Watain - Casus Luciferi

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 30 Bildern: Watain - Rock Hard Festival 2019

In den späten Neunzigern und vor allem frühen Nuller-Jahren war Black Metal nach einigen Großtaten zu Beginn des Jahrzehnts in einer Krise. Die Vorreiter waren aus der Puste oder hatten sich für einen Teil des Publikums mit genrefremden Einflüssen zu weit aus dem Fenster gelehnt. Neuere Bands hingegen glichen meist fahlen Plagiaten oder in schlimmeren Fällen einem reinen Kinderzirkus. Angepisst von diesen Anmaßungen sowie Menschheit und Christentum insgesamt, formte sich in Schweden um Bands wie OFERMOD, FUNERAL MIST und MALIGN eine Szene, die dem Genre seine Ernsthaftigkeit, seine Hingabe und seine satanischen Prinzipien zurückgeben sollte. Diese Szene sollte in Upsala 1998 auch das Trio WATAIN ausspucken, die nach einigen Demos und einem respektablen Debüt namens “Rabid Death’s Curse” 2003 mit ihrem ersten Magnum Opus “Casus Luciferi” die Szene aufmischen sollten.

Während WATAIN ohne DISSECTION, KATHARSIS oder einen der bereits genannten Vertreter nicht denkbar wären, so muss festgehalten werden, dass der Einfluss WATAINs selbst und vor allem dieses Albums für einen immensen Teil der zeitgenössischen Schwarzstahlszene monumental ist. Von Landsleuten wie VALKYRJA hin zu Nachbarn wie der beinahe gesamten Island-Szene – “Casus Luciferi” läutete eine neue Ära der Ernsthaftigkeit im Black Metal ein.

WATAIN mit ihrem ersten Magnum Opus

Es ist die Verbindung von ausschließlich perfekten Zutaten und einer unbändigen, jugendlichen Besessenheit, die das zweite WATAIN-Album zu etwas Besonderem machen. Das sakrale und zugleich abgrundtief düstere Cover, die verhallte Produktion aus dem siebten Kreis der Hölle, deren genialer Basssound gar nicht oft genug hervorgehoben werden kann, die Illustrationen, die jeder Song in der Innenhülle bekommen hat – und natürlich die perfekte Anordnung der Songs.

“Casus Luciferi” beginnt mit einem der größten Band-Klassiker, “Devil’s Blood”. Zu diesem Song verfasste nicht nur ex-CRASHDIET-Sänger Dave Lepard, der eine Zeit lang mit WATAIN-Sänger Erik Danielsson eine WG bewohnte und sich 2006 mit nur 26 Jahren das Leben nahm, den Chorus. Er inspirierte Selim Lemouchi, der sich 2014 mit 33 Jahren ebenfalls das Leben nahm, zum Namen seiner Kult-Band THE DEVIL’S BLOOD. Das von DISSECTION beeinflusste “Black Salvation” ist ein oft übersehenes Highlight, bevor WATAIN mit Stücken wie “Opus Dei (The Morbid Angel)” oder “I Am The Earth” beweisen, dass sie auch im gemäßigteren, teilweise schon schleppenden Tempobereich überlebensgroße Songs schreiben können. Darin manifestiert sich auch ein früher Anhaltspunkt für die Ausnahmestellung der Band: Sie besaßen früh ein Talent dafür, regelrecht eingängige Songs, die im Aufbau eher an klassische Heavy-Metal-Nummern ähneln, zu schreiben.

“Casus Luciferi” ist den älteren norwegischen Klassikern ebenbürtig

Es ist zudem die besondere Energie, aus der Überzeugung heraus geboren, der Welt echten Antagonismus entgegenzuhalten, die WATAIN von einem Album wie “De Mysteriis Dom. Sathanas” übernommen haben. “Casus Luciferi” ist keine pubertäre Provokation mehr, es ist gelebte Religion. Davon kann man halten, was man will. Die geradezu greifbare Spiritualität, die WATAIN in den erwähnten Stücken oder dem fast neunminütigen, abschließenden Titelsong ausstrahlen, macht die Platte aber selbst dann authentisch, wenn man dem ganzen misanthropisch-luziferischen Gedöns eher skeptisch gegenübersteht. Das Album erreicht überdies das perfekte Spannungsfeld zwischen roher Energie und musikalischem Feingefühl. Blastbeats werden zum Glück nicht überreizt, das mitunter stumpfe Geholze paart sich immer wieder mit diabolischen Melodien. Dynamik und Spannungskurve von “Casus Luciferi” sind vorbildlich und durchdacht.

