Heaven Shall Burn - Of Truth & Sacrifice

Review

Soundcheck März 2020# 1 Galerie mit 47 Bildern: Heaven Shall Burn - Summer Breeze Open Air 2024

Interessant, wie unterschiedlich sich Metalcore-Bands entwickeln, wenn sie ihren Sound nicht nur ins neue Jahrzehnt gerettet haben, sondern sich dabei noch einer geradezu lächerlich immensen Popularität erfreuen können: PARKWAY DRIVE haben ihren Metal entsprechend längst auf Arenagröße hochskaliert, während ihr teutonisches Quasi-Gegenstück HEAVEN SHALL BURN immer noch mit einer beinahe jugendlichen Leidenschaft lärmt, als steckten wir mitten in den 2000ern fest. Wer hat den Nerv nun besser getroffen? Geschmackssache. Aber eine Lanze, die man definitiv für die Thüringer brechen muss, ist, dass sie trotz Popularität, trotz massigem Andrang immer noch richtig hart und unverdünnt auf die Kacke hauen.

Die volle (Doppel-)Packung HEAVEN SHALL BURN

„Of Truth & Sacrifice“ ist nach „Wanderer“ der neunte Streich in voller Länge und kommt als solcher in Form eines Doppelalbums daher. Man stelle sich das vor: Anstatt in die angekündigte, verdiente Pause zu gehen, klatschen uns die Jungs ein fucking Doppelalbum auf den Tisch. Und wie Gitarrist Maik Weichert laut Presseninfo zur Beschaffenheit von „Of Truth & Sacrifice“ zu Protokoll gibt: „Wir […] wollten den Leuten ganz bewusst so einen Brocken hinstellen, mit dem sie sich beschäftigen müssen“. Das ist mutig in der heutigen Zeit, selbst wenn man es sich erlauben kann. Den versprochenen Brocken haben uns die Herren also definitiv hingeworfen.

Der Elefant, der hier ebenfalls im Raum steht, ist natürlich, ob Masse gleich Klasse ist und ob sie – so vorhanden – den Umfang rechtfertigt. Offensichtlich ist, dass es hier massig an Material zu verdauen gibt. Schließlich gibt es genügend Köpfe, denen in den heutigen Zeiten mal gehörig der Scheitel gezogen gehört. Und der drückende Sound, den die Mannen hier wieder einmal brachial in den Äther hinaus pusten, ist der passende Soundtrack für Faust auf Gesicht, kommt aber mit dem gewohnten Quäntchen an Melodic-Death-Würze daher. Die Riffkonstrukte sind also definitiv in Richtung Göteborg orientiert errichtet, wirbeln aber genug Erde auf heimischem Boden auf.

Schwere Zeiten verlangen nach harten Schlägen ins Gesicht

Und HEAVEN SHALL BURN haben wahrlich ebensowenig an Heaviness gespart wie an ihren typischen, sozial- und politkritischen Lyrics, die in Versatzstücken wieder einmal auch in deutscher Sprache vorgetragen werden. Die Riffs haben richtig Fleisch auf den Rippen und krachen mit einer beeindruckenden Durchschlagskraft auf den Hörer nieder, während die filigraneren Melodien elegant um die Eruptionen herum tänzeln wie die züngelnden Flammen eines Feuers. Doch so richtig geht es bei „Of Truth & Sacrifice“ eben immer dann ab, wenn die Musik dem Hörer mit Schmackes die Falten in der Visage glatt zieht und so richtig schön in die Nackengegend rein fährt, besonders wenn die Produktion einfach nur so unfassbar feste drückt.

Klar, Melodien sind nett und so und die Band beweist definitiv ein Händchen für filigrane, mehrstimmig jubilierende Leads, aber da sich die Thüringer dann schon oftmals mehr so aus dem Readymade-Göteborg-Baukasten bedienen, ist der grobe Hardcore-Handkantenschlag definitiv die Waffe der Wahl. Das ist gar nicht mal herabwertend gemeint und wenn man sich den hiesigen Sound mal wie die Axt, die er nun mal ist, durch den Kopf gehen lässt, kommt man schnell auf den Trichter: HEAVEN SHALL BURN sind sich dessen scheinbar vollstens bewusst und schalten entsprechend souverän zwischen beiden Modi hin und her, ohne sich in Belanglosigkeit zu verlieren.

