Cannibal Corpse
Interview mit Drummer Paul Mazurkiewicz zum neuen Album "Torture"

Interview

Cannibal Corpse

Für Death Metal Fans führt kein Weg an CANNIBAL CORPSE vorbei. Punkt. Obwohl schon mehr als zwanzig Jahre am Knüppeln, behaupten sich die Amis Album für Album aufs Neue. Dies wird sich mit Wurf Nummer zwölf auch nicht ändern. Der gut gelaunte Drummer Paul Mazurkiewicz sprach mit uns über Messermord, tödliche Überfälle innerhalb der eigenen vier Wände und sein Unverständnis für die deutsche Zensur.

In Eurem Studio-Videoblog scheinst Du Dich beim Einspielen verletzt zu haben. Jedenfalls krümmst Du Dich vor Schmerzen und fluchst wie ein Rohrspatz. Danach sieht man Dich in einem Gestell hängen, das offenbar entlastend wirken soll. Was war da los?

Solche Dinge passieren halt, wenn man älter wird. Ich hab mir irgendeinen Muskel oder so was gezerrt und es hat scheiße weh getan. Diese Hängeliege hat echt Wunder bewirkt! Ich habe so etwas bis dahin noch niemals gesehen, aber damit konnte ich am selben Tag noch mit den Aufnahmen weiter machen.

 

 

Wie war’s sonst so im Studio?

Es ist schon verrückt. Jede Session spiele ich einen Song in einem Durchgang ein. Nicht unbedingt beim ersten Versuch natürlich. Heute ist es einfacher, als zu den „Eaten Back To Life“-Zeiten, weil wir damals sehr wenig Studiozeit hatten und uns deswegen beeilt haben. Heute haben wir massig Zeit für mehrere Versuche. Trotzdem gab es bisher auf jedem Album einen Song, den ich in einem Take hinbekommen hab. Diesmal war es „As Deep As The Knife Will Go“, aber es war schon bizarr, dass es direkt beim ersten Versuch hingehauen hat. Klar hatte ich mich vorher aufgewärmt und das Lied einige Male durchgespielt, aber dann hieß es „Time to roll!“ und das Ding war im Kasten. Es ist super, dass wir das so einfangen konnten. Gerade beim Schlagzeug ist es eine tolle Sache, wenn man den Song am Stück einspielt.

Böse Zungen könnten behaupten, dass Ihr Euch nicht mehr großartig weiter entwickelt…

Ich denke wir machen genau das, was wir schon seit 12 Alben tun. Wir haben einen ausgeprägten Sound, Alex [Webster] ist schon immer unser hauptsächlicher Songwriter gewesen und dazu kommt mein eigener Drumstil. Es sieht irgendwie so aus, als hätten wir in dieser Hinsicht eine Bandidentität. Ich denke, dass mein Stil ziemlich spezifisch und unorthodox ist und das Gleiche gilt für Alex. Wir haben wohl schon zu Beginn unserer Karriere den Cannibal-Groove kreiert. Wir sind auch sehr glücklich darüber Pat und Rob in der Band zu haben, auch wenn sie nicht zur Originalbesetzung gehören. Die Songs, die sie zum neuen Album beigetragen haben, hören sich wirklich nach uns an, vielleicht sogar mehr als in der Vergangenheit. Das hat sich über die Jahre entwickelt. Ich denke diese Identität konnten wir die ganzen Jahre lang behalten. Bis zum zwölften Album, welches ich für das bis dato beste halte. Obwohl man da natürlich drüber streiten kann. Ich kann es kaum erwarten, bis es raus kommt und wir erfahren was die Fans davon halten.

Vor allem nach „Kill“ musstet Ihr Euch einige an Kritik von ihren Fans anhören. Zu technisch sei die neue Richtung, zu stumpf und abwechslungsarm.

„Evisceration Plague“ mag sich öfters mal ziemlich technisch anhören, aber so hat Alex in dieser Zeit halt viel geschrieben. Es kann gut sein, dass in seinen Songs etwas technischere Nuancen stecken. Ich denke aber, dass es eine tolle Sache ist, da der wilde Cannibal-Sound absolut beibehalten wird. Das Riffing mag schon fordernder sein als in der Vergangenheit. Aber Alex mischt das gut und setzt genug groovende Stellen ein. Das neue Album ist auch deswegen so abwechslungsreich geworden, weil er nicht mehr für 75 Prozent des Songwritings verantwortlich war, wie auf dem Vorgänger. Rob hat einen ziemlich old-schooligen Ansatz und Pat hat dieses mal versucht, mehr auf das Songgefühl als auf die Technik zu achten. Normalerweise ist das nicht sein Schreibstil. Das hört man den Songs auch an. Wenn die Leute also fanden, dass wir auf „Kill“ und „Evisceration Plague“ nicht genug Groove hatten, sollten sie mit „Torture“ sehr glücklich werden. Ich finde wir haben hier wirklich gute Arbeit geleistet.

