Prophecy Fest 2017
Der Weg nach Innen

Konzertbericht

Billing: Nhor, Soror Dolorosa, Sun Of The Sleepless, Arcturus, GlerAkur, Sólstafir, Lotus Thief, The Moon And The Nightspirit, Spiritual Front, Noêta, Dornenreich, The Vision Bleak, Hexvessel, DOOL und Hypnopazuzu
Konzert vom 28.07.2017 | Balver Höhle, Balve

Tag 1 – Ein musikalischer Grenzgang beginnt…

Den Anfang macht NHOR, ein Solo-Künstler aus Großbritannien, der schon seit über zehn Jahren Alben veröffentlicht und an diesem Wochenende zum ersten Mal live auf der Bühne steht. Allerdings wird nicht der von den Alben bekannte Mix aus Ambient, Folk und Black Metal aufgeführt, da NHOR die Bühne ohne Begleitmusiker betritt. Für eine knappe halbe Stunde setzt er sich ans Klavier und führt eine extra lange Version eines seiner Klavierstücke auf, während er von einem Zeichner begleitet wird. In beachtlicher Geschwindigkeit erschafft dieser ein Bild von rauer Schönheit. Am Ende erblickt der Betrachter zwischen hohen Tannen, auf der anderen Seite eines zugefrorenen Sees, einen mondbeschienenen Berg, dessen spitzer Gipfel sich in einen Himmel voller kalter Sterne sticht.

Auch wenn der Autor dieser Zeilen irritiert einige Stromgitarren vermisst und deswegen etwas meckert, ist dieser Auftritt eine nette Einstimmung zu Beginn des Festivals. (MT)

Nhor - Prophecy Fest 2017

Minimalistisch und der Kunst verbunden – NHOR

Nach dem Prolog wartete die interessierte Menge vor der Bühne auf die ersten E-Gitarren, die ersten Vocals des Abends. Trotz ausgiebigen Soundchecks gab es hier anfangs noch einige Schwierigkeiten im Mix, ein wenig später unterstrich dann ein voller Sound mit viel Reverb und Delay auf der Stimme die düsterromantische Atmosphäre. Insgesamt im mittleren Tempobereich unterwegs, überzeugte SOROR DELOROSA mit viel Groove und einem abwechslungsreichen Set. Die akustischen Anleihen bei Genre-Ikonen wie SISTERS OF MERCY, THE MISSION oder auch THE CURE waren nicht zu überhören, hier und da überraschte die Band mit eher post-punkigen Riffs. Stets angetrieben vom prägnanten Bassspiel des Hervé Carles hatten vor allem die etwas schnelleren Stücke Wiedererkennungswert.

Die Gothrocker schöpften einen nicht unerheblichen Teil ihrer Bühnenpräsenz aus der vielseitigen, markanten Stimme ihres Sängers Andy Julia und dessen lässiger Rockstar-Attitüde. Julia war auch ganz klar der Aktivposten, der zwar wortkarg, aber gestenreich den Raum auf der Bühne nutzte, wohingegen die anderen Musiker eher dem shoe gazing verpflichtet waren.
Die Franzosen sind noch relativ frisch bei Prophecy und arbeiteten knapp vier Jahre lang an ihrem neuen Album „Apollo“, das im September dieses Jahres erscheinen wird und von dem es auch schon etwas zu hören gab. Der souveräne Auftritt auf dem Prophecy Fest bot hier einen gelungenen Vorgeschmack. (MoG)

Soror Dolorosa - Prophecy Fest 2017

Gruftiger Rock mit Gitarren – SORAR DOLOROSA

SUN OF THE SLEEPLESS, deren erster und zugleich letzter Auftritt ins Jahr 1999 zurückreicht, sorgte als erste Band für großes Interesse des Publikums und entpuppte sich sogleich auch als echter Höhepunkt. Das experimentelle Black-Metal-Projekt um Schwadorf (EMPYRIUM, THE VISION BLEAK) wurde für den Auftritt um zahlreiche Gastmusiker aus dem Umfeld der Band erweitert. Inkantator Koura (MOSAIC) am Bass, Eviga (DORNENREICH) an der Gitarre und Vince Kreyder (NOVAGREEN, THE VISION BLEAK Live) können an dieser Stelle genannt werden.

