Tiamat - The Astral Sleep

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

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Als in Stockholm die Death-Metal-Welle anrollte, befanden sich TIAMAT zwar im selben Wasser, hielten sich aber etwas abseits: Ihr Debütalbum „Sumerian Cry“ nahmen sie im Sunlight Studio auf, zwei Monate, bevor ENTOMBED ihrerseits die unheiligen Hallen für ihren „Left Hand Path“ enterten. TIAMAT allerdings waren von der Ästhetik des Black Metals angezogen und nicht von der rohen Gewalt des HM2-Verzerrers.

TIAMAT halten sich abseits

Dieses Abseitsstehen änderte sich auch nicht, als TIAMAT zusammen mit GRAVE und UNLEASHED vom aufstrebenden Dortmunder Label Century Media Records unter Vertrag genommen wurden: Die zwei vorab auf dem labeleigenen „In The Eyes Of Death“-Sampler veröffentlichten Stücke wiesen nunmehr verstärkt doomige Elemente auf. Ein Fingerzeig auf das zweite Album „The Astral Sleep“, das im Sommer 1991 im Woodhouse Studio von Waldemar Sorychta produziert wurde.

„The Astral Sleep“ enthielt zwar noch deutliche Anspielungen auf umgedrehte Kreuze (die sich ja auch noch im Logo wiederfanden), aber textlich verarbeitet Frontmann Johan Edlund vorwiegend sumerische Motive, Träume und dunkle Poesie. Und da sowieso gerade das Line-Up wieder wechselte, legten die Bandmitglieder ihre diabolischen Pseudonyme ab: Aus Hellslaughter wurde Johan Edlund, aus Juck wurde Jörgen Thullberg, hinzu kamen Niklas Ekstrand am Schlagzeug und Thomas Petersson (heute Wyreson) an der Lead-Gitarre. Außerdem spielte Jonas Malmsten die Keyboards ein – und davon sollte es diesmal reichlich geben.

Sumerische Motive, Träume und dunkle Poesie

Auch optisch geht „The Astral Sleep“ neue Wege: Das Albumcover zeigt statt eines kompletten Gemäldes eine grafische Umsetzung, wo das Logo mit Rostflecken (falls Ihr Euch schon mal gefragt haben solltet, was da auf dem Cover eigentlich zu sehen ist) verschmilzt, während auf der rechten Seite eine Zeichnung einer Kindermumie zu sehen ist. Die dominierende Farbe ist, ebenfalls untypisch, bronze.

Musikalisch ist „The Astral Sleep“ eine deutliche Weiterentwicklung vom rumpeligen Black Metal des Debüts: Das Tempo wurde stellenweise gedrosselt, und so findet sich verdächtig viel Vierviertelatakt in den Songs wieder. Zum Ende hin wird aber auch gehobelt: „I Am The King (Of Dreams)“ und „A Winter Shadow“ sind Uptempo-Stücke mit schrammeligen Gitarren und einem diabolisch bellenden Johan Edlund. Hier zeigt sich die Band also noch in ihrer eigenen Tradition. Das gilt selbstredend auch für „Ancient Entity“, wenngleich hier schon eine songdienliche Virtuosität gezeigt wird, darf doch Produzent Sorychta ein melodiöses wie fingerfertiges Gitarrensolo spielen.

„The Astral Sleep“ steht für Weiterentwicklung

Für Weiterentwicklung stehen „Mountain Of Doom“, „On Golden Wings“ und „Angels Far Beyond“, bei denen das Tempo gedrosselt und die doomigen Gitarrenriffs durch fette Keyboardakkorde ergänzt werden. Das Ganze ergibt eine dichte Atmosphäre, und gerade letzterer Song entführt in eine fremdartige, aber doch lichte Traumwelt – „bizarre but still romantic“, wie es in den Lyrics dazu heißt, und weiter:

