Weltschmerz
Unsere liebsten Doom-Perlen, Teil 2

Special

El Doom & The Born Electric – El Doom & The Born Electric (Rune Grammofon 2012)

EL DOOM AND THE BORN ELECTRIC - "El Doom And The Born Electric"

EL DOOM & THE BORN ELECTRIC stellen den Hörer vor eine interessante Frage: Darf der Doom auch progressiv sein? Ich meine jetzt mal so richtig progressiv. Also richtiger Prog-Sex, nicht nur Neo-Prog-Petting. Also mal so richtig schmutzig drauf los frickeln, die Genres jonglieren, die Takte durch- und ineinanderwerfen, das Tempo und den Härtegrad variieren und gerne auch mal ein paar schöne, atmosphärische Verschnaufpausen einbauen. Einfach mal die eigene Musik voranbringen und nicht immer im gleichen Sumpf waten. Darf er durchaus. Natürlich ist ein amtlicher Hirnfick der Marke CONFESSOR reine Geschmackssache. Beeindruckend ist das in jedem Falle und deren Klassiker „Condemned“ sollte man zumindest mal gehört haben. Aber für all jene, welche die Sinnlichkeit dem reinen, technischen Gefummel vorziehen, denen sei hiermit das selbstbetitelte und bislang einzige Werk in voller Länge von EL DOOM & THE BORN ELECTRIC ans Herz gelegt.

Die Kunst der sinnlichen Doom-Prog-Kost

Die Herren um Ole Petter Andreassen, der die Band nach einem seiner Bühnenpseudonyme benannt hat, haben über 50 Minuten Programm für den willigen Hörer bereit gelegt. Kommen wir deshalb schnell zur Frage: Was genau spielen EL DOOM & THE BORN ELECTRIC eigentlich? Zugegeben geht es hier nicht ausschließlich im Zeitlupen-Tempo voran, aber die Band rockt sich dennoch zumeist gemächlich durch sämtliche Teergruben und zieht die Gitarren richtig schön durch den Dreck. Es gibt also schon durchaus Doom auf die Ohren.

Der Sound zeigt sich klar von klassischem Rock und Heavy Metal beeinflusst, trägt eine Menge Blues und Psychedelik in sich und die Melodien kommen gerne ein bisschen schepp und fuzzy daher – es wird also auch ein bisschen gestonert. In Sachen Geschwindigkeit fährt man die klassische Schiene und lässt wie eben angedeutet auch gerne mal flottere Rhythmen spielen, welche die langsamen, groovenden Downtempo-Parts dann umso schwerer klingen lassen – der alte Trick, funktioniert immer wieder. Das Album ist also im gewissen Sinne retro und steht damit natürlich in einer reichhaltigen Tradition, welche dieser Tage nach wie vor gepflegt wird.

Keine Angst vor Mathe!

Das alles wird von den Musikern aber dank markanter Math-Rock-Einflüsse gekonnt ins Hier und Jetzt transportiert. Die Gitarren fliegen einem jedoch nicht non-stop um die Ohren im Sinne eines THE DILLINGER ESCAPE PLAN. Vielmehr herrscht ein Gleichgewicht zwischen songorientierten und technischen Passagen, bei dem gerne auch mal die Abgrenzungen verschwimmen. Es wirkt ein bisschen so als würden sich die Instrumente für die Gesangspassagen zurücknehmen, um dann in den Instrumentalparts von der Leine gelassen zu werden und auf die Frickel-Balz zu gehen.

Apropos Gesang: Andreassens markante Stimme erklingt stets durch Effekte verfremdet und nistet sich von der Stimmfarbe her irgendwo zwischen Michael Poulsen und Scott Walker ein. Wichtiger jedoch: Man hört dem Mann jede transportierte Emotion an, gerade in den dramatischen Hooks. Und diese sind immerzu ein Genuss, gerade in Kombination mit der sehr geschäftigen Instrumentierung.

EL DOOM & THE BORN ELECTRIC zwischen klimaktischen Ohrwürmern und wildem Gefrickel

Es ist wahnsinn, wie EL DOOM & THE BORN ELECTRIC in der Lage sind, überlange Songs dieser Art dank einprägsamer, verquerer Melodien, einer zünftigen Portion Rock und natürlich den einschlägigen, geilen Hooks in die Gehörgänge zu zwängen. „Fire Don’t Know“ eröffnet und macht’s vor. Ein neunminütiges, vielschichtiges Bollwerk steht den übrigen Songs voran und doch scheint sich jede Wendung, jeder Stimmungs- und jeder Tempowechsel ganz natürlich zu ereignen.

Und dann ist da natürlich der Refrain, der sich unbarmherzig in die Hirnwindungen hineinbohrt. Die Norweger bringen den eleganten Flow ihres Songwritings mit diesen rauen, animalisch rockenden Kanten in Einklang und es ist ein Fest. Aber auch der gediegene Doom gibt sich mit „With Full Force“ natürlich die Ehre, der wohl geradlinigste Song des Albums. Und mit sechs Minuten auch einer der kürzeren. Langsam und zäh fließt der Rhythmus dahin, der Song baut zum die Spannung zum Refrain hin auf. Und diese entlädt sich dann in fulminanter Manier.

Diese Band hat an alles gedacht

„The Lights“ ist dagegen ein echter Ausreißer, der den Sound der Norweger zeitweise fast schon ein bisschen in Richtung Shoegaze rückt, inklusive verträumter Atmosphäre und flirrenden Melodiebögen. Das wiederum schwer und langsam groovende „Subtle As A Shithouse“ folgt auf dem Fuße, um die Heaviness wieder zurückzubringen – und macht mit seinem übergroßen, treibenden Refrain dem Songtitel alle Ehre.

Es gibt Abwechslung, es gibt Melodien, es gibt Gefrickel, es gibt Dynamik, es gibt Doom – EL DOOM & THE BORN ELECTRIC haben an nahezu alles gedacht. Dass die Platte dennoch so fokussiert klingt, zeugt nur von der hohen Qualität des Songwritings. Nicht ein Moment wirkt deplaziert oder überstrapaziert. Tatsächlich fühlt sich das Album selbst mit seiner Spielzeit von über 50 Minuten schon sehr straff an. Da möchte man gar nicht wissen, was bei den Sessions alles dem Rotstift zum Opfer gefallen ist. Was die Leistung der Norweger umso beeindruckender macht. Zu dieser Platte kann man der Band eigentlich nur gratulieren.

(Michael Klaas)

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08.11.2018

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