Disillusion - The Liberation

Review

Soundcheck September 2019# 1 Galerie mit 19 Bildern: Disillusion – Rock For Animal Rights 2023

Mit geradezu filmografischer Grazie lassen die ersten Töne des Intros „In Waking Hours“ die Sonne vor den Ohren des Hörers aufgehen und leiten ein in das neue Album „The Liberation“ der deutschen Prog-Institution DISILLUSION, das viel zu lange auf sich hat warten lassen. Immerhin sind seit „Gloria“ auch schon schlappe 13 Jahre vergangen, lediglich die Single „Alea“ von 2016 wurde zwischen geschaltet, und live blieb die Band präsent (unter anderem spielten sie ihr Debüt in voller Länge). Doch ansonsten haben die Leipziger ihre Fans in Sachen neuer Songs ein bisschen auf dem Trockenen sitzen lassen. Das hat nun ein Ende, das dritte Full-Length-Album ist endlich da. Und es zeigt die Band in herausragender Form.

Wie zu erwarten bei DISILLUSION hat sich beim Sound wieder etwas geändert, was sich schon ein bisschen auf „Alea“ angedeutet hat. Was bei „Back To Times Of Splendor“ mit härterer Metal-Gangart begonnen hat und auf „Gloria“ experimenteller, moderner und elektronischer geworden ist, gerät auf „The Liberation“ nun atmosphärischer und symphonischer, wobei der härtere Metal der Band nach wie vor Einzug hält. Man bewegt sich im Gegensatz zum Debüt jedoch in deutlich stimmungsvollere und nicht ganz so harte Fahrwasser, und zwar mit einem Album, das durch seine vielschichtig durchkomponierten Songs eine enorme Größe suggeriert, ohne diese mit Bombast zu überladen.

DISILLUSION bieten dynamischen und emotionalen Metal

Das erreicht die Band vor allem mit zwei Schlüsselelementen: Die Tracks besitzen eine enorme Dynamik und eine beachtliche, emotionale Bandbreite. Ersteres steuern die Herren mit der Härte, die sie ihrer Musik bestimmt, aber auch mit Bedacht injizieren. Natürlich haben DISILLUSION ihre musikalischen Fingerabdrücke nicht abgewetzt. Und so findet der Hörer auch hier die bekannten Thrash- und Death-Anleihen wieder, die aber häufiger für hymnischere Parts aufgelöst werden.

Der emotionale Kitt, der das Gebilde zusammenhält, sind vor allem die großen Melodien, die geschickt durch die symphonischen Arrangements verstärkt werden. Aber hier kommt auch der abwechslungsreiche Gesang von Andy Schmidt zum Tragen, der sowohl in den aggressiveren wie auch hymnischeren Passagen eine hervorragende Leistung abliefert. Das Ganze wurde mit einem klaren Sound versehen, der den Hörer praktisch von der ersten Sekunde an warmherzig in Empfang nimmt. „The Liberation“ mag vielschichtig sein, doch es ist eben dank der Produktion ein durch und durch zugängliches Album, in dem man sich sofort heimisch fühlen sollte. Und zum Glück bringen DISILLUSION auch das Songmaterial mit, um die Klasse zu halten.

Große Songs, große Gefühle

Das eingangs erwähnte Intro leitet wunderbar in „Wintertide“ über, das dessen symphonische Eleganz mit den etwas ruppigeren Metal-Ausbrüchen zusammenbringt, wie man sie von DISILLUSION kennt. Diese äußern sich hier vor allem in präzise gespielten, zum Teil stark an Melodic Death gemahnenden Riffs mit dem Unterschied, dass die Leipziger ihren Melodien eine Menge Freiraum zum Herumtoben lassen und dem Song so eine gewisse Wildheit verleihen. Gleichzeitig nutzt die Band die Melodien auch, um geschmeidig zwischen den härteren und sanfteren Phasen des Tracks hin- und herzuschalten. Beide Seiten im Wechselspiel sorgen so für die nötige Dynamik, um diesen gehaltvollen Zwölfminüter ohne Leerlauf erfolgreich über die Zielgerade zu bringen.

