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Die besten Alben aus dem 2020er Soundcheck

Special

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

der Soundcheck folgte schon immer seinen eigenen Regeln. Mehr als zehn Redakteure stimmen monatlich geheim über eine Reihe von Alben ab. Da kann schon mal der letzte Platz von einem Redakteur mit acht Punkten bedacht werden, im Schnitt aber nur bei 3.1 Punkten liegen. Auch weiß man oft erst im Nachhinein, wer für den Monat wirklich relevant war oder wir kamen nicht rechtzeitig an genug Bemusterungsexemplare für alle Redakteure. Als Ausgleich gab es dieses Jahr die Kür der besten Alben 2020. ULCERATE gewannen mit „Stare Into Death And Be Still“ souverän die Kategorie Death Metal, tauchten aber nicht im Soundcheck auf. Andersrum sind in den Top 10 des 2020er Soundchecks gleich drei Alben, die nicht bei den besten Alben 2020 erwähnt werden. Wie immer gilt, wir geben Tipps, Geschmäcker sind unterschiedlich und entscheiden müsst dann schlussendlich ihr selbst.

Für diese Übersicht haben wir mit einer Ausnahme nur Alben herangezogen, die eine Durchschnittsnote von 7.0 Punkten oder mehr erreicht haben. Viel Spaß beim Klicken.

Die Ausnahme

WILDERUN – Veil Of Imagination

Im Juni hatte unser Team wohl nicht die beste Laune, um die Wertungen für den Juli abzugeben, PRIMAL FEAR und ENSIFERUM teilten sich mit 6.7 Punkten den zweiten Platz und WILDERUN reichten 6.8 Punkte um den ersten Platz zu erringen. „Veil Of Imagination“ ist ein Album, für das Kollege Klaas sechs Kategorien brauchte um es einzusortieren, denn „Symphonic Progressive Folk Metal“ ist entgegen aller Erwartungen noch keine Kategorie bei metal.de. Da die Scheibe den Soundcheck gewonnen hat, aber nicht auf 7.0 Punkte gekommen ist, läuft sie hier außerhalb der Konkurrenz mit. Einen anderen Grund gibt es noch, denn eigentlich erschien „Veil Of Imagination“ schon 2019, wurde aber nur von der Band in Eigenregie veröffentlicht. Später griff dann aber Century Media zu und legte die Scheibe im Juli nochmal neu auf.

Platz 26: 7.0 Punkte

BENEDICTION – Scriptures

Punktlandung. 7.0 Punkte im Schnitt für „Scriptures“. BENEDICTION sind mit neuem/altem Sänger zwölf Jahre nach dem letzten Album wieder da. Wer die Briten nach „Killing Music“ schon abgeschrieben hatte, wurde eines besseren belehrt. 2020 war sowieso das Jahr des Death Metals und für BENEDICTION kann man nur hoffen, dass es bald mal wieder auf die Bühne geht. Die Tour zu „Scriptures“ sollte auch mehr Leute hinter dem Ofen hervorlocken als vor zwölf Jahren die Tour zu „Killing Music“, bei der die Band regelmäßig vor einer zweistelligen Zahl von Zuschauern gespielt hatte.

DEAD LORD – Surrender

Willkommen zurück in den 70ern. Holt die speckige Jeans raus, schwingt das Tanzbein, denn DEAD LORD liefern wie gewohnt den Soundtrack dazu. Doch Vorsicht, diese Scheibe könnte auch euren Eltern oder dem Nachbarn gefallen. Dann ist es vorbei mit der Rebellion und man trinkt halt mal zusammen ein Bier und philosophiert über Zeiten, wo sowieso alles besser war. Vor allem die Musik.

NEAERA – Neaera

So überraschend wie das Amen in der Kirche, nach fünf Jahren Pause haben sich NEAERA 2018 wieder zusammengetan.

So überraschend wie das Amen in der Kirche, NEAERA haben mit „Neaera“ sieben Jahre nach „Ours Is The Storm“ wieder ein Album veröffentlicht.

So überraschend wie das Amen in der Kirche, „Neaera“ ist ein starkes Album geworden.

Überraschend ist nur, dass man sogar vom besten Album der Bandgeschichte sprechen könnte. Wollte ich nur mal gesagt haben.

Platz 17: 7.1 Punkte

BEGRAFVEN – Dödsriket

Sieben Jahre haben BEGRAFVEN von der Veröffentlichung des Demos bis zum Debütalbum gebraucht. Die Warterei hat sich gelohnt, „Dödsriket“ hat nicht einmal weniger als sechs Punkte kassiert und sich im Dezember auf einen vierten Platz geschoben. Stellt sich nur noch die Frage, wie lange die Wartezeit auf das Album gewesen wäre, wenn die Band sich auch noch ein vernünftiges Cover gegönnt hätte.

