Helloween
Listening-Session zum neuen Album "Straight Out Of Hell"

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Am 18. Januar 2013 wird das 17. HELLOWEEN-Studioalbum veröffentlicht, das als konsequente Weiterentwicklung des 2010er “7 Sinners” bezeichnet werden kann. Ende Oktober 2012 stellte die Band “Straight Out Of Hell” der internationalen Presse vor. Die Listening Session fand im Karlsdorfer HOFA Tonstudio statt, in das die Organisatoren erstaunlicher Weise eine eigene Musikanlage mitbrachten. Da ich den Klang der hauseigenen Anlage etwas angenehmer finde, bezieht sich meine erste Frage im Interview mit Markus Großkopf (Bass, Hintergrundgesang; Anm. d. Red.) und Sascha Gerstner (Rhythmus- & Leadgitarre, Hintergrundgesang; Anm. d. Red.) auf den Sound während der Listening Session. Leider können die zwei keinen Vergleich anstellen da sie zum ersten Mal im HOFA sind, Sascha merkt jedoch an, dass er es allgemein nicht so gut findet, dass Alben gewöhnlich in Studioräumen von der Presse abgehört werden “weil das sehr viel steriler und genauer ist. Mit so einem Sound würde das ein Musikhörer draußen gar nicht hören, weil diese Räume akustisch behandelt sind.” Beeindruckt waren die beiden dennoch (zu Recht) von dem Album, das sie mit ihren Bandkollegen eingespielt haben. Wie ich selbst, müssen auch Sascha und Markus noch sacken lassen, was wir kurz zuvor gehört haben, denn auch die Musiker haben das fertige Album noch nicht oft gehört und schon gar nicht in solch einem Rahmen.

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Was wir kurz zuvor gehört haben, sind 13 Songs, die Fans des letzten HELLOWEEN Albums durchweg begeistern dürften. “Straight Out Of Hell” ist insgesamt ein sehr schnelles Album, das dem Hörer nur wenige Ruhepunkte bietet und mit der ersten Singleauskopplung “Nabataea” beginnt.

“Nabataea” ist ein 7:03 Min. langer Brocken, der die Geschichte der ersten dokumentierten Demokratie im Nahen Osten erzählt. Der Song ist so vielschichtig und abwechslungsreich, dass es trotz der Länge nicht langweilig wird. Dennoch ist die Albumversion natürlich viel zu lang für eine Single, so dass die Band “Nabataea” für Single und Video um ca. zwei Minuten gekürzt hat. Markus: “Das haben wir damals mit ‚Halloween‘ auch gemacht. Es ist natürlich immer ein bisschen schade, die Songs zu schneiden, aber HELLOWEEN ist eine Band, zu der diese Art von Geschichten ganz gut als Aushängeschild passt. Das steht uns wie eine maßgeschneiderte Kutte.”

“World Of War” stammt aus Sascha Gerstners Feder. Insbesondere in den Strophen wird durch das prägnante Riffing und den punktuell eingesetzten Chor eine bedrohliche Stimmung aufgebaut. Der Refrain wirkt dagegen positiv, fast als würde er eine Lösung für die in den Strophen geschilderte Situation liefern.

“Live Now” haben Andi Deris (Sologesang; Anm. d. Red.) und Sascha Gerstner zusammen geschrieben. Einer der nicht ganz so schnellen Songs des Albums mit einer positiven “krieg Deinen Arsch hoch”-Attitüde.

Bei “Far From The Stars” heißt es anschnallen, denn HELLOWEEN ziehen das Tempo wieder ordentlich an. Prägnante Riffs, Mitsingrefrain und ein nach Gesellschaftskritik klingender Text zeichnen diesen Song aus.

“Burning Sun” ist ein “superschneller Weikath-Geniestreich” (Michael Weikath; Lead- & Rhythmusgitarre, Hintergrundgesang; Anm. d. Red.) wie es Andi auf den Punkt bringt. Meine zwei Interviewpartner imitieren den nach einer Musiksäge klingenden Part im Song nicht nur sehr spaßig, sondern auch gekonnt. Da hätten HELLOWEEN zumindest in diesem Song auf Omnisphere (ein virtueller Synthesizer, Anm. d. Red.) verzichten können, aber vermutlich weiß Produzent Charlie Bauerfeind (BLIND GUARDIAN, MOTÖRHEAD, SAXON, VAN CANTO) nichts von diesen speziellen Fähigkeiten der beiden Musiker. Auf der Limited Edition des Albums wird es in Gedenken an Jon Lord eine spezielle Hammond-Version des Songs geben.