„Of Truth And Sacrifice“ zwischen Härte und Kreativität

„Eradicate“ ist darin ziemlich gut und trennt die heftigen Parts ziemlich klar von den melodischeren Spielereien. Das erlaubt den Herren, auf die epische Passage im Solopart stimmungsvoll zuzuarbeiten, sodass diese ihre volle, monumentale Wirkung entfalten kann. „What War Means“ ist da noch kompromissloser unterwegs und nimmt mit seiner grobschlächtigen Fuchtelei noch eine gute Idee melodischer wie brutaler Friedhofserde mit. „Truther“ zieht in Sachen Brachialität mit, reduziert aber den Anteil an Melodien, um wie ein wüster Orkan durch die Boxen zu fegen, während die Thüringer in „Critical Mess“ ein paar rockendere Grooves einarbeiten.

Klingt ja alles schon nach einer geradlinigen, runden Sache zum fröhlichen Schädelspalten, ist aber nicht gerade das, mit dem man knapp 100 Minuten Gesamtspielzeit unterhaltsam füllen kann. Auch hier haben HEAVEN SHALL BURN natürlich einen Schritt voraus gedacht und an passenden Stellen einfach mal drauf los experimentiert. Beim einer Art Credo gleich kommenden „Expatriate“ nimmt das noch möglicherweise übertrieben predigende Formen an, unterlegt diese aber mit stimmungsvollen, elegischen Orchestral-Arrangements. Auch der Rausschmeißer „Weakness Leaving My Heart“ wird von diesen Arrangements getragen, die dann in ein krachendes Finale münden.

HEAVEN SHALL BURN erfüllen die Erwartungen

Noch spannender machen es die Herren an anderer Stelle: „Uebermacht“ kommt mit ominöser Synth-Untermalung daher, die dem Song gekonnt düstere Vibes verleiht. „La Resistance“ geht einen Schritt weiter und stopft den krachenden Sound der Thüringer in einen köstlich käsigen Industrial-Banger, was mit konsequenterer Ausfeilung sogar richtig Potential für tiefer gehendes Songwriting hätte – gerade wenn sich die Herren einen entsprechend kompetenten Producer vielleicht sogar aus der Synthwave-Szene angeln. Regelrecht dramatisch wird es mit dem vielschichtigen „The Sorrows Of Victory“, das mit klaren Gesangspassagen aufwartet, die entfernt an einen clean singenden Mikael Stanne erinnern.

HEAVEN SHALL BURN nutzen den Raum, den das Doppelalbum bietet, also definitiv aus und toben sich aus. Einerseits geschieht das natürlich im übertragenen Sinne, schließlich hauen die Herren hier kräftig auf den Putz. Aber andererseits haben es sich Bischoff, Bischoff und Co. nicht nehmen lassen, hier und da auch mal etwas kreativer zu werden. Langweilig wird es auf „Of Truth & Sacrifice“ jedenfalls zu keinem Zeitpunkt – und HEAVEN SHALL BURN untermauern ihre Vorreiterstellung, die sie mindestens auf teutonischem Boden inne haben, einmal mehr. Sie übertreffen zwar keine Erwartungen, aber erfüllen sie mit Bravour – und rücken trotz den Anflügen von Experimentierfreude doch nicht vom eingeschlagenen Weg ab.

Jetzt natürlich die Preisfrage, um zum einleitenden Statement zurück zu kehren: Team PARKWAY DRIVE oder Team HSB? Oder vielleicht doch lieber friedlich wütende Koexistenz bei einer Co-Headliner-Tour?