BLUES PILLS – Holy Moly!

„Holy Moly!“- Durch die Überpräsenz der Schweden in allen Magazinen kommt es doch etwas überraschend, dass es sich hierbei erst um das dritte Album der Band handelt. Gitarrenwunderkind Dorian Sorriaux ist nicht mehr dabei, doch Sängerin Elin Larsson ist immer noch der Mittelpunkt der Combo, deren Qualitäten sich auf der Bühne noch starker entfalten als auf dem Album. Wenn doch da Corona nicht wäre.

FATES WARNING – Long Day Good Night

Ist „Long Day Good Night“ das letzte Album von FATES WARNING? Die Band hat Gerüchte gestreut. Das 13. Album der Bandgeschichte beweist aber wieder die Qualitäten der Truppe, knackig melodische Prog-Ohrwürmer zu schreiben und gleichzeitig experimentierfreudig und unerwartet zu sein. Hoffentlich sind sie nicht so unerwartet und hören auf dem Höhepunkt der Karriere auf.

GOD DETHRONED – Illuminati

Nach der Weltkriegslyrik der vorherigen drei Alben kehren GOD DETHRONED auf „Illuminati“ zurück zu den Texten gegen das Christentum. Musikalisch abwechslungsreicher, aber auch wieder unzugänglicher. Ein Schritt zurück und damit nach vorne? Kann sein. Auf jeden Fall ist „Illuminate“ ein starkes Album geworden.

IGORRR – Spirituallity And Distortion

Besser als Kollege Erbas kann ich es auch nicht sagen:

„Experimentelle Musik ist manchmal ein bisschen so, als würde man um jeden Preis ein schrottreifes Fahrzeug mit möglichst extravaganten Ersatzteilen aufmotzen wollen. In der Theorie wird dann mit einigen gekonnten Handgriffen aus einer klapprigen Kiste ohne Straßenzulassung schnell ein flotter Flitzer, der allerorts für neidvolle Blicke sorgt. In der Praxis bleibt ein verrosteter Opel Astra jedoch auch mit auffälligem Heckspoiler und glänzenden Felgen letztendlich einfach nur ein Opel Astra. Soll heißen: Ganz egal, wie aufwendig das Drumherum auch sein mag, letztendlich kommt es immer auf den Kern an – auch in der Musik!

Wie gut, dass IGORRR mit „Spirituality and Distortion“ mal eben einen feuerspuckenden Monstertruck mit 2000 PS unter der Haube, Kühlergrill aus Massivgold und Carbon-Flügeltüren zusammengebastelt haben. Klingt nach einem ganz schön wilden Gefährt? Nun, wer Klassik, Electronic, Barock, Balkan, Death und Black Metal so souverän vereint, gehört fraglos auf die Überholspur. Schnallt euch lieber an, denn das französische Mastermind Gautier Serre lädt erneut zum unvergesslichen Höllentrip!“

KVELERTAK – Splid

Neuer Sänger – neues Glück. KVELERTAK sind mit „Splid“ wieder in der Spur und als Bonus hat der alte Sänger Erlend Hjelvik jetzt mit „Welcome To Hell“ auch ein starkes Album am Start. Was will man mehr?

NAPALM DEATH – Throes Of Joy In The Jaws Of Defeatism

NAPALM DEATH is doing NAPALM DEATH things und mussten sich im September nur THE OCEAN geschlagen geben. Dazu aber später mehr.

PANZERFAUST – The Suns Of Perdition II: Render Unto Eden

Manchmal ist es Zeit den Chefredakteur zu zitieren:

„visiert klar den Thron der diesjährigen Black-Metal-Bestenlisten“

„noch einen Ticken faszinierender als sein Vorgänger“

„dauerhafte Gänsehaut“

„erdrückende Schleier aus Horror, Melancholie und Finsternis“

„brutal und gnadenlos und gleichermaßen faszinierend wie schwer verdaulich“

„Die hohen Erwartungen haben PANZERFAUST mühelos erfüllt und allein aufgrund des großartigen Openers auch locker übertroffen. Ein ganz klarer Pflichtkauf, der nicht unterhält, sondern zermürbt und dennoch einfach mitreißt.“

WYNTERFYLLETH – The Reckoning Dawn

Bei WINTERFYLLETH bekommt man, was man erwartet: Im 2-Jahres-Rhythmus wird ein gutklassiges episch angelegtes Black Metal Album veröffentlicht und damit spülte es die Engländer im Mai auf Platz 3 unseres Soundchecks.