Deutlich mehr in Richtung Härte und mit thrashigem Nachdruck wird dieses Gleichgewicht beim folgenden „The Great Unknown“ gekippt, inklusive Schmidts rauerer Gesangsdarbietung. Der atmosphärische Einschub im Mittelteil sowie die melodische Hook sorgen dafür, dass der Song nicht in stumpfes Geknüppel ausartet. „Time To Let Go“ bringt die Alternative-Seite von „Gloria“ ein Stück weit zurück für den eingängigsten Song der Platte, der dennoch atmosphärisch daher kommt. Zugegeben: Der Song klingt im ersten Moment fast ein bisschen zu simpel, um hier geschmeidig in die Trackliste reinzupassen. Doch im Mittelteil des Tracks nimmt dessen Intensität zu, was der Dynamik des Stücks wiederum zu Gute kommt.

Auch bei Longtracks verlieren DISILLUSION nicht die Nerven

Mit dem Titeltrack gelingt der Band erneut, was bereits mit „Wintertide“ geklappt hat: Ein vielschichtiger, geradezu cineastischer Zwölfminüter ohne Leerlauf. Der Song öffnet mit einem jubilierenden Motiv, leitet aber relativ schnell in den druckvoll und aggressiv galoppierenden Strophenteil über, der sich harmonisch wunderbar mit den eröffnenden bzw. wiederkehrenden Riffs ergänzt. Der Song baut sich dann nach und nach auf, um zu dieser furiosen Klimax überzuleiten, in der Schmidt fast schon mit beschwörerischer Inbrunst „and higher and higher and higher we go […]“ singt, ehe der Song zu seinem stimmungsvolleren, ruhigeren Mittelteil übergeht.

Der Rausschmeißer „The Mountain“, ebenfalls ein Longtrack, klingt wie das epische Finale, das ein derartiges Werk auch nicht anders verdient hat. Der Track beginnt schon wesentlich melancholischer und eindringlicher als die vorangegangenen Tracks, doch erst wenn der rockigere Anfang abklingt und Platz macht für getragene, mit Hall versehene Bläser, kann es einem schon mal richtig kalt den Rücken herunter laufen. Klaviertupfer, subtile Streicher und der klare Gesang von Schmidt machen diese Stelle des Songs zu einem absoluten Highlight mit Gänsehaut-Garantie, ehe der Track zum Schluss noch einmal in bombastischer Manier zu seiner metallischeren Seite findet.

„The Liberation“ ist befreiende Erleichterung nach langer Wartezeit

Es klingt wie ein Klischee, aber es passt einfach: „The Liberation“ sollte man am besten am Stück mit guten Boxen/Kopfhörern und ohne Störfaktoren erleben und genießen. DISILLUSION bieten großes Metal-Kino, das mit seiner geradezu einladenden Wärme primär das emotionale Zentrum anspricht. Doch statt durch Effekthascherei wird das Futter für die Seele in Form von unglaublich gut gespieltem und produziertem Prog Metal modernerer Machart verabreicht, der mehr als genug Nährstoffe fürs Hirn liefert. Sprich: Es sollte für jeden was Schmackhaftes dabei sein.

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04.09.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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28 Kommentare zu Disillusion - The Liberation

  1. royale sagt:

    das gehörte finde ich super, Scheibe schon lange bestellt, nun muss ich nur noch warten! Freitag?

  2. L@THERIVERFLOW sagt:

    Ohne Störfaktoren also… Dann werd ich wohl am Tag der Veröffentlichung meine Kinder für ne knappe Stunde loswerden müssen 🤔
    Jemand interessiert?
    Das Lied ist ein Brett. Macht Spaß auf den Rest!

    1. Decap_retag sagt:

      Hä? Ich bin davon ausgegangen, dass du kommenden Freitag meine nimmst!? Disillusion: Großes Kino. Auf Tool sei an dieser Stelle gepflegt geschissen.

  3. Vayreon sagt:

    Ich höre die Scheibe jetzt seit Freitag und kann mich den Worten des Autors nur anschließen. Unglaublich vielfältige Stimmungen, Versatzstücke und Hooks; angenehm komplex und dabei doch irgendwie eingängig und kurzweilig. Klarer Anwärter für das Album des Jahres!

    9/10
  4. doktor von pain sagt:

    Dass Disillusion tatsächlich noch mal ein Album rausbringen… Physischer Tonträger ist vorbestellt, ich wollte mich selbst nicht spoilern und habe vorher nicht reingehört. Kannste ungehört kaufen, dachte ich mir.

