Katatonia
"Einige Arten von Musik sollten sich immer weiter entwickeln."

Interview

Eine Pause auf unbestimmte Zeit, eine Tour zum zehnjährigen Jubiläum von „Night Is The New Day“ und die überraschende Ankündigung eines neuen Albums. Die letzten zwei Jahre ging es durchaus turbulent zu, im Hause KATATONIA. Nun ist „City Burials“ da und wir befragten Sänger Jonas Renkse, der das Album dieses Mal im Alleingang geschrieben hat, zu den Hintergründen.

 

Katatonia Logo 2016

 

Hi Jonas! Letztes Jahr, als Ihr die Tour zum Jubiläum von „Night Is The New Day“ angekündigt habt, ist vielen Fans ein Stein vom Herzen gefallen, da die Zukunft der Band bis dahin ein wenig unklar war. Die Konzerte fühlten sich sehr speziell an, alle Bandmitglieder und besonders Du selbst wirkten, als ob Ihr eine Menge Spaß hattet und Euch sehr wohl auf der Bühne gefühlt habt. Kannst Du beschreiben, was diese Tour für Dich persönlich bedeutet hat und welchen Einfluss sie auf die Reaktivierung von KATATONIA und die Entstehung des neuen Albums hatte?

Ich denke die Tour war ein großartiger Katalysator für jeden in der Band, um zu begreifen was wir alle vermissten zu tun. Ich denke es war trotzdem eine gute Sache, dass wir eine Pause eingelegt haben. Wir waren in der Perspektive, die wir haben wollten. Wir sind eine Band, die mittlerweile seit fast 30 Jahren existiert. Das ist eine lange Zeit. Wir wollten einfach alles neu bewerten und schauen, ob wir immer noch mit vollem Herzen dabei sind. Ich denke die Tour hat uns allen fünf bewiesen, dass dies etwas ist, was wir tun müssen und was wir tun sollten, weil wir einfach eine tolle Band haben. Wir lieben es, Musik zu machen, live zu spielen und all das. Auf der Tour ist der Funke einfach wieder übergesprungen, den wir dringend brauchten. Natürlich führte das auch zum neuen Album.

Ich schrieb eine Menge Musik, schon seitdem das letzte Album erschienen ist. Da wir eine Pause mit KATATONIA eingelegt hatten, schrieb ich einfach weiter und war nicht ganz sicher, was daraus werden würde. Aber dann, als wir die Tour zum „Night Is The New Day“-Jubiläum machten, war es so als ob alle Puzzleteile ihren Platz fanden. Wir waren uns alle einig darüber, einfach weiter zu machen.

„The Fall Of Hearts“ war meiner Meinung nach voll von Veränderungen. Es wirkte so, als wären eine Menge Einflüsse der Akustik-Tour, die Ihr davor gemacht hattet, auf dem Album zur Geltung gekommen. Dort hattet Ihr mit Musikern wie Bruce Soord von THE PINEAPPLE THIEF zusammen gearbeitet, die eher aus dem progressiven Bereich kommen. Außerdem kam Daniel (Moilanen, Drums, Anmerk. d. Verf.) zur Band dazu, der deutlich komplexere Schlagzeugspuren beisteuerte. „City Burials“ erinnert mich jetzt wieder eher an „Dead End Kings“, selbst das Cover Artwork bezieht sich ja ein wenig darauf. Ist „City Burials“ also eher eine Fortsetzung dieses Albums?

Nein, nicht wirklich. Zumindest nicht für mich. Es ist definitiv eine Reaktion auf „The Fall Of Hearts“, aber ich denke die meisten unserer Alben sind Reaktionen auf diejenigen, die ihnen vorausgegangen sind. Wie Du sagst war „The Fall Of Hearts“ vermutlich ein wenig von den Akustik-Sachen beeinflusst, die wir live gemacht haben. Wir wollten aber auch ein wirklich progressives Album mit längeren Songs machen. Ich denke, „City Burials“ macht jetzt einiges anders, weil wir dieses Album eben schon gemacht haben. Das wird vermutlich wie ein Kreislauf immer so weiter gehen, so lange wir Musik machen. Ich denke aber, dass es eine gute Sache ist, wenn dein neues Album eine Reaktion auf das vorangegangene ist. Es bedeutet, dass wir versuchen die Sachen frisch zu halten. So hat dieses Album vermutlich etwas mehr gemeinsam mit „Dead End Kings“ und, ich würde sagen auch mit „The Great Cold Distance“.