Was ist für Euch dann der ideale CANNIBAL CORPSE Sound?

Man kann immer noch technischer werden. Das wollen wir eigentlich nicht, denn das wäre nicht CANNIBAL CORPSE. Unser Riffing mag ziemlich technisch sein, aber dann wird das Ganze beispielsweise über einen geraden und treibenden Beat gespielt, was einfach mein Stil ist. Wir müssen nicht an die Grenzen gehen, um brutal und authentisch zu klingen.

Für die Produktion hattet Ihr wieder Erik Rutan (SIX FEET UNDER, VITAL REMAINS, NILE) am Start, der schon seit „Kill“ hinter den Reglern sitzt. Bahnt sich da etwa eine engere Zusammenarbeit an?

Wir sind sehr zufrieden mit seiner Arbeit auf „Kill“ und „Evisceration Plague“. Klar wollten wir uns noch mehr anstrengen und verbessern und an einigen Stellen neue Dinge ausprobieren. Aber Erik ist ein großartiger Soundtechniker, er hat einfach Ahnung. In Texas haben wir „Bloodthirst“, „Gore Obsessed“ und „The Wretched Spawn“ aufgenommen. Seitdem waren wir einige Jahre nicht mehr dort. Also holten wir Eric zu uns rüber, nahmen dort die Bass-Spuren auf und zogen wieder zurück in sein Studio. Ich denke es hat gut funktioniert. Es war ein schöner Ausgleich und wir haben ein sehr gut klingendes Album. Ob wir auch in Zukunft mit Eric arbeiten werden, kann ich nicht sagen. Im Moment denken wir noch nicht so weit. Gerade geht es darum „Torture“ live zu spielen. Es sind noch einige Jahre hin, bis wir uns wieder Gedanken um das nächste Album machen werden. Wir werden sehen.

Ein Dauerbrenner ist bei Euch die endlose Debatte um Eure kontroversen Artworks. Seit „Vile“ (1996) gab es jedes Album mit zwei unterschiedlichen Covern, um einem möglichen Verbot zu entgehen. Von den beiden letzten Platten, deren Motive nicht so explizit waren, einmal abgesehen. Diesmal gibt es aber wieder reichlich Fleisch zu sehen.

Wir wollten mit dem Cover etwas mehr an die alten Sachen anknüpfen. Das Ding heißt „Torture“ und es ist ein passendes Artwork dazu geworden, denke ich. Wir lieben die Farben, das ganze Old-Schoolige. Keine Ahnung, ob wir „Butchered At Birth“ jemals werden toppen können, aber ich denke es ist um einiges brutaler als die beiden Vorgänger. Die Fans werden bestimmt froh sein es zu sehen. In Deutschland ist es echt unglaublich. „Evisceration Plague“ wurde indiziert, ich bin mir sicher, dass auch das neue Album auf den Index kommt. In den Staaten ist es aber das gleiche Problem. Wir können die Cover nicht so veröffentlichen, wie wir wollen. Es wird hier eine Art Über-Cover geben, was über das Original gestülpt sein wird. Ich weiß noch nicht, wie es in Deutschland gelöst wird [hier erscheint das Album mit einem entschärften Alternativcover – Anm. des Autors]. Es ist schon unglaublich, dass wir gerade bei euch solche Probleme haben. In anderen Ländern gibt es hin und wieder auch kurzfristige Probleme, aber sie kommen und gehen. Nur bei euch ist es so ein andauerndes Ding.

Dabei sollte man denken, dass in einer Zeit, in der postapokalyptische Zombie-Serien familientaugliche Unterhaltung darstellen, eine Band wie CANNIBAL CORPSE nicht mehr großartig schocken kann.

Man sollte meinen, dass es mittlerweile ein alter Hut ist. Solche Sachen kursieren schon ewig, es ist nichts Neues und Schockierendes mehr. Aber es sieht so aus, als gäbe es Menschen, die nichts besseres zu tun haben, als unsere Alben zu verbieten. Das hat für mich noch nie Sinn gemacht und heutzutage erst recht nicht.