    1. doktor von pain sagt:

      P.S.: Dieses Album, das nach zig Jahren Pause erscheint, interessiert mich jedenfalls mehr als das der natürlich guten, aber doch auch zu hochgejubelten Tool.

      1. ian_tank sagt:

        Also, wenn Wintertide als Song nur halbwegs Aussagekraft hat, dann ist das leicht überdurchschnittlicher Melodic Death, wie ihn hunderte andere Bands auch machen – und der mir zudem deutlich zu symphonisch ist in manch einer Passage. Solide gemacht, aber hat man alles schon so oft gehört… Und wie fast immer bei deutschen Bands ist der Gesang der größte Schwachpunkt der Band, da helfen nichtmal die Verfremdungseffekte, er klingt einfach wie ein duetscher Metalsänger. Das Album bewerte ich bewusst nicht, da ich mir vermutlich keinen weiteren Track anhören werde und mir ein Albumurteil somit nicht zusteht. Wenn ich den Song bewerten sollte, so erhielte er mit gutem Willen eine solide 6.5/10 von mir.

      2. ClutchNixon sagt:

        @ian: Ohgoddogoddogott 🤦🏻‍♂️

  5. royale sagt:

    @ian_tank, ja cool! dann hau mal ein paar bands raus die super sind und locker eine neun verdient haben! Ich, als musik junkie freue mich über jeden heissen tipp 🙂

    1. L@THERIVERFLOW sagt:

      Ich muss sagen bei ,The Great Unknown‘ will der Funke auch nicht so recht überspringen. Aber ,Wintertide‘ ist einfach ein starker Song, gerne mehr davon. Es gibt eben nicht mehr wie behauptet eine Reihe von überdurchschnittlichen Melodic-Death, wie ihn Dark Tranquility seiner Zeit praktiziert hat. Da gehts auch darum ein Alleinstellungsmerkmal zu haben um sich abzuheben, gerade im Melo-Death. Ich finde das bringt Disillusion auf jeden Fall mit, die ja nun nicht seit gestern Musik machen.
      Bin aber natürlich auch froh neues und vielleicht auch ,,besseres“ kennenzulernen, also gerne her damit.

  6. royale sagt:

    @ian! kommt da eigentlich noch was oder war’s das mit den Empfehlungen, was alles so locker neun Punkte und mehr verdient hat 🙂

  7. nili68 sagt:

    Das hier klingt genau so sülzig, wie ich das von Prophecy erwarten würde. Da gehe ich lieber noch ’nen Schritt weiter und greife gleich zu Rhapsody Of Fire oder Dragonforce, wenn mir nach Kitsch ist, der erst gar nicht versucht, das zu verstecken.
    Ich riskiere es trotzdem und gebe mal ’nen brauchbaren Melo-Death Tip:

    https://www.youtube.com/watch?v=pZmKhqnHIjY

    1. L@THERIVERFLOW sagt:

      Gar nicht mal so gut dein Tipp 😂

      1. nili68 sagt:

        Ja klar, was sollst du auch anderes sagen. Kannst es dann ja heimlich hören. Mit derlei Verhalten war ich schon nach der vierten Klasse durch, aber ich bin nachsichtig. Ich denk‘ mir jetzt immer „vielleicht kann der da ja nichts für.“

        https://de.wikipedia.org/wiki/Frontalhirnsyndrom

        🙂

  8. L@THERIVERFLOW sagt:

    Hab ich seine Gefühle verletzt, weil ich seine Frauen Band, ich würds mal als Arch Enemy für arme bezeichnen, kacke finde. Austeilen wie ein großer, aber wenns ums einstecken geht verträgt er soviel wie meine drei jährige Tochter. Süß und bemitleidenswert zu gleich.

    1. nili68 sagt:

      Nö, aber dein Smiley ist klar ein Indiz dafür, dass du auf jeden Tipp von mir so reagiert hättest und es dir nur darum ging, eine patzige Antwort zu geben. Denk‘ aber nicht weiter drüber nach, das ist zu diffizil für dich und spiel lieber mit deiner Tochter, ohne ihr allzu unsinnige Verhaltensweisen zu vermitteln..

