gleich drei Truppen ins Rennen – die einige arbeitsbedingt erst am Freitag anreisende Gäste aber leider nicht zu Gesicht bekommen.

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Während die drei niederländischen Kapellen vom Vortag wohl noch öfter hierzulande zu sehen sein werden, sind HEKATE dieser Tage ein seltener Gast auf deutschen Bühnen. Umso mehr freut es, dass sie das Hauptprogramm des diesjährigen Prophecy Fests eröffnen. Pünktlich um 15:20 Uhr wartet dann auch eine gespannte Menge in der abgedunkelten Balver Höhle, die einmal mehr eine unvergleichliche Kulisse für derartige Konzerte liefert. Die kleine Bühne ist vollgestellt mit allerlei Instrumenten, und im Halbdunkel weniger Scheinwerfer macht sich Axel Menz daran, Räucherwerk zu entzünden. Die perfekte Atmosphäre für die Zeremonie „Die Sonne im Geiste“ ist somit geschaffen.

Mit dem Intro „Im Glanz des Mondes“ beginnt dann ein wunderbares Konzert, das vom ersten bis zum letzten Moment begeistert. Die Stücke liegen irgendwo zwischen Folk und Klassik und Elektronik und sind doch mehr als diese Einzelteile, erzählen von alten Zeiten und fernen Orten und sorgen immer wieder für Gänsehautmomente. Männer- und Frauengesang (von Axel Menz beziehungsweise Susanne Grosche) ergänzen sich hervorragend, dazu erklingen die verschiedensten Klänge, von der E-Gitarre über mehrere Percussion-Instrumente bis hin zur Drehleier. „Fatherland“ kommt zu Gehör, ebenso eine musikalische Version von Eichendorffs „Mondnacht“, dazu das COIL-Cover „Windowpane“. Nur „Die Gedanken sind frei“ wird schmerzlich vermisst. Die stimmungsvolle Beleuchtung rundet den gelungenen Auftritt zusammen mit einem sehr guten Sound ab. Aber vor allem beeindrucken die Hingabe und Freude, mit der die Musiker zu Werke gehen, denen ihr Konzert hier in der Balver Höhle auch sichtlich Spaß macht. Ein mehr als gelungener Auftakt des diesjährigen Prophecy Fests!

Galerie mit 49 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Freitag – Hekate

Setlist

  • Im Glanz des Mondes (Sonne im Geiste Intro)
  • Dos Kelbel
  • Fatherland
  • Ascension Day
  • Seelenreise
  • Mondnacht (Eichendorff)
  • Montségur
  • Windowpane (Coil Cover)
  • Morituri te salutant
  • House Of God
  • Die Sonne im Geiste
  • Abschluss

Spaß und Freude sind dann aber schnell dahin. Ex-AUSTERE-Musikant Tim Yatras bringt sein Soloprojekt GERM erstmals auf eine europäische Bühne – und überlässt die eigentliche Arbeit erst einmal anderen. HERETOIR-Mastermind Eklatanz zum Beispiel. Denn hier und heute treffen die deutsche und die australische Depressive/Post-Black-Metal-Szene aufeinander. Yatras selbst steht am Mikro, Eklatanz sowie Musiker von MALADIE und TROLDHAUGEN bedienen die übrigen Instrumente. Gleich zu Beginn gibt es dann auch noch französische Unterstützung von PESTE NOIRE-Fronterin Audrey Sylvain – die ihre sonst so peinlich offen propagierte nationalistische Gesinnung zumindest an diesem Tag daheim lassen kann.

Ansonsten kredenzen GERM hier Stücke aller bisherigen drei Studioalben, was die gute Laune erfreulicherweise schnell depressiver Kälte weichen lässt. Wenig geht dabei aber gerade im rhythmischen Bereich, der von akutem Mangel an Abwechslung zeugt – was Genrefans aber ja ohnehin herzlich wenig stört. Denn die kommen mit dem abschließenden, hierzulande gerade durch HERETOIR popularisierten AUSTERE-Hit „Just For A Moment“ ohnehin auf ihre Kosten.

