In Extremo
Über Musik und Weltpolitik - Dr. Pymonte und Die Lutter im Interview mit metal.de

Interview

Die großen Feierlichkeiten, einschließlich einem eigenen Open-Air an der zauberhaften Loreley, sind noch nicht ganz ein Jahr her, da versorgen uns Deutschlands führende Mittelalterrocker von IN EXTREMO mit neuem Stoff: “Quid Pro Quo“ (frei übersetzt “Geben und Nehmen“) nennt sich ihr Zwölftes Studioalbum. Grund genug für uns, “Die Lutter“ (Kay Lutter, Bass) und “Dr. Pymonte“ (André Strugala, Harfe) mal ein paar Fragen zu geben und ihre Antworten für Euch mitzunehmen.

Bandfoto von In Extremo zur Bewerbung ihres Albums "Quid Pro Quo"

In Extremo 2016 – credits bei Robert Eikelpoth

IN EXTREMO im Interview mit metal.de

Erst einmal herzlichen Glückwunsch zu einem aus meiner Sicht echt gelungenem Album! Wie schwer war es denn, sich so kurz nach dem zwanzigsten Geburtstag sowie den entsprechenden Jubiläumsfeiern, direkt wieder für ein neues Album zu motivieren?

Wie nach einem Koks- und Nuttenwochenende Montagmorgen wieder zur Arbeit zu gehen. Aber was soll’s? Vom Rumsitzen wird man nur fett wie Dr. Pymonte 🙂

Gleich beim ersten Durchlauf ist mir aufgefallen, dass ihr offensichtlich mit einiger Experimentierfreude an die Stücke gegangen seid. So ist Euer neues Werk in der Summe sehr vielfältig und abwechslungsreich – teilweise ja fast schon gewagt – geworden. Mir persönlich gefällt das wirklich sehr gut. Wie alle Bands, die auf eine längere Geschichte und einen entsprechenden Stamm alteingesessener Fans zurückblicken können, besteht bei solchen Entwicklungen ja immer die Gefahr, dass diese – also im Fallvon IN EXTREMO vor allem die alteingesessenen Fans der mittelalterlichen Seite der Band – sich von den sehr rockigen Songs vor den Kopf gestoßen fühlen? Wie seht ihr das? Und, welche Rolle spielen die Fans und ihre etwaigen Erwartungen generell bei Eurem Songwriting?

Mit diesem Scheissgenörgel ist, glaube ich, generell jede Band bei der VÖ eines neuen Albums konfrontiert. Grundsätzlich glaube ich, dass zwischen den Fans und einer gestandenen Band immer so etwas wie ein latentes Vertrauensverhältnis besteht, will da heißen, dass In Extremo nach 20 Jahren garantiert nicht plötzlich mit einem scheiss Technoalbum überraschen werden. Genauso sicher gibt es nach jeder VÖ immer ein paar „Ningelheinos“ umd „Mäkelköppe“. Egal, auch Unzufriedene muss es halt geben.

Für die beiden Songs “Roter Stern“ und “Flaschenteufel“ gelang es Euch, äußerst prominente Gäste zu gewinnen. Wie ist es zu der Zusammenarbeit mit Hanis Kürsch (BLIND GUARDIAN) und HEAVEN SHALL BURN gekommen? Wie war diese Zusammenarbeit?

Wie es immer so ist: Wir sind uns in den vergangenen Jahren auf diversen Festivals oft über den Weg gelaufen und waren uns auf den ersten Blick sympathisch. Und sympathische Bands fragt man immer gern!

Vor allem die Kooperation mit HEAVEN SHALL BURN, die stilistisch gesehen ja wesentlich weiter weg von Euch, als Hansi sind, hat einen in meinen Augen sehr geilen Mix hervorgebracht. Wird dieser “Mittelalter-Core“ eine einmalige Sache bleiben oder wird Euch und uns diese “neue Härte“ auch in Zukunft begleiten? Zumindest ist “Quid Pro Quo“ ja auch in der Summe ein sehr rockiges Album geworden.

Wir planen so etwas nie, es kommt wie es kommt. Und Berührungsängste kennen wir nicht. In diesem Sinne hatten wir uns  mit unserer Zusammenarbeit z.B. mit Thomas D. schon viel weiter von unserem eigentlichen Genre entfernt, als dieses Mal. Uns machen ungewöhnliche Kooperationen riesigen Spaß und wir überraschen gern. Alles andere ist langweilig!

Inwiefern spielt die Abgrenzung von „Nachrückern“/Konkurrenten wie SALTATIO MORTIS oder SANTIANO eine Rolle? Oder auch anders gefragt: Inwiefern versucht IN EXTREMO mit der rockigeren, von Euch selbst ja auch als “metaliger“ beschriebenen Ausrichtung, neue Hörer zu erschließen?

Solch ein bescheuertes Buddelkastendenken interessiert uns glücklicherweise nicht die Bohne. Wir selbst hatten auf unserem Werdegang zu Genüge mit solchen Neidhammeln und Stänkerfritzen zu tun, die jeden unserer Schritte wie paar chronisch untervögelte Hausfrauen misstrauisch beäugten. Mit der Strategie des links liegenlassens solcher Arschlöcher sind wir stets am besten gefahren und siehe da, die Herren von Subway To Sally und Corvus Corax scheinen sich ja nun endlich beruhigt zu haben :-))

Mit dem Titelsong “Quid Pro Quo“ habt ihr ja auch einen sehr gesellschaftskritischen Song auf dem Album, wie man es von Euch nicht gerade gewohnt ist. Wie ist es dazu gekommen? Inwiefern spielten auch Eure eigenen Erfahrungen bzw. auch Eure eigene Geschichte eine Rolle beim Schreiben dieses Stückes?