“Waiting For The Thunder” hat Andi Deris zum Album beigesteuert. Der Song erinnert ein bisschen an seine frühere Band PINK CREAM 69. Für mich zeigt sich u.a. mit diesem Song die Vielseitigkeit von HELLOWEEN, die daraus resultiert, dass außer Dani Löble (Schlagzeug; Anm. d. Red.) alle Bandmitglieder Songs schreiben. Jeder der vier Songschreiber hat seinen eigenen Stil, und da sie unabhängig voneinander schreiben, ergibt sich eine “wahnsinnige Abwechslung im Album” (Sascha).

“Hold Me In Your Arms” bietet dem Hörer genau in der Mitte des Albums eine kleine Ruhepause. Die einzige Ballade auf “Straight Out Of Hell” hat Sascha Gerstner geschrieben. Während die Strophen mit Akustikgitarre, Streichern, Klavier und angenehm tiefem Gesang Andis sehr ruhig sind, tendiert der Refrain zum Bombastischen. Die Klavierparts auf “Straight Out Of Hell” wurden wie schon auf “7 Sinners” von Matthias Ulmer (Arrangeur, Keyboarder, Komponist; MAZStudio; Anm. d. Red.) eingespielt.

“Wanna Be God” ist der ungewöhnlichste Track des Albums. Dani Löble kann meiner Meinung nach in den 2:02 Minuten glänzen wie sonst kaum, denn die Drums dominieren den Großteil des Songs. Auf meine Frage, warum der Song, in dem Dani im Vordergrund steht, nur so kurz ist, antwortet Sascha: “Also ich finde, Dani glänzt bei jedem Song echt ganz schön! Das Schlagzeug hat immer einen sehr großen Stellenwert bei uns. Die Musik lebt auch von der Rhythmik und diesen schnellen Doublebass-Passagen, und somit kann er sich eigentlich immer völlig entfalten. Ich würde sogar sagen, das Schlagzeug steht bei uns fast über den Gitarren, was für eine Metalband ungewöhnlich ist!” Und Markus ergänzt: “Dani treibt eigentlich die Band an. Auch live richten wir uns nach ihm und er zieht die ganze Karre immer schön nach vorne.”

Hier ist er endlich, der Titeltrack des Albums “Straight Out Of Hell”, den Markus Großkopf beigesteuert hat. Das Tempo wird wieder ordentlich angezogen und vor meinem geistigen Auge tauchen kreisende Köpfe, energisch gespielte Luftgitarren und in die Höhe gestreckte Pommesgabeln auf. 4:33 Minuten zum Nackenbrechen und inbrünstigen Mitsingen!

“Asshole”. Gut, dass Ihr Euch gerade warm gesungen habt, denn hier kommt der Song, dessen Text bestimmt jeder von Euch irgendjemandem aus tiefstem Herzen ins Gesicht brüllen kann. Der Text hält, was der Titel verspricht! Aber der Song hat durchaus eine positive Note, und das war der Band laut Andi auch wichtig. Eine Gift und Galle versprühende Hasstirade hätten HELLOWEEN nicht aufnehmen wollen. “Asshole” stammt übrigens auch von Sascha Gerstner, der sich auf “Straight Out Of Hell” als vielseitiger Songwriter präsentiert. Sascha: “Das Schöne an HELLOWEEN ist, dass wir machen können, was wir wollen. Es wäre auch doof, wenn ich vier bis fünf gleiche Titel schreiben würde. Wenn wir immer die gleichen Sachen machen würden, wäre so ein Album nicht sehr abwechslungsreich!”

“Years” ist geradlinig und schnell. Aufgemotzt mit Streichern, Chören und den obligatorischen Gitarrensoli, bei denen sich Sascha und Michael in der Bühnenmitte treffen und posen können, während Andi und Markus im Hintergrund rumalbern.

Das Intro von “Make Fire Catch The Fly” würde perfekt zu einem “007”-Titelsong passen, die zunächst gewisperten Textpassagen tun ihr Übriges zu diesem Eindruck. Der verfliegt, als Andi in seinen gewöhnlichen Gesang wechselt und Dani beginnt, die Band durch den Song zu treiben. Doch dann die Textzeile “never say never again”! Aber das war vor den Weenies, und der aktuelle Bond-Song ist bekanntlich von Adele.

