

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.



Die SCORPIONS feiern dieses Jahr ihren 60. Bandgeburtstag. Zwischen „Lonesome Crow“ aus dem Jahr 1972 und „Rock Believer“ 2022 liegen weitere 18 Longplayer, wovon wir die frühen Werke in den kommenden Wochen genauer betrachten wollen. Die erste LP der Hardrocker aus Sarstedt bei Hannover kann mit einigen Besonderheiten aufwarten.
„Lonesome Crow“ und der Anfang einer langen Karriere
Bereits 1965 gründet Gitarrist Rudolf Schenker die SCORPIONS. Es dauert jedoch circa sieben Jahre bis zum Debüt. Ein Grund sind die ständigen Besetzungswechsel. Erst 1969 kommen Sänger Klaus Meine und Schenkers Bruder Michael dazu. 1971 folgt der Plattenvertrag, ein Jahr später entsteht schließlich „Lonesome Crow“ in Zusammenarbeit mit Conny Plank. Plank selbst traut den SCORPIONS keine große Karriere zu. Selbst den Sprung nach England sieht Plank nicht. Die Band versteht die Worte als ein weiteren Motivationsanschub, die gesetzte Ziel zu erreichen.
Wer die ersten Töne von „I´m Going Mad“ hört, dürfte kaum auf die Idee kommen, dass hier die SCORPIONS am Werk sind. Es ist die Hochphase des Kraut- und Psychedelic Rock, sodass die anfänglichen Einflüsse ganz andere sind als die Trademarks, die der Band später den großen Erfolg bringt. Was die SCORPIONS in Teilen von der deutschen Krautrockszene unterscheidet, das ist der Gesang in englischer Sprache und die Saitenarbeit.
„It All Depends“, „Leave Me“ oder „In Search Of The Peace Of Mind“ setzen auf lange instrumentale Passagen und erinnern zum Beispiel an BIRTH CONTROL, die im Jahr 1972 ihren Hit „Gamma Ray“ präsentieren, der in der langen Fassung auf dem Album „Hoodoo Man“ mit circa zehn Minuten Laufzeit glänzt.
„Inheritance“ lässt die gesanglichen Möglichkeiten von Meine aufblitzen. Gegen das psychedelische Gitarrengewitter können sich die Vocals aber nicht behaupten. Der abschließende Track auf „Lonesome Crow“ ist der Titelsong, der mehr als 13 Minuten läuft. Spätestens jetzt sind Schenker und Co. tief im Krautrock unterwegs und dürften Fans, die die Anfangsphase der Truppe nicht kennen, Fragezeichen in die Gehörgänge spielen.
Die SCORPIONS und der psychedelische Krautrock
Das der Produzent Conny Plank 1972 nicht an die SCORPIONS glaubt, dürfte die meisten Fans wenig wundern. Die Trademarks, mit denen das Quartett auf die Erfolgsspur einbiegt, sind nicht auf „Lonesome Crow“ zu finden. Das Debüt orientiert sich am damals angesagten Krautrock, wo selbst Elemente vom Jazz zu finden sind. Die Herren können sich im Vergleich zu anderen Krautrockveröffentlichungen der frühen 70er Jahre mit einem größeren Härtegrad und der englischen Sprache abheben.
Die Kritiken in der Retrospektive fallen entsprechend aus. Barry Weber schreibt zu dem Album auf allmusic.com: „Als eine Besonderheit der SCORPIONS konzentriert sich „Lonesome Crow“ auf tiefe und dunkle Melodien, die wie eine schlechte Kombination aus BLACK SABBATH, LED ZEPPELIN und den ROLLING STONES klingt. Obwohl Michael Schenker einige starke Gitarrenmelodien beisteuert, gelingt es dem Album nicht echtes Interesse zu gewinnen.“
Wer die SCORPIONS gerne von einer anderen musikalischen Seite kennenlernen möchte und experimenteller Musik aufgeschlossen gegenübersteht, dürfte mit dem Debüt seine Freude haben. Für die Masse der SCORPIONS-Fans ist „Lonesome Crow“ verzichtbar. Trotzdem gehen über eine Million Exemplare der Platte bis heute über die Ladentheke.
Da ich krautiges und obskures mag, würde ich dem Album einen Punkt mehr geben. Was man der Platte nicht absprechen kann, ist Atmosphäre, denn so beinahe pastoral angehaucht, wird danach kein Album mehr sein. Das Cover in Kombination mit dem Backcover erinnert mich immer ein wenig an einem Kreuz hängenden Christus, der dummerweise auch noch mit einem Skorpion zu tun hat. Meines Gesang klingt teilweise noch etwas befremdlich und kommt selten vor, ein klares Songschema gibt es oft nicht, aber genau das macht das Album auch spannend, eben weil es sogar leicht proggig, jazzig ist. Man kann die großen drei Heavy Rock Bands aus der Zeit erkennen, Black Sabbath dürfte für die Atmosphäre Pate stehen, der zweite Teil von In search for the peace of mind, kann da mit Sabbaths Signaturen Song durchaus konkurrieren, wird aber so richtig vollendet nur auf der Tokyo Tapes dargeboten. Spannend auch der Longtrack am Ende, früher machte man das bald so, jammen bis zum umfallen, auch das find ich sehr spannend und zeigt, wie deutsche Rockmusik Anfang der 70er entwickelt war.
Wenn man den Heavy Kraut-Sampler von Bear Family anhört, wird einen im Vergleich bewusst, wie weit sie Scorpions sich aber damals schon von den anderen unterschieden haben. Musikalisch ist das auch dank der (furchtbaren) deutschen Texte deutlich anders, Deep Purple und Led Zeppelin werden nur am Rande zitiert, da sind andere wesentlich deutlicher beeinflusst.
Ich mag das Album, alles was in den 70ern danach kommt, ist besser, weil songdienlicher, zeithistorisch gesehen sind wir hier noch weit davon entfernt von zum Beispiel einen Wind of Change und das ist aber auch gut so.
Ich meine natürlich englische Texte. 😁