Alice Cooper
Der schockierend große Diskografie-Check

Special

From The Inside (1978)

Zu welchem Zeitpunkt in Alices Karriere entstand das Album?

Viele Jahre wurden die Konsequenzen von ALICE COOPERs Alkoholsucht von seinen engsten Vertrauten ignoriert. Nach der Veröffentlichung des „Lace And Whiskey“-Albums ist dies nicht mehr möglich. In depressiven Episoden liegt ALICE tagelang im Bett, schaut Fernsehen und betrinkt sich. Man muss Gewalt anwenden, damit er Termine wahrnimmt. Neben den psychischen Auswirkungen manifestiert sich die Sucht auch körperlich. Er beginnt Blut zu erbrechen und die Ärzte prophezeien ihm ein baldiges Ableben, sollte er seinen Lebensstil nicht drastisch ändern.
Ende 1977 überreden ihn seine Ehefrau, sein Produzent und sein Manager zu einem harten Entzug. ALICE COOPER geht in das Cornell Medical Center und damit nicht in eine gängige Rehabilitationsklinik für Prominente. Es ist ein Sanatorium, abseits der öffentlichen Wahrnehmung, für Patienten mit schweren psychischen Erkrankungen. Nach zwei Monaten verlässt er diese Institution als vermeintlich trockener Alkoholiker.
Zusammen mit seinem Freund Bernie Taupin, dem langjährigen Songwriter von ELTON JOHN, schreibt ALICE mit „From The Inside“ ein Album über seine Erlebnisse in diesem Sanatorium und veröffentlicht damit 1978 eine seiner persönlichsten Platten überhaupt. Seine Therapie hat keinen langfristigen Erfolg. Durch die enge Zusammenarbeit mit Taupin kommt er mit Kokain in Verbindung und gerät in die nächste Abhängigkeit.

Welchen Stil hat das Album?

Die Schlüsselfigur hinter „From The Inside“ ist Bernie Taupin. Der Songwriter von ELTON JOHN bringt Erfolgsproduzent David Foster (CÉLINE DION, WHITNEY HOUSTON) mit an Bord und beide verpassen der Platte einen opulenten und breiten Sound. Hierbei dominieren jedoch glatte und gradlinige Kompositionen, die mit tanzbarem Rhythmus und massiven Chor- und Begleitgesang-Arrangements unterfüttert sind. Es bleibt zwar eine rockige Scheibe, aber mit erheblichen Einflüssen damaliger Popmusik. Neben weiteren Musikern der Band von ELTON JOHN sind auch Sessionmusiker aus den Reihen von TOTO oder CHEAP TRICK an den Aufnahmen beteiligt. ALICE COOPER selbst findet zu seinem markanten Wortwitz und ausdrucksstarken Texten zurück. BOB DYLAN bezeichnet ALICE COOPER in diesem Zeitraum als einen stark unterschätzten Songwriter.

Wie findest du das Album in seiner Gesamtheit?

Die autobiografische Reise in ein Sanatorium ist bei aller Tragik äußerst unterhaltsam. Die poppig-schmissige Rockmusik, einerseits gepaart mit originellem Wortwitz, anderseits mit entwaffnender Ehrlichkeit, beschert dem geneigten Zuhörer eine skurrile und hörenswerte Musikcollage. „Geneigt“ ist dabei ein wichtiges Wort und weist auch auf das damalige Dilemma der Platte hin. Für Fans, die sich einen kernigen Hard-Rock-Sound wünschen, sind die Songs zu sehr in der Popmusik verankert. Die Anhänger von Popmusik finden die Texte zu befremdlich. Das Album wird zum Flop, obwohl es gar nicht so weit von dem Erfolgsalbum „Welcome To My Nightmare“ entfernt liegt. Die Schauermär ist jedoch weniger abstrakt oder metaphorisch, sondern direkt in der realen Welt beheimatet und somit greifbarer. Ein Problem, welches auch in Kritiken jener Zeit aufgegriffen wird. Man attestiert, dass das Konzept des Albums sich zu ernst nehme und als Parodie besser funktionieren würde. Das ist jedoch genau das, was ALICE COOPER nicht wollte.

Besonders deutlich wird dies bei den Songs, in denen ALICE seine eigenen Erfahrungen thematisiert. Behandelt der flotte Titelsong („From The Inside“) seine Alkoholsucht und die ungesunde Verschmelzung zwischen ihm und seinem Alter-Ego auf der Bühne, so geht es in „The Quiet Room“ noch drastischer an die Substanz. ALICE beschreibt hier, wie er tagelang zum Selbstschutz in eine Isolationszelle weggesperrt wird. Die musikalische Untermalung kommt dabei überraschend kitschig und mit Backing-Vocals von Maurice White (EARTH, WIND & FIRE) daher, kreiert aber eine überraschend intensive Atmosphäre. Ähnliches gilt für die Singleauskopplung „How You Gonna See Me Now“.
Zudem lernen wir weitere Personen im Sanatorium kennen. Die rockige Nummer „Wish I Were Born In Beverly Hills“ erzählt pointiert von einer jungen Frau aus gut betuchtem Hause, heute wohl als It-Girl zu bezeichnen, bei der alle Sicherungen durchbrennen. „Nurse Rozetta“ ist hingegen die etwas andere Pflegerin, die auch noch heute Teil seiner Liveshows ist. Ein weiteres Beispiel dafür, dass ALICE COOPER den Sinn für das Groteske wiederentdeckt hat, stellt die vermeintliche Schnulze „Mille And Billy“ dar. Das Country-Duett à la DOLLY PARTON und KENNY ROGERS entwickelt sich gegen Ende in eine makabre Kriminalgeschichte.

„From The Inside“ ist ein Album, das zu seiner Veröffentlichung nicht verstanden wurde und erst später auf dem Radar vieler Fans erschien. Es skizziert einen ALICE COOPER, der nicht in die heutige „Waynes World“-artige Vorstellung seiner Person passt. Das abschließende „Inmates (We’re All Crazy)“ bringt dies theatralisch auf den Punkt.

Welche Anspieltipps gibst du?

„From The Inside“, „Wish I Were Born In Beverly Hills“, “The Quiet Room”, „Serious”, „Inmates (We’re All Crazy)“

Ist das Album sammlungswürdig?

Das Album gehört zu den wichtigsten Alben in der Karriere von ALICE COOPER und wenn man mehr als eine Handvoll Platten dieses Künstlers im Schrank haben will, sollte dieses dabei sein. Für Sammler ist auch die erste Pressung der LP ans Herz zu legen, die mit mehrteiligen Klappcover und verschieden Gimmicks erschien. Begleitend zum Album brachte der Marvel-Verlag zudem ein Comicheft heraus.

Oliver Slanina

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05.03.2021

Redakteur mit Vorliebe für Hard Rock, Heavy Metal und Thrash Metal

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