Platz 12: 7.2 Punkte

DARK TRANQUILLITY – Moment

DARK TRANQUILLITY beweisen auf „Moment“, wie Melodic Death Metal im Jahr 2020 klingen muss. Mit dem Einzug der beiden neuen Gitarristen zogen kleine Änderungen im Sound ein, die „Moment“ aber umso spannender machen und für eine Weiterentwicklung der Band stehen. Melodic Death Metal der gehobenen Art.

MR. BUNGLE – The Raging Wrath Of The Easter Bunny Demo

21 Jahre nach dem letzten Album ein 34 Jahre altes Demo neu einspielen? Was nach kommerziellem Selbstmord klingt, schlug Ende Oktober in allen Redaktionen ein und erlangt durchweg gute Wertungen. Natürlich war überall die prominente Besatzung im Hinterkopf, aber MR. BUNGLE konnten auch mit ihren Old School Thrash Metal überzeugen.

SONS OF APOLLO – MMXX

Das Jahr startete mit einer weiteren Gruppe aus namhaften Musikern, die abseits ihrer normalen Bands ihr Können zusammenwerfen und vor lauter Spielfreude ein Album namens „MMXX“ rausrotzen. Kollege Klaas spricht von progig angehauchten Stadionrock und vergibt nur sechs Punkte, während im Soundcheck fünfmal die Acht gezückt wird. Drei metal.de Redakteure – fünf Meinungen.

SWEVEN – The Eternal Resonance

MORBUS CHRON fingen auf „Sleepers In The Rift“ mit typischem schwedischen Old School Death Metal an, entwickelten sich auf „Sweven“ zu progessivem Death Metal und lösten sich vor fünf Jahren auf. Aus der Asche erhob sich Sänger und Gitarrist Robert Andersson, scharrte dieses Jahr Musiker um sich und veröffentlichte unter dem Bandnamen SWEVEN das Debüt „The Eternal Resonance“, das sogar einmal die Höchstwertung erlangen konnte.

VADER – Solitude In Madness

Zur Jahrtausendwende gab es bei VADER immer den Spruch, dass sie an jeder Steckdose spielen. Zweimal im Jahr konnte man sie sich locker live anschauen, denn die Polen um Frontmann Peter wollten nach vorne und von ihrer Musik leben. Auch zwanzig Jahre später sind VADER immer noch aktiv. Die Bühnen sind größer geworden und sie müssen nicht mehr überall spielen. Kompromisse hat die Band aber noch nie gemacht und so ist jedes neues Album von VADER wie ein Klassentreffen. Man erfreut sich an Erinnerungen, ist aber auch mit der Gegenwart ganz zufrieden.

Platz 5: 7.3 Punkte

DOOL – Summerland

DOOL haben im April Bands wie TRIVIUM und THE BLACK DAHLIA MURDER hinter sich gelassen, aber trotz ihrer 7.3 Punkten nicht den Soundcheck gewonnen. Die Niederländer mit ehemaligen THE DEVIL’S BLOOD Mitgliedern machten dieses Jahr dennoch mit ihrem zweiten Album von sich reden.

ENSLAVED – Utgard

Rückblickend wird wohl niemand „Utgard“ als das beste Album von ENSLAVED bezeichnen. Trotzdem hat es hohe Wertungen bekommen und den Soundcheck gewonnen. „Utgard“ ist ein Konsensalbum zwischen den progigen Glanzstücken, den rasenden Black-Metal-Werken und den atmosphärischen Viking-Metal-Epen. Das aber auf so einem hohen Niveau wie es nur ENSLAVED hinbekommen.

HAVUKRUUNU – Uinuos Syömein Sota

Die spinnen die Finnen. Posieren mit Baustellenschildern im Hintergrund und veröffentlichen ein Pagan-Black-Metal-Album, das vieles richtig, aber nichts neu macht. Vielleicht hat man sich im Hause HAVUKRUUNU eingestanden, das Rad nicht neu erfinden zu können, aber einfach mal mit Spaß an der Musik ein Album wie die großen Vorbilder schreiben wollen. Soll ja auch mal klappen und manchmal recht erfrischend sein. So haben HAVUKRUUNU mit „Uinuos Syömein Sota“ einfach mal den Dezember Soundcheck gewonnen.

LONG DISTANCE CALLING – How do we want to live?