„Angels are whispering from far beyond
Dreaded in a beautiful way…“

Der Opener „Lady Temptress“ wiederum wirkt wie die Hitsingle des Albums (ohne dass der Song als Single veröffentlicht wurde noch ein Hit wurde): Dafür stehen kompaktes Riffing bei Uptempo und nachvollziehbare Songstrukturen mit Strophe und Refrain. Im Text wiederum kleidet Johan Edlund seine Ablehnung der christlichen Religion mit ihren verklemmten Moralvorstellungen in ein poetisches Gewand: Da wird der Verführer zu einer weiblichen Person, eben „Lady Temptress“:

„Lady Temptress
Meet me in my dreams
Trace my dark sides
In the depth of my subconscious“

Neben einigen wenigen Ausflügen in die schwarzmetallische Vergangenheit gelingt TIAMAT also eine Synthese mit doomigeren Klängen, während den Schweden traditionelle Songstrukturen ebenfalls gut zu Gesicht stehen. Es sind aber noch andere Klänge, die „The Astral Sleep“ genauso prägen, und diese stehen auf der Härteskala ganz am anderen Ende: Neben dem vollmundigen Keyboardintro „Neo Aeon“ und dem Outro „The Seal“ sind dies „Dead Boys‘ Choir“ und „The Southernmost Voyage“. Bei ersterem Stück, obwohl mit voller Instrumentierung eingespielt, sticht die gezupfte Akustikgitarre heraus – sowie die verzweifelte, verlorene Atmosphäre. „The Southernmost Voyage“ wiederum ist ein verträumtes Stück – ohne Schlagzeug, dafür aber mit sehnsuchtsvollen Keyboardklängen und gezupften Akustikgitarren, während Johan Edlund seinen zwischen Todessehnsucht und Satanismus wechselnden Text ganz sanft und flüsternd vorträgt.

Verträumt, zwischen Todessehnsucht und Satanismus …

Man ist ja geneigt, bei Bands, die ihren Stil langsam ändern, „Übergangsalbum“ zu identifizieren. Bei TIAMAT allerdings ist ein solches Unterfangen schwierig: Natürlich ist „The Astral Sleep“ irgendwie ein Übergangsalbum, aber auch das nachfolgende „Clouds“ markiert einen weiteren Übergang (und „Wildhoney“ irgendwie auch). Das würde aber voraussetzen, dass sich TIAMAT zu einem gewissen Sound gewandelt haben – und das haben sie nie: Die musikalische Entwicklung geht für die Band immer weiter, die Alben werden eh teilweise als Kompromiss angesehen, als aktueller Stand, der nur der Tatsache geschuldet ist, dass ja das Label irgendwann ein fertiges Produkt auf den Markt werfen möchte.

Bandkopf Johan Edlund hat eh einen anderen Blick auf die Dinge: Im Interview, das wir vor zehn Jahren anlässlich des bislang letzten Albums „The Scarred People“ führen konnten, nannte er eine eigentlich nebensächliche Entscheidung der damaligen Promoterin, die ihn bereits zu Zeiten von „The Astral Sleep“ vom Rest der Band separiert habe, indem er nämlich alle Interviews geben sollte. Vielleicht ist da ja etwas Wahres dran. Fakt ist jedenfalls, dass musikalische Spannungen nach „Clouds“ zum Split innerhalb der Band führten und Johan Edlund in der Folge seine Visionen zunehmend ungefiltert verwirklichen konnte.

Ein Übergangsalbum?

Das Schöne daran ist aber, dass „The Astral Sleep“ sowohl mit seiner Musik, der Umsetzung und der Stimmung ein einmaliges Album geblieben ist, das weder von TIAMAT selbst noch von einer anderen Band kopiert wurde. Es ist auch nach über dreißig Jahren noch ein tolles, stimmungsvolles, nur ansatzweise aggressives, dafür aber morbid schönes und streckenweise auch verloren wirkendes Album. Sicherlich ist die Zeit daran nicht spurlos vorübergegangen, und manches Mal wirkt es in seinem Aufbegehren etwas unerwachsen, aber für alles, was noch folgen sollte, haben die Schweden hier bereits den Grundstein gelegt.

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29.06.2022

- Dreaming in Red -

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