Es gibt Dinge, die einen maßlos ankotzen, so z.b. auch der Umstand, dass in unserer Gesellschaft kein, aber auch wirklich kein einziger Bereich mehr zu finden ist, der nicht von diesem scheiß Geld dominiert wird. Der überwiegende Teil von In Extremo ist in der DDR aufgewachsen, wo sich für die berühmten 14,50 (das synonym für ne Buddel Bratz) Türen und Tore öffneten. Solche Attitüden sind in der heutigen, leistungsorientierten Gesellschaft leider komplett vom Tisch.

In die Textzeilen zu Freundschaft und Hochzeit könnte man ja auch Kritik am Verfall alter Werte (Heirat der Liebe wegen statt der Steuerklasse bzw. andersrum) reininterpretieren? Habt ihr als Band entsprechende Ideale und Werte, die Euch wichtig sind?

Klar: Ehe, Scheidung und sonntags immer Gottesdienst.

In Extremo - "Quid Pro Quo"-Albumpromo 2016 - Foto

In Extremo Albumpromo 2016 – Dr. Pymonte und Das Letzte Einhorn – credits Robert Eikelpoth

Beim wiederholten Durchlauf fällt noch ein weiteres kritisches Kleinod auf. In den Text von “Lieb Vaterland, magst ruhig sein“ lässt sich abermals viel rein interpretieren. Besonders ist mir auch die darin enthaltene Textzeile aus einem Kindergebet (“Ich bin klein, mein Herz ist rein“) aufgefallen. Was hat Euch zu dem Song getrieben? Was bedeutet er und sein Text für IN EXTREMO? Was wollt ihr damit sagen?

Im vergangenen Jahr jährte sich der Beginn des 1.Weltkrieges zum 100. Mal. Als junger Mann hatte ich mit meinem Opa viele Gespräche über den Krieg, denn er musste in beide Weltkriege ziehen. Manchmal denke ich an unsere Gespräche und stelle fest, dass eben auch diese beiden, großen Kriege die Menschheit im Grunde genommen nicht klüger gemacht haben.

Wie passen vor allem diese beiden Stücke, also “Quid Pro Quo“ und “Lieb Vaterland, magst ruhig sein“, mit Eurer Aussage zusammen, dass ihr “keine politische Band“ sein wollt?

Weil sie nicht den Zeigefinger heben, sondern Fakten auf den Faden ziehen.

Vielleicht auch vor diesem Hintergrund und Eurer Liebe zu Russland – wie seht ihr die aktuelle Entwicklung des deutsch- bzw. auch europäisch-russischen Verhältnisses?

Mit grosser Sorge. Lange schon haben Politiker in Deutschland eine derartig unvernünftige Politik gegenüber Russland gemacht wie diese komische Pastorentochter, die in einem Unrechtstaat zwei Mal zum Doktor promovieren durfte. Da hört man doch lieber auf den Weltpolizisten in Übersee, dessen einzige Hobbys Krieg und Theaterdemokratie zu sein scheinen. Meine und unsere Liebe zu Russland ist jedoch nicht politisch motiviert. Uns fasziniert zuallererst das pragmatische, russische Lebensgefühl, die unaufgesetzte Schlichtheit, die Weite und die Gastfreundschaft. Wir sollten voneinander lernen, anstatt irgendwelche Embargos zu initiieren, die uns am Schluss selbst auf die Füße fallen.

Kommen wir zum Abschluss von der “großen Weltpolitik“ zurück zur Musik. Fans bekommen auf dem Digipak bzw. der “Limited Deluxe Edition“ neben einer Akustikversion des Titelstücks zwei weitere Songs als Zugabe. Vor allem auch “Wenn das Licht angeht“ ist noch mal ein ordentlicher “Rocker“ – war er zu hart, um ihn noch auf die reguläre Albumversion zu packen? Warum haben es diese beiden Songs nicht auf die “reguläre“ Version des Albums geschafft?

Nein, das ist zuerst unserer basisdemokratischen Bandentscheidung geschuldet. Man braucht für jede Konfiguration Bonusstücke – und nur die besten Songs schaffen es auf das reguläre Album. Punkt. „Zu hart“ ist keine Kategorie in der wir denken!

Last but not Least: Natürlich wird IN EXTREMO das neue Album im Herbst auch mit einer entsprechenden Headlinertour live auf allerlei Bühnen präsentieren. Könnt ihr schon verraten, was die Fans da erwarten wird und ob ihr vielleicht sogar einen Lieblingssong auf “Quid Quo Pro“ habt, der es auf jeden Fall in die Live-Setlist schafft?

Wir werden sicher mit einer guten Mischung aus neuen Stücken und Hits überraschen – und das eine oder andere Bierchen wird es sicherlich auch wieder geben.

Na dann: Besten Dank und Prost!

Galerie mit 21 Bildern: In Extremo – Baltic Open Air 2023
19.06.2016

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