Das richtige Album zur richtigen Zeit? Vor der Pandemie geschrieben, in dieser veröffentlicht. LONG DISTANCE CALLING trafen im Juni den Zeitgeist, hatten dann aber das Problem nicht touren zu können und mussten sich mit völlig überteuerten Autokino-Shows und sonstigen Auswüchsen des Sommers 2020 rumschlagen. Hoffentlich lachen wir bald darüber und nehmen das Album als Soundtrack einer völlig verrückten Zeit wahr.

PARADISE LOST – Obsidian

Auch wenn das Cover von „Obsidian“ den Charme eines Wandteppichs versprüht, zeigt die Musik auf dem Album mal wieder, warum PARADISE LOST eigentlich so groß sind. Die Engländer spielen alle anderen Gothic-Metal-Bands dieses Jahr an die Wand und zeigen den Mitbewerbern wer das Genre eigentlich erfunden hat.

SÓLSTAFIR – Endless Twilight Of Codependent Love

DARK TRANQUILLITY und FATES WARNING einfach mal auf die Plätze zwei und drei verwiesen, SÓLSTAFIR haben mit „Endless Twilight Of Codependent Love“ mal wieder bewiesen wo ihre Stärken liegen: „Melancholisch und zugleich stürmisch, wunderbar trist und doch abwechslungsreich. Und die neue Kantigkeit und Unberechenbarkeit steht der Band ganz ausgezeichnet.“ Kollege Lattemann ist ganz begeistert.

THE OCEAN – Phanerozoic II: Mesozoic / Cenozoic

„Phanerozoic“ ist schon 2018 als Doppelalbum konzipiert worden und THE OCEAN gewannen sowohl mit dem aktuellen Album als auch seinem Vorgänger den Soundcheck. Redaktionslieblinge? Vielleicht. Gute Alben? Definitiv!

Platz 3: 7.4 Punkte

PSYCHOTIC WALTZ – The God-Shaped Void

2010 Reunion im Original-Line Up, aber die Fans noch zehn Jahre auf ein neues Album warten lassen? Dann hat wohl jemand einfach Bock auf Musik und will keinen Mist veröffentlichen. PSYCHOTIC WALTZ überzeugen mit „The God-Shaped Void“ im Soundcheck als auch bei den besten Genre-Alben im Jahr 2020.

TESTAMENT – Titans Of Creation

Mehr als einen Monat vor der Veröffentlichung von „Titans Of Creation“ waren TESTAMENT schon in Europa auf Tour, um die Scheibe zu promoten. Mit DEATH ANGEL und EXODUS hatten sie sich zwei starke Bands als Gäste eingeladen. Nicht eingeladen hingegen war Covid-19, reiste trotzdem mit und streckte einige Mitglieder vom Tourtross nieder. DEATH ANGEL-Schlagzeuger Will Caroll lag sogar zwölf Tage im Koma. Geriet dadurch „Titans Of Creation“ ins Hintertreffen? Wir hoffen nicht, denn das ist die stärkste Thrash-Metal-Scheibe des Jahres.

Platz 2: 7.5 Punkte

BODY COUNT – Carnivore

Hätte mir bei der BODY COUNT-Reunion 2014 jemand erzählt, dass die Band mit „Manslaughter„, „Bloodlust“ und  „Carnivore“ in so kurzer Zeit drei so starke Alben veröffentlichen wird, hätte ich es nicht geglaubt. BODY COUNT sind sowohl auf der Bühne als auch auf Albumlänge stark wie noch nie. „Bum-Rush“ ist für den Grammy nominiert und mit „Point The Finger“ wollte die Band eigentlich nur ein Quarantäne-Video drehen, drei Monate später starb aber Gastsänger Riley Gale von POWER TRIP. Song und Video waren seine letzten musikalischen Werke.

Platz 1: 7.7 Punkte

HEAVEN SHALL BURN – Of Truth & Sacrifice

HEAVEN SHALL BURN – die Rockergruppe aus dem Nichts. In der Metalszene muss man die Jungens mit dem lustigen Dialekt nicht mehr groß vorstellen, im Rest der Republik sieht das anders aus. Und so haben sich die Thüringer trotz dem ersten Shutdown und den damit verbundenen Lieferschwierigkeiten gegen Pietro Lombardi durchgesetzt und zum ersten Mal Platz 1 der Deutschen Albumcharts erklommen. „Of Truth & Sacrifice“ ist ein monumentaler Brocken, der sich im Soundcheck sensationelle 7,7 Punkte gesichert hat und bei den Modern Metal Fans 8,2 Punkte und damit wohl als Album des Jahres 2020 betitelt werden darf.

Quelle: metal.de Soundcheck 2020
27.12.2020
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