Galerie mit 14 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Freitag – Germ

Setlist

  • Butterfly
  • The Stain Pf Past Regrets
  • Asteroid Of SorrowI’ll Give Myself To The Wind
  • Flowers Bloom And Flowers Fall, But I’m Still Waiting For The Spring
  • With the Death Of A Blossoming Flower
  • Withering In Hell
  • Just For A Moment (Austere)

Auf Fursy Teyssier, seines Zeichens Mastermind des inzwischen halb zur Band gereiften Projektes LES DISCRETS, trifft man bereits lange vor dem 29. Juli, ziert doch seine düstere Zeichnung jedes Plakat und jeden Flyer des Festivals. Teyssier, dem es ja schon immer um die Verbindung von Musik und Illustration geht, ist auf dem Prophecy Fest somit auch nicht nur mit LES DISCRETS im freitäglichen Line-up vertreten, sondern stellt auch eine Sammlung beeindruckender Kreidezeichnungen im hinteren Teil der Höhle aus.

„Septembre“ eröffnet das Set der Franzosen, gefolgt von „L’échappée“ vom ersten Langspieler „Septembre Et Ses Dernières Pensées„. Die gerne in die Schublade Post-Rock oder Shoegaze eingeordnete Musik von LES DISCRETS lässt zwar wenig Raum für Klischees, aber eine düstere, hypnotische Wirkung kann man ihr nicht absprechen. Das zweite und aktuelle Album „Ariettes oubliées…“ ist nun auch schon vier Jahre alt – umso mehr freut sich der geneigte Hörer, dass die Formation auf dem Prophecy Fest gleich vier neue Stücke zum Besten gibt, darunter „Le reproche“ und „Virée nocturne“. Bereits am 12. August erscheint die gleichnamige EP „Virée nocturne“, bis zum dritten Album müssen sich Fans aber noch bis Anfang 2017 gedulden. „Prédateurs“ soll das gute Stück heißen, und ebendieser Schriftzug prangt auch nahezu während des gesamten Auftritts als Projektion im Bühnenhintergrund. Ansonsten kommt der Auftritt von Teyssier und seinen drei Mitmusikern schnörkellos und zurückhaltend daher, aber umso leichter fällt es, die Augen zu schließen und völlig in der grandiosen Musik zu versinken.

Galerie mit 14 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Freitag – Les Discrets

Setlist

  • Intro „Septembre“
  • L’echappee
  • Les feuilles de l’olivier
  • Le reproche
  • Viree nocturne
  • Le mouvement perpetuel
  • Au creux de l’hiver
  • Fleur des murailles
  • Rue octavio mey
  • Chanson d’automne
  • Song For Mountains

Reichlich bemüht sind die Veranstalter, alle auftretenden Bands dieselbe Priorität einzuräumen. Ein Konzept, das angesichts einheitlich langer Spielzeiten ganz wundervoll aufgeht. Nichtsdestoweniger sind IRON MOUNTAIN der unverkennbare Underdog des ersten Festivaltages. Werden die im Schnitt etwas älteren irischen Herren zunächst noch aus sicherer Entfernung vom Bierstand belächelt, verflüssigt sich das Eis des Misstrauens schon nach wenigen Minuten wie von selbst. Mit Dudelsack und einem Flöteninstrumentarium, für das mindestens zehn heimische Eichen gefällt wurden, lässt der offenkundig im frühen Doom Rock verwurzelte Fünfer eine deutlich folkige Note durchschimmern. Mehr Weltmusik als Prog, doch auch der viel zitierte Post-Rock muss angesichts der atmosphärischen, unkonventionellen strukturierten Materie wieder einmal erwähnt werden. Dass die Alterspräsidenten des Festivals die Spannung dabei nicht über die gesamte Konzertdauer halten können, sei verziehen. Manchmal geht Eigenständigkeit eben vor – und sichert IRON MOUNTAIN eben auch den stummen, aber geschlossenen Respekt der Prophecy-Gäste.