Es ist also eine Reaktion, aber keine Wiederholung von dem, was Ihr vorher schon einmal gemacht habt.

Ja, ganz genau. Es ist eine Reaktion, aber keine hasserfüllte Reaktion auf die alten Alben (lacht). Wir wollten einfach wieder etwas probieren, das ein kleines bisschen anders ist und die Dinge wieder ein wenig mehr vermischen.

Dieses Mal habt Ihr den „Dead End King“ höchstpersönlich auf dem Cover. Wird er so etwas wie der neue „Eddie“ von KATATONIA werden? Plant Ihr ihn in der Zukunft häufiger zu verwenden?

Das ist eigentlich eine gute Idee! Wir haben ja schon den kleinen Vogel in unserem Logo, aber der „Dead End King“ könnte definitiv der neue „Eddie“ werden. Es ist ein schönes Wortspiel, das mag ich sehr. Als wir das Album „Dead End Kings“ machten, verwiesen wir dabei auf uns selbst, als Band. Jetzt wird der „Dead End King“ aber zu einer Art Figur, die wir erschaffen haben. Er ist mit Erinnerungen verbunden. Er ist ein Sammler von Erinnerungen, der Menschen ihre jetzige Situation wegnimmt und daraus etwas macht, das in der Vergangenheit liegt. Wir spielen immer gerne mit abstrakten Geschichten, wenn wir Alben schreiben, einfach weil das unser Leben einfacher macht, da wir gerne in Bildern sprechen, beziehungsweise vielleicht sogar in kleinen Filmschnipseln, die wir uns ausdenken. So arbeiten wir, daher ist es schön eine Figur zu haben, die etwas repräsentiert, woran wir arbeiten. Ich hoffe also, dass er zurückkehren wird (lacht).

„City Burials“ klingt auch etwas metallischer als „The Fall Of Hearts“ und hat einige erstaunlich harte Momente. Weißt Du überhaupt selbst, warum das so ist? Welche Musik hast Du denn gehört, als Du das Material für das Album geschrieben hast?

Meine bevorzugte Musik ist eigentlich immer dieselbe geblieben. Ich höre wirklich eine Menge gemischtes Zeug. Aber ich denke, das was Du erwähnst kommt wohl von all dem Touren zu „The Fall Of Hearts“, das einfach ein Album ist, was nicht so viele „Live Songs“ enthält. Ich denke, wir wollten etwas, das mehr auf dem basiert, was wir gerne live spielen und auch auf dem, was die Leute in einer Live-Situation gerne hören möchten. Ich würde nicht sagen, „City Burials“ wurde dafür geschrieben um es live zu spielen oder um ein Live-Publikum zufrieden zu stellen, aber wir hatten das sicherlich ein wenig im Hinterkopf. Wenn du für eine lange Zeit auf Tour gehst, merkst du welche Sachen gut funktionieren, also versuchten wir vermutlich, das etwas mehr einzubeziehen. Nicht als Masterplan, aber unterbewusst, würde ich sagen.

Katatonia - Bandfoto 2020

Foto: Ester Segarra

„Behind The Blood“ pendelt sogar irgendwo zwischen Progressive Rock und sehr klassischem Heavy Metal. Wie kam es dazu, das ist ja ein recht neuer Einfluss in Eurem Sound? Wusstest Du direkt, dass das gut zu Deiner Art zu singen passen würde?