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19.03.2020

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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Heaven Shall Burn auf Tour

02.07. - 05.07.25metal.de präsentiertRockharz 2025 (Festival)Powerwolf, Heaven Shall Burn, ASP, Versengold, Sodom, Overkill, Dark Tranquillity, Gloryhammer, Warkings, Die Kassierer, J.B.O., Combichrist, Vader, Asenblut, Kupfergold und Non Est DeusFlugplatz Ballenstedt, Ballenstedt

13 Kommentare zu Heaven Shall Burn - Of Truth & Sacrifice

  1. sardine sagt:

    Hab mich echt auf die Scheibe gefreut und diese seit Wochen vorbestellt gehabt. Nun nach dem ersten reinhören muss ich sagen, es hat sich gelohnt. HSB bleiben bei ihrem trademark sound aber erweitern diesen hier und da um gewissen Nuancen die aber dem Ganzen einen neuen Charakter mitgeben. Gerade die melodischen Parts die nun häufig eingestreut werden passen wie ich finde super ins Bild.
    Ansonsten die bekannte Gitarrenwand wie man sie sich bei HSB wünscht. Für mich nach wie vor eine Ausnahmeband die zwar aus dem Metalcore kommt, diese Gerne aber nur bedingt einhält. Metalcore ist mir eigentlich im Grunde zu platt, aber HSB laufen mir immer gut rein.
    Ein Vergleich mit Parkway Drive würde ich aber nicht ziehen, dafür haben die beiden wie ich finde zu unterschiedliche trademarks. PD ist mir zu „massenkompatibel“, da haben HSB ganz klar die Nase ganz weit vorn.
    Natürlich wird es auch hier so sein wie immer bei HSB, die einen mögen deren Sound und werden das Album feiern, die anderen kommen nicht damit klar.
    Aber apropos Sound, diese Platte möchte laut gehört werden, ansonsten überwiegt leider eine wie ich find etwas basslastige Produktion. Es klingt etwas dumpf – was aber mit erhöhter Lautstärke deutlich verbessert wird.
    Für ne Wertung brauch ich noch ein paar Durchläufe.

  2. noehli69 sagt:

    Zugegeben Metalcore gehört sicherlich nicht zu den Metalgenres die ich bevorzuge.
    HSB sind hier die Ausnahme, wie der Kollege oben schon erwähnte, lässt sich HSB nicht auf Metalcore eingrenzen.
    Allein schon an den bisher veröffentlichten Coverversionen lässt sich erahnen wie breit die Palette der Einflüsse gestreut ist. (Bin sogar der Meinung, dass die HSB „Black Tears“ Version das Original mal glatt rechts überholt hat)
    Ich mag die Mucke, den Druck, die immernoch vorhandene Frische, die Dynamik, die Energie, einzig mit dem Gesang hab ich so meine Probleme. Etwas mehr Abwechslung (Dynamik, Melodic) zum Geschrei wäre wünschenswert, auf Albumlänge wird es für mich eintönig. Allerdings ist das nur mein persönliches Empfinden, sicher gibt es genug Jünger die genau das wollen und erwarten. Starke Scheibe, weiterso!

    9/10
  3. Watutinki sagt:

    Bin mit der Band nie so richtig warm geworden, bin aber aber ebenso nicht so der große Coremetal Fan, klingt irgendwie alles gleich. Wie noehli passend schrieb, „etwas mehr Abwechslung (Dynamik, Melodic) zum Geschrei wäre wünschenswert, auf Albumlänge wird es für mich eintönig“, genau das ist auch mein Problem.

  4. Steppenwolf sagt:

    Immer noch die gleich, geile Musik wie früher! Sobald ich das hör bin ich im Tunnel, ich liebe es.
    Parkway Drive ist mir inzwischen zu massentauglich, die Entwicklung hat mit nicht gefallen. Früher hab ich das aber auch sehr, sehr genre gehört. Das waren halt meine anfänge…
    Jeder der sagt ist scheisse: hört euch Awoken und direkt danach Endzeit an. Wem da keiner abgeht, dem kann ich auch nicht helfen…

  5. nili68 sagt:

    Obwohl ich Metalcore durchaus geneigt bin, waren die mir immer zu stumpf. Da ist für mich wohl zu viel Hardcore drin..