Somit steht das zweite WATAIN-Album unterm Strich einerseits für ein beachtenswertes Album einer damals jungen und hungrigen Band, die dem skandinavischen Black Metal einen gewaltigen Schub verleihen sollte. Klar war andererseits noch nicht, zu welch gewaltigen Sprüngen die Band ab dem zugänglicher produzierten und variabler gestalteten Nachfolger “Sworn To The Dark” (2007) in der Lage sein sollte und auch nicht, dass sie ab dem 2010er-Longplayer “Lawless Darkness” endgültig in einer eigenen Liga spielen und die vielleicht kommerziell erfolgreichste aktiv tourende Black-Metal-Band werden würde. Doch das ist eine andere Geschichte …

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26.10.2022

Redakteur | Koordination Themenplanung & Interviews

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8 Kommentare zu Watain - Casus Luciferi

  1. blackthrash sagt:

    es gibt im Black Metal ein paar Bands, die hinterlassen bei mir einfach keine Spuren, die Scheiben laufen bei mir einfach so durch und mehr als ein „hmmm, naja, ist okay“, bleibt ja nicht. Ob nun Mgla, Taake oder Watain…..alles nicht sooo dolle, für MICH.

  2. nili68 sagt:

    Ist bei mir genau so, bei exakt diesen Bands. Jeder außer mir scheint die zu mögen. Es werden noch ein paar mehr sein, aber jetzt so aus dem Stegreif. Es gibt halt keine Bands, die wirklich jeder mag, auch wenn man den Stil hört. Wobei ich die genannten ja ebenfalls nicht direkt nicht mag, aber halt „meh“..

  3. doktor von pain sagt:

    In meinem Fall war es so, dass ich Interviews mit Watain-Frontmann Erik Danielsson gelesen hatte, bevor ich mich mit der Musik hätte befassen können. Und Danielsson hat in besagten Interviews so eine gequirlte Scheiße gelabert, dass es bei mir jegliches pozenzielles Interesse für die Musik von Watain im Keim erstickt hat. Ich hätte mir die nicht anhören können, ohne an Danielssons geistigen Dünpfiff erinnert zu werden. Daran hat sich bis heute nichts geändert.

  4. Lysolium 68 sagt:

    Ging mir bislang genauso. Die Statements von dem Frontmann auch in Bezug zu Anaal Nathrakh gingen mir irgendwie
    so auf den Sack das die bei mir voll verkackt haben. Das liegr jetzt nicht nur daran das AN eine meiner absoluten Favebands sind sondern auch an dieser beschissenen Überheblichkeit die der Fronter so an den Tag legt. Musikalisch sind die schon ok aber auch total überbewertet.

  5. ultra.silvam sagt:

    Kann man jetzt musikalisch mögen oder nicht. Aber Watain ist eine der wenigen Bands, wenn nicht sogar die Band, die Black Metal zelebriert. Da kommt nichts anderes live ran was die auf die Bühne zaubern.
    Mit der Casus bin ich nie wirklich warm geworden, bzw. hat mich damals nicht so interessiert die Band. Für mich ist „The Wild Hunt“ immer noch deren bestes Album. Trotzdem eine Band die man mal gesehen haben sollte.

  6. Kazanian sagt:

    Watains Magnum Opus meiner Meinung nach. Finster, majestetisch, aggressiv, mal ballernd, mal groovend. Jeder Song eigentlich ein Hit für sich. Besonders hervorheben möchte ich aber nochmal „From the pulpits of abomination“, da dies im Review nicht angesprochen wurde. Was ein Brett!

    Watain waren damals richtig stark. Die letzten Alben sind leider nur aufgewärmter Kaffee bis auf ein paar Ausnahmen. Live natürlich der absolute Black Metal Zirkus. Mir persönlich zu übertrieben aber ich denke das ist schon authentisch das die das so zelebrieren.

    Bezüglich dem seltsamen Gerede von Erik Daniellson. Ich bin der Meinung das gehört zum Black Metal dazu. Seltsame Leute mit seltsamen Ansichten. Finde ich wesentlich spannender mal in solche „verqueren“ Geister zu blicken als die ganzen politisch korrekten BM Bands heutzutage die Black Metal in Watte eingepackt machen. Diese Musik lebt auch von seinem extremen Mindset und seinem Wahn. Sonst wären niemals solche Großtaten wie auch „Casus Luciferi“ möglich gewesen. Never stop the Madness!

    9/10
  7. nili68 sagt:

    Wenn das Grundkonzept blöd ist, macht es das nur schlimmer, wenn es authentisch ist.

  8. snogrii sagt:

    Geht mir genauso. Zu Watain finde ich einfach keinen Zugang. Geht mir aber bei vielen Klassikern im BM so. Welche BM Bands oder Alben magst du denn gerne?