Swallow The Sun, Before The Dawn und Stam1na
Finnischer Rundumschlag

Bericht: Sabine Langner & Oliver Schreyer

Das finnische Tourpaket SWALLOW THE SUN, BEFORE THE DAWN und STAM1NA gibt sich in der Hauptstadt die Ehre. Ein ausverkauftes Cassiopeia lässt Schlimmes erahnen, denn die letzten beklemmenden Erinnerungen an HULDER treiben den Angstschweiß auf die Stirn. Wir lernen und wissen nun, dass es zwei Arten von ausverkauften Konzerten gibt. Die heutige „Shining Over Europe“-Tour erweist sich als sehr erträgliche Variante, die weder dem Konzertgenuss noch dem gepflegten Sozialverhalten im Wege steht.

Reine Energie

Der Club ist bereits gut gefüllt und STAM1NA haben es eilig, denn sie eröffnen den Reigen gut 15 Minuten vor dem offiziellen Konzertbeginn. Auch wenn Sänger Antti anfangs noch mit dem Mikrofon kämpft, kommt die Band schnell in Schwung und bietet den Anwesenden eine energiegeladene und agile Show. Ihre Mischung aus thrashigem Modern Metal mit finnischen Texten funktioniert, und so ist es nicht verwunderlich, dass gegen Ende des Sets auch Moshpits vor der Bühne toben. STAM1NA punkten mit musikalischer Präzision, Spielfreude und einer absolut sympathischen Art, sodass man auch ohne Kenntnis der kompletten Banddiskografie eine Menge Spaß haben kann. Die Band geht ihre 30 Jahre Geschichte konsequent an und deckt mit Stücken der letzten Alben („Utopia“, „Metropolio“) bis hin zu Klassikern wie Viisi Laukausta Päähän vieles ab. Und mit mehr Fröhlichkeit ist heute Abend nicht mehr zu rechnen: 10 von 10!

The Voice Of Finland

Mit Paavo Laapotti sind BEFORE THE DAWN nach der gelungenen Reunion stärker denn je und verbinden den klassischen Bandspirit gelungen mit neuem Material. Bandkopf Tuomas Saukkonen ist während der Konzerte selten zu sehen, aber deutlich zu hören, da er seit dem Einstieg von Paavo bei BTD lieber wieder das Schlagzeug malträtiert. Die Band hat gerade ihre Zusammenarbeit mit Reaper Entertainment bekannt gegeben und im Zuge dessen auch das kommende Album „Cold Flare Eternal“ angekündigt, das im September erscheinen soll. Vorbote ist die erste Single „As Above, So Below“, die auch heute Abend Teil der Songauswahl ist.

Das Set ist eine runde Mischung aus Klassikern und Stücken der „Laapotti-Ära“. Auch wenn das mitreißende „Unbreakable“ auf dieser Tour fehlt, zelebrieren Band und Fans alte Hits wie „Faithless“, „Wrath“ oder „My Darkness“, die gut mit den modernen Tracks wie „Downhearted“ harmonieren. BEFORE THE DAWN sind in jetziger Konstellation wieder ein lohnendes (und schweißtreibendes) Live-Ereignis. Die Saitenfraktion, aktuell bestehend Juho Räihä und Pyry Hanski, bringt ordentlich (Haar)Schwung auf die Bühne. Aber wenn Laapotti den Dread-Rotor anwirft, gehen die beiden besser aus dem Weg. Im Hintergrund wirbelt ein routinierter Schlagwerker mit fokussierter Mine unter einer tief ins Gesicht gezogenen Cap.

Mit dem verpflichtenden Rauswerfer „Deadsong“ endet eine starke Show, die über jeden Zweifel erhaben ist und die Vorfreude auf das neue Album kräftig ansteigen lässt. Fröhlichkeitslevel: 8 von 10

Tracklist BEFORE THE DAWN:

My Darkness
Faithless
Dying Sun
As Above, So Below
Downhearted
Winter Within
Monsters
Wrath
Deathstar
Deadsong

Headliner der Düsternis

Zum aktuellen Album „Shining“, das im Vergleich zu früheren Werken nicht durchweg überzeugen kann, sind SWALLOW THE SUN als Headliner auf Tour. Die dritte finnische Band des Abends ist mit Abstand die düsterste und bringt den Doom Metal auf die Bühne des Cassiopeia.

Die Setlist konzentriert sich auf das aktuelle Album „Shining“ und bietet Stücke wie „Innocence Was Long Forgotten“, „Charcoal Sky“ und den Ohrwurm „MelancHoly“.

Es ist kein Déjà-vu, denn Gitarrist Juho Räihä greift nach kurzer Umbaupause gleich noch einmal in die Saiten. Die Bühnenpräsenz wird von der agilen Saitenfraktion dominiert: Während Mastermind Juha Raivio gestikuliert und post, geben Juho und Basser Matti Honkonen Gas. Sänger Mikko Kotamäki (mal wieder im TYPE O NEGATIVE-Shirt = Wette gewonnen) überzeugt mit einer grandiosen Gesangsleistung, auch wenn sich sein Stageacting eher auf Mikro und Bühnenmitte beschränkt. SWALLOW THE SUN sind mittlerweile 25 Jahre im Geschäft und bei insgesamt neun Studioveröffentlichungen ist es zweifelsohne schwierig, das neue Album zu promoten und gleichzeitig Fans der ersten Stunde glücklich zu machen.

Waschechte Oldies lassen die Jungs vermissen. Zählt man die obligatorische Alltime-Zugabe „Swallow“ nicht mit, ist das dösige „Don’t Fall Asleep (Horror, Part 2)“ von „Hope“ der älteste Track im Set.

Zum Glück zeigen sie mit Stücken wie „When A Shadow Is Forced Into The Light“ wenigstens noch ein bisschen Zähne. Leider haben weder „Songs From The North“ noch „Moonflowers“ Platz im aktuellen Live-Set. Davon hätte fast jeder ein „Cathedral Walls“ mit Anette Olzon vom Band ersetzen können.

Die TYPE O NEGATIVE-Anspielung „November Dust“ ist zwar eine nett gemeinte Hommage, aber angesichts des zwei Tage zurückliegenden Todestages von Pete Steele hätten wir uns lieber „April 14th“ gewünscht. Aber wir sind ja nicht bei „Bau Dir Deine Lieblingssetlist“. „Swallow“ vom allerersten Album „The Morning Never Came“ kommt so sicher wie das Amen in der Kirche, funktioniert aber mit seinem simplen, stark reminiszenten Riffing einfach immer.

Nach unzähligen erlebten SWALLOW THE SUN-Shows bekommt die heutige das Prädikat: Solide, aber weitgehend überraschungsfrei. Fröhlichkeitslevel: From Happiness To Dust!

Tracklist SWALLOW THE SUN:

Das finnische „Dreierlei“ zeigt einmal mehr deutlich, wie großartig und vielseitig die Musik aus dem Land der tausend Seen ist. Von energiegeladenem Modern Thrash über Melodic Death Metal bis hin zu Melodic Death Doom geht ein abwechslungsreicher Konzertabend zu Ende, der so oder in anderer Konstellation auf jeden Fall wiederholt werden darf.