Sicherlich, der Legendenstatus der Band ist über die Jahre auch über die Inaktivität von SUN OF THE SLEEPLESS gewachsen. Da Schwadorf allerdings auch ein hochinteressantes neues Album im Gepäck hat, fokussierte sich der Auftritt selbstredend auf die Präsentation desselbigen. Hoffen wir einmal, dass metal.de diesem beizeiten auch eine Besprechung widmen wird, denn die Entwicklung ist enorm und „To The Elements“ hat zu einem vollkommen eigenen Sound gefunden. Das Album könnte ein echter Klassiker werden.

Motions (To The Elements)
The Owl (To The Elements)
Romanze zur Nacht (Split mit NACHTMAHR)
Where In My Childhood Lived A Witch (To The Elements)
In The Realm Of The Bark (To The Elements)
Thou, Whose Face Hath Felt The Winter’s Wind (Poems To The Wretches Hearts)
Phoenix Rise (To The Elements)

Sun of the Sleepless - Prophecy Fest 2017

Ein verdammt starker Auftritt – SUN OF THE SLEEPLESS

Nach diesem wahrlich hervorragendem Einstieg in die härteren Klänge folgte mit ARCTURUS eine gleichsam hochwertig besetzte Band aus dem Umfeld der skandinavischen Black-Metal-Szene. Da die Herren nun wirklich nicht an jeder Steckdose spielen und zudem seit dem vorletzten Album „Sideshow Symphonies“ mit ICS Vortex, welcher bspw. das dritte und vierte BORKNAGAR-Album eingesungen hat, mit einem der interessantesten Sänger des Genres bestückt sind, zählten ARCTURUS bereits im Vorfeld zu meinen Beweggründen überhaupt nach Balve zu fahren. Und ich sollte nicht enttäuscht werden. ICS Vortex hat auch live eine fantastische Stimme, ist im positiven Sinne wahnsinnig und zauberte vielen Zuschauern mit seiner egozentrischen Performance ein Lächeln ins Gesicht.

ARCTURUS sind mittlerweile musikalisch auf einer Ebene angekommen, die in den Neunzigern als Evolution des Black Metals vermutlich undenkbar war. Virtuos, ungemein spielfreudig und mit immensen Fähigkeiten sprengt die Band alle Fesseln des Genres und taucht tief ein in progressive und avantgardistische Strukturen. Das letzte Album „Arcturian“ war ein Meilenstein, Stücke wie „Angst“ oder gerade das unfassbar eingängige „Crashland“ sind nicht nur auf Platte eine wahre Freude, sondern überzeugen auch live auf voller Länge. Wahnsinn. Großartig. Verbeugen, wegtreten! (SvW)

Arcturus - Prophecy Fest 2017

Zwischen Genie und Wahnsinn – ICS Vortex von ARCTURUS

Hinter der Bezeichnung GlerAkur (übersetzt in etwa: GlasFeld) steckt ein Projekt des isländischen Komponisten Elvar Geir Sævarsson, das sich musikalisch zwischen Ambiente, viel Post-Rock und einigen Doom-Elementen einordnen lässt. Konkret bedeutet das sieben Musiker auf der Bühne, die in überwiegend instrumentalen Stücken eine Klanglandschaft errichten. Flächige Gitarrenriffs, die wie Wellen aufeinander folgen, sich konzentrisch aufbauen und an Kraft gewinnen, Felsen umspülen und Ufer zu verschlingen drohen, um dann schließlich brutal von den beiden Drumsets zerschlagen zu werden, um wiederum etwas Neues zu formen.