“Church Breaks Down” beginnt mit Kirchenglocken und vermeintlichem Frauengesang. Im Interview die je nach persönlicher Einstellung erfrischend ehrliche oder ernüchternde Aufklärung von Sascha: “Das ist eine Omnisphere Sample Library. Das war auf dem Demo schon so drauf, und Charlie meinte, ‚das ist super cool, das können wir eigentlich gleich so nehmen’”. Und Markus ergänzt bezüglich der Glocken: “So ein bisschen Bimbam kannst Du auch aus der Kiste kommen lassen. Was sollst Du da groß um die Welt fahren. Das kann man sich sparen, wenn’s funktioniert.” Und das tut es auf jeden Fall! “Church Breaks Down” ist der perfekte Abschluss für einen gelungenen Einstand in das Heavy Metal Jahr 2013.

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Aufgenommen wurde “Straight Out Of Hell” größtenteils in Andis MiSueno Studio auf Teneriffa. Damit die einzelnen Musiker keine Zeit mit Warten verschwenden mussten, haben HELLOWEEN die Aufnahmen wieder gesplittet: Als erster ist Dani eingeflogen und hat das Album innerhalb von zwei Wochen eingetrommelt. Beachtlich finde ich, dass es sich laut Dani bei allen Songs um One Takes handelt, selbst das siebenminütige “Nabataea” ist bis auf das Ende nicht zusammengestückelt! Danach haben Michael und Sascha die Gitarren aufgenommen und zu guter Letzt hat Markus den Bass eingespielt. Parallel dazu hat Matthias Ulmer in seinem eigenen Studio die Klavierpassagen aufgenommen, Soli hat Sascha in seinem Studio eingespielt und um die Chöre hat sich Produzent Charlie Bauerfeind gekümmert. Wie auf den Vorgängeralben ist auch auf “Straight Out Of Hell” William “Billy” King (Komponist, Sänger, Gesangslehrer; Anm. d. Red.) zu hören.

Der ein oder andere kann sich vielleicht noch daran erinnern, dass HELLOWEEN “7 Sinners” speziell auf 432 Hertz aufgenommen haben. Für “Straight Out Of Hell” ist die Band wieder zu den üblichen 440 Hertz zurückgekehrt. Sascha: “Man kann sich gar nicht vorstellen, was für ein Aufwand es war, das auf 432 zu machen! Die ganzen westlichen Instrumente sind gar nicht darauf eingestellt und gebaut worden. Insofern war es ultrastressig, immer das Tuning beizubehalten. Wir haben beim letzten Mal viele Takes einfach nochmal und nochmal gespielt, weil sich immer irgendwo, wenn ein Instrument dazu kam, etwas aufgeschaukelt hat, was ein bisschen krumm klang. Also mussten wir wieder ein Take spielen. Es war schön, dass wir das gemacht haben und hatte auf jeden Fall auch eine Wirkung, aber diesmal wollten wir es einfach sehr straight angehen. Wir haben mehr Wert auf die Songs gelegt, darauf, dass alles ein bisschen stimmiger ist.” (Siehe dazu auch unser Interview mit Dani Löble 2010; Anm. d. Red.)

Die Songs wurden, wie schon erwähnt, von Andi, Markus, Michael und Sascha geschrieben. Die Grundauswahl bestand diesmal aus ca. 20 Songs und zahlreichen Ideen, aus denen die Musiker das Beste auswählten. Während die drei Herren der Saitenfraktion fast fertige Songs inklusive der Texte mit ins Studio gebracht haben, hat bei Andis Songs der ein oder andere Part gefehlt und Sascha nochmal Hand angelegt. Die Texte seiner Kollegen hat Andi so umgearbeitet, dass er sie gut singen kann. Dass die Songs dieser unterschiedlichen Songschreiber am Ende ein homogenes Album bilden, ergibt sich gewöhnlich im Studio wenn nach und nach jeder seine Parts einspielt, durch den Sound und natürlich Andis unverwechselbaren Gesang. Und wie funktioniert das HELLOWEEN-Wahlsystem? Sascha: “Wir lassen immer das weg, worauf keiner reagiert. Es setzt sich keiner hin und sagt, ‘das ist der beste Song, der muss drauf’! Das ist immer eher so, dass Songs über die man spricht drauf kommen und Songs über die man nicht spricht, die kommen nicht drauf. Also sehr demokratisch. Wer bei uns nicht zur Wahl geht, der hat dafür gesorgt, dass das was er will nicht aufs Album kommt.”

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28.11.2012

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