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Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.



Runderneuert präsentieren sich HELLOWEEN im August 1994 mit ihrem sechsten Studioalbum „Master Of The Rings“. Die wichtigste Veränderung kommt von PINK CREAM 69 aus dem Süden der Republik. Andi Deris ersetzt Michael Kiske am Mikrofon. Ingo Schwichtenberg wurde bereits während der kurzen Tour zum Vorgängeralbum „Chamelon“ durch den Session-Drummer Richie Abdel-Nabi ersetzt. Für die neue Platte übernimmt der ehemalige GAMMA-RAY-Schlagwerker Uli Kusch den Platz hinter der Schießbude. Auch ein neues Label gibt es zu verkünden. HELLOWEEN sind bei Castle Communication / Raw Power in UK gelandet. Die einstigen Erfinder des Euro-Power-Metal sind zum Neustart bereit.
„Master Of The Rings“ und der Neustart von HELLOWEEN
Im Vergleich zu den beiden „Keeper Of The Seven Keys“-Alben sind nur noch Michael Großkopf am Bass und Michal Weikath an der Gitarre auf dem neuen Album zu hören. Mehr Fragezeichen als Ausrufezeichen begleiten das Release. Dass die Kürbisköpfe ihren Humor noch nicht verloren haben, macht bereits der Auftakt klar: „Irritation“. 75 Sekunden klassische Musik, die bei dem ersten Durchlauf der Platte für entsetzte Gesichter bei dem ein oder anderen Fan sorgen. Die Mundwinkel schnellen jedoch umgehend nach oben. Der „Sole Survivor“ liefert die Trademarks, die HELLOWEEN in den 80ern stark gemacht hat. Sänger Deris ist kein Kiske, aber ein mehr als passender Nachfolger für den Vorzeigesänger. Auch die Drums klingen ordentlich. Uli Kusch lässt seine Erfahrungen aus Thrash (HOLY MOSES) und Power Metal (GAMMA RAY) in den Auftakt einfließen.
HELLOWEEN liefern bei ihrem Neustart. Aus der Feder von Sänger Andi Deris stammt „Where The Rain Groves“, der schneller um die Ecke kommt als „Sole Survivor“ und der Instrumentalfraktion mehr Freiraum bietet. Trotzdem gelingt den Herren ein Ohrwurm als Refrain. Geschmeidige Rocker gehören 1994 weiterhin zum Repertoire. „Why?“ hat sich Deris selbst auf seinen Leib geschneidert, sodass er mit den Vocals brillieren kann.
„Mr. Ego“ mit Augenzwinkern
Die Langläufer kommen wieder mit metallischer Kost daher. „Mr Ego“ hat eine Laufzeit von mehr als sieben Minuten und stammt aus der Feder von Gitarrist Roland Grapow. HELLOWEEN starten eher in rockigen Gefilden, lassen das Ding minütlich wachsen, um mit einem langgezogenen Refrain die Fans mitzunehmen. Die Saitenarbeiter stehen mehrfach im Scheinwerferlicht. Aber auch Sänger Deris zeigt, dass er durchaus in der Lage ist, HELLOWEEN seinen Stempel aufzudrücken, auch wenn viele Fans Michael Kiskes hohe Stimmlage vermissen.
Das Deris der perfekte Gentleman ist, hat er auf der 2022er und 2023er Tour bewiesen. Das gute Stück präsentierte er mit Schirm, Charme und Melone. Seinen Ursprung hat „Perfect Gentleman“ im Jahr 1994, wo Deris und Weikath ein Stück Musik erschaffen, dass modern klingt und in den Zeitgeist Mitte der 90er Jahre passt. Auf die Flut an Videospielen schielt „The Game Is On“, wo der Refrain nicht so richtig zündet. „Secret Alibi“ rückt das Thema Refrain gerade, bevor eine Silvia Grapow mit „Take Me Home“ ins Spiel kommt. Fast etwas chaotisch und unsortiert in Richtung Jam-Session erklingt die Nummer, fängt sich aber im Refrain, ohne dass der Track zu den Highlights der Platte zählt.
Die bisher fehlende Ballade liefert das Quintett mit „In The Middle Of A Heartbeat“ in Richtung Scheibenende. Ein zweites „A Tale That Wasn’t Right“ gelingt HELLOWEEN nicht, aber eine überdurchschnittliche Ballade im Banduniversum, die durch die akustische Gitarre aufgewertet wird. Der Schlusspunkt „Still We Go“ ist in Teilen ähnlich chaotisch wie „Take Me Home“, die Kürbis-DNA bei der Saitenarbeit und der ins Ohr gehende Refrain sorgen für zufriedene Gesichter zum Ausklang.
HELLOWEEN sind wieder Power Metal
Mit „Master Of The Rings“ melden sich HELLOWEEN im Power Metal zurück. Es ist noch nicht alles Gold was funkelt, aber der Schritt von „Chamelon“ zu „Master Of The Rings“ ist ein Quantensprung. HELLOWEEN präsentieren sich als Einheit mit einer klaren musikalischen Ausrichtung. Das Material mit einer Laufzeit von mehr als 50 Minuten fühlt sich etwas zu sehr in die Länge gezogen an, wo nicht alle Stücke überzeugen können. Bis zu „Perfect Gentleman“ läuft die CD rund durch. „The Game Is On“ stottert, „Take Me Home“ stolpert. Die Ballade und „Still We Go“ sorgen dafür, dass die Fans keinen faden Beigeschmack zum Ende des Albums bekommen.
Kommerziell läuft „Master Of The Rings“ vor allem in Japan mit 120.000 verkauften Exemplaren. Aber auch in Deutschland langt es zu Platz 23 in den Albumcharts. In der Retrospektive ist „Master Of The Rings“ der gewünschte Power-Metal-Neustart mit einer runderneuerten Mannschaft. Diese Mannschaft zeigt Potential, auch wenn der neue Sänger Andi Deris anders rüberkommt als sein Vorgänger. Der Anfang einer langen gemeinsamen Karriere der Herren Weikath, Großkopf und Deris ist markiert.

Helloween - Master of the Rings (2024 Remaster)
Jürgen Fenske
Helloween - Master of the Rings [Vinyl LP]
Helloween - Master of the Rings [Expanded]
Helloween - Masters of the Rings



























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