Da war ich absolut nicht sicher, um ehrlich zu sein. Als ich begann an dem Song zu arbeiten, hatte ich nur diese vage Idee, da wir auf der „Night Is The New Day“-Tour ja das JUDAS PRIEST-Cover „Night Comes Down“ spielten. Das brachte mich einfach auf die Idee, dass ich die Musik, die ich hörte bevor ich selber anfing zu spielen, ein wenig mehr entdecken möchte. Als wir KATATONIA gründeten, hörten wir natürlich eine Menge klassischen Heavy Metal – MAIDEN, PRIEST, ACCEPT und all das. Aber das, was uns dazu gebracht hat, selbst eine Band zu gründen war definitiv die Death Metal-Bewegung. Daher hatten wir vorher noch nie diese Heavy Metal-Einflüsse in unserer Musik, ich wollte es aber unbedingt versuchen. Ich war nicht sicher, ob es funktionieren würde, aber je mehr ich an dem Song arbeitete, desto überzeugter wurde ich, dass er immer noch wie KATATONIA klingen würde. Er hat trotzdem eine melancholische Stimmung, obwohl er sicher ein wenig euphorischer klingt. Es ist also definitiv ein Experiment, das aber ziemlich gut funktioniert hat und zu einem meiner Lieblingstracks auf dem Album geworden ist. Ich mag es, wenn wir Dinge probieren, die vielleicht ein wenig ungewöhnlich sind. Das ist erfrischend, auch wenn vielleicht einige Leute es für einen Witz oder so etwas halten, das ist es aber definitiv nicht. Es ist ein sehr ernst gemeinter Song.

Das ist er definitiv und ebenfalls einer meiner Favoriten. Er erinnert mich ein wenig daran, was Du für Arjen Lucassens AYREON gemacht hast. Das unterschied sich ja auch komplett von KATATONIA, funktionierte aber verdammt gut mit Deiner Art zu singen. Ganz besonders während der Auftritte der „Ayreon Universe“ Shows.

Ja, es ist gesund, ab und zu aus seiner eigenen Komfortzone herauszukommen und einfach etwas zu versuchen, zu dem man in der Vergangenheit vielleicht noch gesagt hätte: „Nein, das passt nicht zu mir.“ Die AYREON-Sache war definitiv so etwas, das ich ich abgelehnt hätte, wenn die Anfrage früher in meiner Karriere gekommen wäre. Ganz besonders das auch noch live zu machen. Ich meine, ich war von so vielen fantastischen Sängern umgeben und fühlte mich ein wenig wie das schwarze Schaf (lacht). Aber ich glaube, das hat mir wirklich einen ordentlichen Schub an Selbstvertrauen gegeben. Es war eine großartige Erfahrung, Teil dieses tollen Teams zu sein. Solche Dinge erweitern Deinen Horizont und bringen Dich dazu, größere Schritte zu machen. Das ist ziemlich gut, denn ich denke zumindest einige Arten von Musik sollten sich immer weiter entwickeln und ich denke KATATONIA spielen so eine Art von Musik.

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Quelle: Interview mit Jonas Renkse / Katatonia
24.04.2020

"Time doesn't heal - it only makes you forget." (Ghost Brigade)

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3 Kommentare zu Katatonia - "Einige Arten von Musik sollten sich immer weiter entwickeln."

  1. nili68 sagt:

    >Eure Musik ist ja recht introvertiert…<

    Normalerweise eine Umschreibung für langweilig. Ich will nicht widersprechen..

    1. Watutinki sagt:

      Ich würde schon widersprechen, unter introvertiert verstehe ich etwas anderes. Vielleicht waren Katatonia das Mal, aber mittlerweile geht die Mucke dafür zu sehr ab, ist recht komplex und sehr selbstbewusst geworden.

      1. nili68 sagt:

        Ich hatte mal die Discouraged Ones (oder so) von denen, hat aber keinen bleibenden Eindruck hinterlassen. Ich hab‘ die weder als gut noch als schlecht in Erinnerung. Was ich vom neuen Album kenne fällt in die selbe Kategorie.
        So, jetzt hab‘ ich meine Meinung dazu kundgetan und das kann’s auch gewesen sein.. 😉