Galerie mit 8 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Freitag – Iron Mountain

Als vorletzte Band stehen an diesem Abend die einstige Black Metal-Formation SECRETS OF THE MOON auf der Bühne. Im Vorfeld wurde eine Akustik-Performance angekündigt, eine Nachricht, die natürlich für gespannte Vorfreude sorgte – dann aber aufgrund personeller Schwierigkeiten abgesagt werden musste. Dennoch freuen sich an diesem Abend zahllose Fans auf die Band. Und denen fällt zunächst ein bekanntes, aber in dieser Position neues Gesicht auf: Steffen Kummerer, der normalerweise bei OBSCURA beziehungsweise THULCANDRA die Fäden zieht, spielt an diesem Abend den Basspart.

Wie von SECRETS OF THE MOON nicht anders gewohnt ist die Bühne in düsteres, teils buntes Licht getaucht, immer wieder lässt Nebel die Musiker nahezu völlig verschwinden. Gespielt wird das komplette aktuelle Album „SUN„, welches seit letztem Jahr in den Läden steht. Ein furioses „No More Colours“ eröffnet das Set, das sich ohne Überraschungen an die Reihenfolge der Stücke auf dem Langspieler hält. Im Bühnenhintergrund laufen stimmungsvolle, in schönem Schwarzweiß gehaltene Projektionen, die nicht nur jeden Titel, von ein paar Satzfetzen flankiert, ankündigen, sondern auch in wunderbarer Weise die Atmosphäre der Songs unterstreichen. Ein wenig schade ist es aber doch, dass sich so gar kein älteres Stück in die Setlist einschleichen konnte – was aber natürlich dem Konzept dieses Auftritts zuwidergelaufen wäre. Wie immer meistern sG und seine alten/neuen Mitstreiter ihre Show souverän, wenn auch ein wenig die Gänsehaut ausbleibt.

Galerie mit 29 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Freitag – Secrets Of The Moon

Setlist

  • No More Colours
  • Dirty Black
  • Man Behind The Sun
  • Hole
  • Here Lies The Sun
  • I Took The Sky Away
  • Mark Of Cain

Absägen! HELRUNAR beschließen den Abend mit einer musikgewordener Hexenverbrennung. Nach monatelanger Bühnenabstinenz sind Marcel „Skald Draugir“ Dreckmann und Kollegen sichtlich motiviert, ihre „Niederkunfft“ auch live zu zelebrieren. Dass es dabei einen Schritt zurück zu rohen, radikaleren Black-Metal-Dreschereien geht, nehmen die Fans dankend in Kauf und bescheren den Münsteranern einen proppenvollen Gig im Inneren der Höhlen. Neben feinster Pagan-BM-Ballerei werden allerdings auch Longtracks wie „Wein für Polyphem“ euphorisch aufgenommen. Das zur neuen Hymne avancierende „Magdeburg brennt“ lässt den Wegfall von „Älter als das Kreuz“ zwar nur bedingt verschmerzen, wendet aber immerhin dessen zunehmende Transformation zum abschließenden Parade-Saufsong ab. Gründe, den Becher zu heben, liefern HELRUNAR heute schließlich auch so genug. Und damit gute Nacht, wertes Balve.

Galerie mit 22 Bildern: Prophecy Fest 2016 – Freitag – Helrunar

Setlist

  • Niederkunfft
  • Unten und im Norden
  • Devils Devils Everywhere
  • Unter dem Gletscher
  • Ich bin die Leere
  • Magdeburg brennt
  • Nebelspinne
  • Wein für Polyphem
  • Landsknecht

 

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05.09.2016

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