Ähnlich wie auch die Riffs durch Repetition und Varianz erstarken, entfaltete auch der sporadisch verwendete Gesang durch Wiederholung seine hypnotische Macht. Wenn GlerAkur Vocals einsetzt, wirkt dies wie eine mehrstimmige Beschwörung einer urwüchsigen Kraft. Indes springt dieser Zauber nicht bei jedem Lied über: In den weniger gelungenen Momenten erinnerten mich die Stücke an eine mühsame Wanderung über sperrige Pfade, hinter deren Kurven und Kuppen man immer wieder ein atemberaubendes Panorama erwartet, nur um sich zum Schluss des Stücks wieder am Anfangspunkt der höhepunktarmen und langatmigen Reise wiederzufinden. Solche Momente bildeten allerdings die Ausnahme, denn oft erschufen die sieben Musiker in Balve eine psychedelisch anmutende Landschaft, mächtig und verschlingend und voll von entdeckungswürdigen Details. Unterstützt wurde die Musik dabei von minimalistischen, trip-ähnlichen Visuals, die den Eindruck einer Reise noch weiter verstärken. Jenseits der Leinwand kleidete Lichtkünstler Dani Wirklicht Band und Musik in farbigen Glanz.

Eine ähnlich ambivalente Einschätzung erfährt der abschließende Song am Ende des Konzerts. Gemeinsam mit Sänger Aðalbjörn Tryggvason und Bassist Svavar Austman Traustason der befreundeten Band SÓLSTAFIR brachte man hier ein launiges Cover auf die Bühne. Einerseits sah man allen beteiligten Musikern den Spaß an der Sache an, man probt ohnehin in den gemeinsamen Räumlichkeiten. Andererseits opferte GlerAkur hier schwungvoll die zuvor langsam aufgebaute, fragile Atmosphäre und ließ zumindest mich mit gemischten Gefühlen zurück. (MoG)

GlerAkur - Prophecy Fest 2017

Zwei Schlagzeuger sind Teufelswerk und nicht zu entschuldigen – GLERAKUR

Wie kaum eine andere Band dieses Festivals haben SÓLSTAFIR jahrelang hart an ihrem Erfolg gearbeitet. Aus der kleinen experimentellen Black-Metal-Band ist im Laufe der Jahre eine genreübergreifende Rock-Combo geworden, die inzwischen einen Erfolg erlebt, den sie in ihrer vormaligen kleinen Nische nie hätte erreichen können. Dementsprechend konzentrieren sich die Isländer auf neueres Material. Die Songs klingen wie Soundtracks zu dramatischen Kurzfilmen und steigern sich von einfachen Melodien zu dichten Klangteppichen, eindrucksvoll nachzuhören beim neuen Song „Ísafold“. Dazu passt auch der klagende Gesang von Sänger Aðalbjörn, der es sich nicht nehmen lässt, den Song „Necrologue“ traditionell einem Weggefährten zu widmen, der vor einigen Jahren Suizid begangen hat. Dabei richtet er sich an jene, die selbst unter Depressionen leiden und spricht ihnen Mut zu.
Abgesehen von dieser etwas längeren Ansprache hält sich der Frontmann mit Ansagen weitestgehend zurück. Die Musik spricht für sich, lädt zum dezenten Mitwippen ein und lässt die verstreichende Zeit vergessen. An dieser Stelle möchte ich übrigens die ausgezeichnete Lichtanlage erwähnen, die beinahe jede Band noch eine Stufe hochwertiger erscheinen lässt. SÓLSTAFIR treten in einem kühlen Blau auf, dass punktuell von gelb-rötlichen Strahlen durchbrochen wird – wie dichter Morgennebel, den das erste Sonnenlicht noch nicht durchteilen kann. (MT)

Solstafir - Prophecy Fest 2017

Ein würdiger Abschluss des ersten Tages – SOLSTAFIR

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15.08.2017

Stellv. Chefredakteur

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