    2. Thehellbuddy sagt:

      super Album! das hat nichts mit Melodic Death zu tun wie hier einige Fachsimpeln…. spielt das erst einmal auf einem der Instrumente und komponiert mal sowas, bevor ihr den Mund groß aufmacht

      8/10
      1. Sylverblack sagt:

        Die klassische Kindergarten-Argumentation.
        Erstens: Die Beurteilung der Geschmacksfrage in korrekt oder falsch einzuteilen, kann nicht funktionieren. Wenn es irgendeinem, nili in diesem Fall, nicht gefällt, dann ist das eben in seinem individuellen Empfinden begründet und kann daher a priori nicht objektiv falsch sein. Wer das nicht verstanden hat, zwingt Kunst in einen Rahmen, in den sie nicht passt.
        Zweitens: Selbst wenn man sich auf objektiv betrachtbare Sachverhalte beschränkt (die zwar eigentlich in sämtlicher Kunst nicht gegeben sind, aber seis drum): Man muss nicht selbst komponieren oder ein Instrument spielen, um Kritik üben zu dürfen. Es bedarf allein der Kompetenz, diese adäquat beurteilen zu können.

      2. L@THERIVERFLOW sagt:

        @Sylverblack
        Klar darf jeder Kritik üben der will. Ist derjenige aber nicht kompetenter der als Musiker sein Geld verdient und sein Leben sich größtenteils um Musik dreht? Ist der Arzt nicht kompetenter als seine Patienten, weil er Fachwissen besitzt welches er sich über Jahre hinweg angeeignet hat? Ich denke doch da gibt’s keine zwei Meinungen, auch wenn heutzutage jeder meint (halb)wissen auf sämtlichen Gebieten sei es medizinisch, juristisch oder musikalischer Natur zu besitzen. Natürlich ist Musik bzw. Kunst ein Bereich für sich und liegt größtenteils im Auge bzw Ohr des Betrachters. Aber abstreiten das es eben Leute gibt die davon ein bisschen mehr verstehen als andere kann man ja wohl auch nicht.

  9. L@THERIVERFLOW sagt:

    Mal abgesehen davon: wenn mir was gefällt dann sag ich das ganz egal von wem es kam. Das unterscheidet uns beide voneinander.

    1. nili68 sagt:

      Das sagst du doch jetzt nur, weil du deinen Unsinn erkannt hast und da wieder raus willst.. lol

  10. L@THERIVERFLOW sagt:

    Naja also über kindeserziehung brauchen wir beide glaub ich nicht reden.
    Ohne dir nahetreten zu wollen, ein Fachmann bist du in dem Bereich sicher nicht.

    1. nili68 sagt:

      Ich wollte gerade schreiben „Egal, trotzdem danke für die Kurzweil.“ aber das scheint dich ja doch mehr zu beschäftigen. Von mir aus.. lol

  11. nili68 sagt:

    > Ist derjenige aber nicht kompetenter der als Musiker sein Geld verdient und sein Leben sich größtenteils um Musik dreht? Ist der Arzt nicht kompetenter als seine Patienten, weil er Fachwissen besitzt welches er sich über Jahre hinweg angeeignet hat?<

    Das eine ist Kunst, das andere Wissenschaft und somit nicht vergleichbar.. und definitiv nein! Nach der Logik müssten Crematory ja auch kompetent sein..

    1. L@THERIVERFLOW sagt:

      Kunst kann man auch studieren

      1. nili68 sagt:

        Sag‘ ich ja so ähnlich. Man kann sich auch theoretisches Wissen aneignen, um Musik zu beurteilen, ohne selbst Musiker zu sein. Im Gegenzug gibt’s genug Musiker/Bands, wo man meinen möchte, dass die nicht viel Ahnung von Musik haben..
        Ich glaube auch, dass man für Kunst nicht so viel Fachwissen braucht, wie für Medizin, wo klare Fakten zählen, wohingegen sich selbst die Kunstgelehrten sich nicht immer einig sind, siehe U- und E-Musik..

  12. Watutinki sagt:

    Das Konzert war der Überhammer, ein emotionales Brett nach dem anderen und super sympathisch die Truppe.
    Die Band ist in meiner Gunst noch Mal deutlich gestiegen! Ich glaube ich würde ihnen sogar einen Wechsel zu NB verzeihen, so lange Sie sich musikalisch treu bleiben (was sich eigentlcih widerspricht).