    1. BlindeGardine sagt:

      Ich hab das neue Album noch nicht ganz gehört, aber in der Regel ist bei Heaven Shall Burn ja eigentlich deutlich mehr (Melo) Death Metal drin, als das bei der durchschnittlichen Metalcore-Band üblich ist. Als Metalcore-Band nehm ich die eigentlich schon seit der „Antigone“ nicht mehr wahr, daher wunder mich dein Eindruck, dass bei denen zuviel Hardcore drin ist. Ich kann aber schon verstehen, wenn man den Gesang eher eintönig findet, geht mir auch so.

    2. ClutchNixon sagt:

      @nili: Mal davon abgesehen, dass HC als Genre genauso versatil gefächert ist wie andere Genres, ging und geht mir der HSB Gesang, wenn auch der belgischen H8000 Szene reminiszierend, immer schrecklich auf die Nüsse.

      1. nili68 sagt:

        Klar klingt bestimmt nicht jeder Hardcore gleich, aber ich tue mich da mit Differenzierung vermutlich schwerer als ein Fan des Genres. 😉

  6. LoopingLarry sagt:

    Kann der Bewertung vollends zustimmen. Ist ne typische HSB Scheibe, nichts wirklich überraschendes und kein Ausfall. Die Jungs funktionieren eh besser live als zu Hause und deren Repertoire ist bereits so voll mit Hits, dass die hiervon höchstens 2 oder 3 Songs bräuchten. Nach 3 mal hören sind meine Favoriten Thoughts and Prayers, My Heart and the Ocean und The Sorrows of Victory.

    8/10
  7. Cynot sagt:

    Nach dem ersten Reinhören, kann ich mir gut vorstellen, dass das live gut funktionieren wird.

  8. Simonor sagt:

    Ich muss ehrlich sagen dass die experimentellen Song wie ,, Weakness Leaving My Heart“ , ,,Übermacht“(richtig geil)
    ,,The Sorrow of Victory“ richtig gut gelungen Sind.
    Tirpitz, Protector und vro allem das groovende ,, My Heart and the Ocean sind echte Abgeher.

    La Resistance ist auch mega gut.

    Zum Thema Style: Ja reiner Metalcore spielen HSB nicht.
    Das ist auch gut so . Von den normalen Metalcorebands kommen AILD und PWD am ehesten An HSB ran . Dafür fehlen aber die massigen Breakdowns (PWD) und die technischen Riffs wie AILD . Man hört viele DM Einflüsse vor allem auf der 2.ten Scheibe.

    Aber um eine richtige Wertung abzugeben muss man sich die Scheibe definitiv häufiger anhören.

  9. Knirps sagt:

    Man was für ein Fressenklopper. Toller Soundtrack zum rumprügeln. Auf ner Party oder beim Autofahren würd ich das Album nicht spielen. Wenns aber mal wieder in den Fäusten juckt, dann ab in den Ghettoblaster damit und bei der nächsten Kneipe für ne Schlägerei halt machen.
    Ich spiele ja selbst seit 25 Death Metal aber nen ganzen Album über so eine dauerhafte Aggression zu betreiben ist
    Geschmackssache. Nach einmal Durchhören brauch ich nen Monat Abstand von dieser Band. Wahrscheinlich ist der Gesang einfach zu heftig. Ich bin eher fixiert auf die Instrumente. Das ist was Musik für mich ausmacht.

    Ich erinnere mich noch an das erste Album was ich 2001 im Proberaum vorgespielt bekam. Es war nicht gut. Es fehlte die „eigentliche Musik“. Es war Krach. Ein paar Riffs hinkloppen und ins Mikro kreischen konnte jeder. Die Guten wie die Schlechten. Mit der Zeit ist Melodie und markanteres Riffing in Form von Melodic Death Metal in den Sound eingeflossen. Deswegen ist diese Album trotz seiner Aggressivität gut. HSB nehmen Gutes verpackt mit etwas Kloppe und schon haste ein Hitalbum, im wörtlichen Sinne. Damit auch eine breitere Hörerschaft findet.

    Wer Hass sät wird auch Hass ernten.

    7/10
  10. RaXo sagt:

    Die Platte ist ziemlich solide, aber klingt mir oft zu standardhaft nach Heaven Shall Burn. Da kam mir Wanderer besser vor. Aber nach wie vor ein gutes Album.

    7/10