Dream Theater - Train Of Thought

Review

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„Train Of Thought“ gehört zu den wenigen Alben, die als treuer Begleiter auf langen Fahrten immer wieder den Weg ins Kassettendeck meines Autoradios finden. Dabei hätten wohl nur die wenigsten den amerikanischen Göttern des Progressive Metal einen solchen Wuchtbrocken zugetraut. Gegen das Songmaterial auf „Train Of Thought“ wirken selbst die aggressiveren Titel von „Six Degrees Of Inner Turbulence“ geradezu zahm. Noch nie legte das Quintett um Drum-Oktopus Mike Portnoy und Gitarren-Flitzefinger John Petrucci eine so deutliche Betonung auf den Metal-Anteil in seiner Musik. Die sieben sperrigen Stücke setzen sich wie gewohnt erst nach mehrmaligem aufmerksamem Hören im Ohr fest. Wenn man sich die dafür nötige Zeit jedoch nimmt, wird man mit einer Vielschichtigkeit belohnt, die einen immer wieder neue Details in den verschachtelten Kompositionen entdecken lässt. Der Opener „As I Am“ greift den sphärischen Schlußakkord des Vorgängeralbums auf, bevor düster groovende Gitarrenriffs eine Kampfansage an die gängigen Mechanismen der Musikindustrie einleiten. Mit „This Dying Soul“ setzt Mike Portnoy sein auf dem Vorgänger-Album mit „The Glass Prison“ begonnenes Anti-Alkoholismus-Monumentalwerk fort, dass auch mit der jüngsten DREAM THEATER-Langrille „Octavarium“ noch lange nicht abgeschlossen ist. Angenehmerweise konnte sich Sänger James LaBrie erneut mächtig steigern und bringt die aggressiven Parts mittlerweile ebenso überzeugend rüber wie die ruhigeren, melancholischen Strophenparts im nachfolgenden „Endless Sacrifice“. Die Halbballade ist eines der ungewöhnlichsten und gerade deshalb auch gelungensten Liebeslieder, die ich kenne. Auf unnötigen Kitsch wird hier verzichtet, im Refrain geht man sogar unerwartet hart zu Werke. Die zweite Hälfte des Stücks wird von einer DREAM THEATER-typischen Intrumental-Frickelorgie dominiert. Dabei demonstriert Keyboard-Virtuose Jordan Rudess einmal mehr seinen einzigartigen Sinn für Humor mit einem ebenso kurzen wie ungewöhnlichen Solo-Einsprengsel, das beim ersten Hördurchgang vermutlich nicht nur bei mir für ein breites Grinsen gesorgt haben dürfte. Mit „Honor Thy Father“, dessen Titel angesichts des Liedtextes als zutiefst ironisch betrachtet werden muss, erreicht der Aggressionslevel sein absolutes Maximum. Auf eine melodische Bridge folgt ein Refrain, in den Mike Portnoy sogar Rap-Elemente hat einfließen lassen. Mit dem heterogenen Genre-Bastard, dem einige populäre NuMetal-Gruppen huldigen, hat dies jedoch Gottseidank nichts zu tun. So kann auch ein bekennender HipHop-Hasser wie ich den Text dieses Liedes voller Inbrunst mitgrölen. Völlig unvereinbar scheinen sich die dreiminütige Trauerballade „Vacant“ und der zwölfminütige Instrumental-Overkill „Stream Of Consciousness“ gegenüberzustehen. Wer jedoch genau hinhört, kann erkennen, dass das fast schon obligatorische Instrumentalgefrickel auf dem nur von Piano, Bass, Cello und Gesang getragenen Kurzstück aufbaut und dessen Motive in schnellerer und härterer Form variiert, ausbaut und verfremdet wiedergibt. Überraschenderweise haben sich die beiden Bandleader Portnoy und Petrucci bei „Vacant“ völlig zurückgenommen und Jordan Rudess und dem aufgrund seiner ruhigen und unauffälligen Art meist völlig unterschätzten Bassisten John Myung das Feld überlassen. Die fünfzehn Textzeilen hat man schließlich der Feder von James LaBrie überlassen. Auf „Stream Of Consciousness“ ziehen dann die vier Instrumentalisten alle Register ihrer großen Kunst und spielen die Zuhörerschaft mal wieder schwindelig. Zum Abschluss folgt mit „In The Name Of God“ ein würdiger Schlusstrack, der als stampfendes Groovemonster beginnt, sich zum Ende hin aber immer mehr zu einem episch-majestätischen Breitwandstück wandelt. Textlich wirft dabei John Petrucci die Frage auf, ob der Glaube an Gott zwingend in Gewalttätigkeit enden muss. Ob man das Lied dabei auf die Terroranschläge islamistischer Fundamentalisten wie Osama Bin Laden oder die Kriege christlicher Fundamentalisten wie George W. Bush bezieht, scheint die Band bewusst offen zu lassen. Insgesamt bewegen sich die knapp 70 Minuten Musik auf „Train Of Thought“ durchgängig auf höchstem Niveau. Überflüssigen Füllstoff sucht man vergebens. Die fette Produktion bringt alle Feinheiten voll zu Geltung und lässt damit ebenfalls keine Wünsche offen. Aufgrund seiner Heavyness und atmosphärischen Dichte ist „Train Of Thought“ für mich eines der besten Alben, das die amerikanische ProgressiveMetal-Göttercombo je veröffentlicht hat. Lediglich dem unübertrefflichen Konzept-Meilenstein „Scenes From A Memory“ muss sich „Train Of Thought“ geschlagen geben. Höchstpunktzahl!

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05.12.2005

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2 Kommentare zu Dream Theater - Train Of Thought

  1. Anonymous sagt:

    ungewöhnlich heavy und ohrwurmig, aber immer noch progressiv, auch das gefrikel wurde nicht wirklich reduziert, es wurde diesmal nur perfekt auf den punkt gebracht. mit einigen der besten riffs und melodien, die DT je hervorgezaubert haben (von der eigenständigkeit wollen wir mal nicht reden, jeden der nicht taub ist, dürfte klar sein, dass sich die jungs ihre inspiration gerne bei anderen bands holt, allerdings mit ihrer eigenen art geschickt kombinieren), da kommt höchstens noch "scenes…" ran, oder vielleicht auch "six degrees…", obwohl bei letzterem dann doch etwas zu viel füllmaterial drauf war.

    9/10
  2. dorn sagt:

    Pah, langweiliges, wirklich langweiliges Album. Zugegeben, ich fand es die ersten 2 Wochen recht gut, aber dann… Gegen Awake klingt das ganze doch relativ seicht, der Sänger wird immer unauffälliger, die Gitarren kommen nicht über Möchtegernhartes hinaus. Drumming ist Durchschnitt. Ehrlichgesagt weiß ich nicht so recht, warum das noch als progressiv bezeichnet wird. Nur weil es Dream Theater sind? Nur weil die Songs alle relativ lang sind? Nur weil die Musiker technisch versiert sind? In Sachen Progressivität haben schon lange andere Bands die Nase vorn.

    6/10