Könnten Eure Texte also irgendwann wegen eines Mangels an neuen Ideen harmloser werden? Oder gibt es noch irgendeine abgedrehte Geschichte, die Ihr noch nicht besungen habt?

Das wird es wohl geben müssen. Bisher ist uns immer etwas eingefallen. Diesmal geht es natürlich viel um Folter, wir haben einige spezifische Dinge, die wir vorher so noch nicht verwendet haben. Natürlich ähneln sich die Motive der Lyrics manchmal, denn es geht nun mal darum, jemanden mit einem Messer oder irgend einem anderen Werkzeug umzubringen. Solche Sachen. Aber es wird bestimmt noch was folgen. Wir haben immerhin schon zwölf Alben mit solchem Material gefüllt gekriegt. Wir versuchen echt verschiedene Geschichten zu schreiben, mit unterschiedlichen Konzepten. Also bin ich mir sicher, dass es noch genug Dinge gibt, über die man schreiben kann. Wir werden sie finden.

Welchen Song findest Du von den Lyrics her am gelungensten?

Ich selbst habe diesmal zu fünf Songs die Lyrics beigesteuert. Von denen würde ich „Followed Home Then Killed“ herauspicken. Er ist irgendwie intensiver. Es ist alles nicht mehr so auf die Spitze getrieben wie in der Vergangenheit. Jetzt ist es mehr so, als würden wir Horrorgeschichten erzählen. Die eine etwas brutaler, die andere weniger. Dieser Song erinnert mich auch an einen alten Horrorstreifen aus den frühen Achtzigern. Es geht um eine Person, die jahrelang von einem Stalker verfolgt wird. Sie fühlt sich sicher in ihrem Zuhause, aber der Killer bricht dort ein und bringt sie um. Dann packt er sein Zeug ein und zieht weiter. Ich mag diese Story echt.

Und auf das gesamte Album bezogen – welcher Song gefällt Dir da am besten?

Das ist eine schwer zu beantwortende Frage, Mann. Wir sind mit dem Endresultat wirklich sehr zufrieden. Wie schon gesagt – ich denke Rob und Pat haben hier die bis dato besten Songs für uns geschrieben und Rob hat gleich drei beigesteuert. Bisher war es höchstens ein Track pro Album. Von Pat kamen gleich fünf. Früher hatte Alex immer den Großteil geschrieben. Sie sind alle sehr gut und es ist echt schwer sich für einen davon zu entscheiden. Ich mag sie wirklich alle. „As Deep As The Knife Will Go“ ist super geworden, aber auch „Scourge of Iron“. Es sind echt zu viele gute, was ja auch großartig ist.

„Torture“ ist Euer zwölftes Album. Was treibt Euch an, dass Ihr nach all den Jahren noch immer so eine Motivation in Euch habt?

Ich liebe es live zu spielen – die Hitze des Moments, die Menge, all das Zeug. Es ist einfach unglaublich. Darum geht es beim Death Metal eigentlich und so ist er auch gedacht. Es ist eine lebendige Sache. Wenn man eine Band gründet, dann spielt man live und nimmt erst mal keine Platten ein. In unserer Situation brauchen wir natürlich Alben. Es soll ja immer weiter gehen. Da befindet man sich natürlich wie unter einem Mikroskop. Fehler, die live okay wären, kann man hier nicht machen. Dazu arbeitet man zu sehr unter Zeit- und Gelddruck. Es kann schon nervenaufreibend sein. In den letzten Jahren ist es für mich aber einfacher geworden, weil wir auch als Band immer besser funktionieren. Es macht mehr Spaß. Aber das Adrenalin auf der Bühne – darum geht es eigentlich. Wir lieben einfach was wir tun. Es ist ein wahr gewordener Traum. Wir stehen auf unsere Mucke, wir stehen auf Death Metal und wir waren zur rechten Zeit am rechten Ort. Das treibt uns einfach immer weiter. Und solange wir körperlich dazu in der Lage sind, wird sich das auch nicht ändern. Es ist tatsächlich die Liebe zur Musik, die uns hauptsächlich motiviert. Wenn man das nicht so sieht, dann spielt man aus den falschen Gründen, was bei uns nie der Fall war. Wenn morgen alles vorbei wäre, hätte ich nichts zu bereuen. Alles ist unglaublich gelaufen, wir haben mit den Helden unserer Kindheit zusammen gespielt und unglaubliche Orte gesehen.

Galerie mit 28 Bildern: Cannibal Corpse - European Tour 2023 in Berlin
15.03.2012

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