Grave Digger
Interview mit Chris Boltendahl und Manni Schmidt zu "Ballads Of A Hangman"

Interview

Seit ihrem vor gut zwei Jahren veröffentlichten Album „Liberty Or Death“ hat sich einiges getan im Camp der True-Metal-Kämpen GRAVE DIGGER: Neuer Gitarrist, neuer Elan, neues Album. Wie es dazu kam, erzählten uns Sänger Chris Boltendahl und Gitarrist Manni Schmidt, die uns anlässlich der Vorstellung ihres neuen Werkes für eine nette Gesprächsrunde zur Verfügung standen.

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Bitte beschreibt „Ballads Of A Hangman“ in wenigen Worten! Und bitte nicht nur mit „Metal“!

Chris: Hmm, ich finde, das Album klingt wie Metal, wie er mich früher begeistert hat: Das Gitarrenriff beginnt, dann setzt das Schlagzeug ein und der Sänger brüllt – das war für mich immer wichtig. Und dass man einen Song relativ schnell mitsingen kann. Das sind für mich Trademarks, die für mich eine gute Metalplatte ausmachen, und ich denke, das ist alles mit „Ballads Of A Hangman“ gegeben.

Manni: Die Platte klingt richtig frisch und inspiriert. Thilo [Herrmann, Gitarre] hat auch ein paar gute Einflüsse und guten Wind in die Band gebracht. Die Atmosphäre war einfach sehr enthusiastisch und wir haben im Studio teilweise Sachen einfach aus der Hüfte rausgeschossen und gar nicht lange nachgedacht. Wir haben nicht lange rumprobiert und rumkaschiert. Wenn Du vor den Boxen stehst, klingt das, als wenn Du vor der Band stehst. Das haben wir versucht einzufangen und ich finde, das haben wir gut hingekriegt.

Damit hast Du das erste Stichwort genannt: Ihr habt jetzt zwei Gitarristen in der Band. Was war der Grund, Thilo Herrmann in die Band aufzunehmen?

Chris: Es ist jetzt das erste Mal seit 27 Jahren, dass wir einen zweiten Gitarristen in der Band haben. Es war einfach so, dass etwas Neues passieren musste, weil irgendwas stagniert. Und dann habe ich Manni den Vorschlag gemacht, einen zweiten Gitarristen mit in die Band zu holen.

Manni: Wir hatten auf der letzten Tour einfach das Gefühl, dass wir die Songs von „Liberty Or Death“ auf der Bühne nicht gut reproduzieren konnten. Wir hatten es im Studio mit den Gitarrenspuren auch wirklich übertrieben: Gerade in den Introstrecken bauen sich teilweise bis zu sechs Rhythmusgitarren auf, die alle etwas anderes spielen. Das wollten wir wieder einfacher machen, so dass wir das auch live reproduzieren können. Ehrlich gesagt, fehlten mir auch ein bisschen der Schwung und die frischen Ideen beim Komponieren. Ich fühlte mich ein wenig ausgelaugt und leer. Und dann haben wir uns zusammengesetzt und überlegt, wen wir fragen könnten, und der erste und einzige Name, der fiel, war der von Thilo.

Ihr kennt Euch von früher?

Chris: Wir haben 1993/4 mal zusammen mit RUNNING WILD getourt.

Manni: Ich habe mal mit ihm zusammengewohnt, haha! Na gut, aber wir hatten ihn in der Zwischenzeit auch aus den Augen verloren. Er ist um 2000 zum Bodensee gezogen, und wir wussten gar nicht, ob er überhaupt noch Musik macht. Als wir ihn fragten, hatte er aber gerade sein Haus fertig gebaut, war im Job etabliert und hatte einfach Lust, wieder Musik zu machen.

Wie unterscheidet Ihr Euch rein musikalisch oder vom Spieltechnischen her?

Manni: Eigentlich haben wir dieselben Wurzeln, aber an irgendeinem Punkt haben wir uns jeweils in eine andere Richtung entwickelt. Thilo ist eher in die Gitarrenfiedlerecke, also STEVE VAI, gegangen, während ich mehr in die Riffrockecke gegangen bin, PANTERA und ZAKK WYLDE. Aber die Basics sind dieselben. Thilo kommt ja aus Bands, die immer mit zwei Gitarren gespielt haben und er weiß, wie man sich mit einem zweiten Gitarristen arrangiert. Und bei den ersten Gigs zusammen haben wir sehr schnell festgestellt, dass die Chemie zwischen uns stimmt. Und wegen der Soli gibt es auch kein Kompetenzgerangel.

Okay, es hat sich also was geändert bei Euch im Gefüge. Wo seht Ihr die Hauptänderungen zu Eurem letzten Album “Liberty Or Death”?

Chris: Ich würde zwei Hauptunterschiede sehen: Das eine ist die Gitarrenarbeit und der andere Unterschied ist der, dass wir auf der Platte überhaupt keine Chöre haben. Wir haben alles Bombastische wegrationalisiert. Kurz: Wir wollten auf Platte klingen, wie wir auch live klingen. Wir waren kurz vor den Aufnahmen noch in Südamerika auf Tour, und dadurch klingt alles einfach rauher und lebendiger – nicht so sehr am Reißbrett konstruiert, wie noch „Liberty Or Death“. Die Scheibe klingt einfach viel polierter und konstruierter.

Wie komponiert Ihr denn? Bei gemeinsamen Proben?

Chris: Nein, das machen Manni, Thilo und ich eigentlich alles am Computer. Wir schicken uns erstmal Soundfiles zu, was aber nicht immer so einfach ist, weil Thilo kein DSL hat, haha! Danach treffen wir uns natürlich auch. Wir haben jetzt zwei fünftägige Songwritingsessions gemacht, wo wir sehr konzentriert am neuen Material gearbeitet haben. Dann haben wir uns mit den Jungs vom Principal-Studio getroffen, und die Songs nochmal umarrangiert. Nachdem wir alles noch einmal geprobt hatten, sind wir auf Brasilien-Tour gegangen, und fünf Tage später waren wir schon im Studio und haben alles aufgenommen.

Um mal zu den einzelnen Tracks zu kommen: Wessen Idee war eigentlich das Intro zu “Funeral For A Fallen Angel” mit diesen spanisch anmutenden Gitarren?

Manni: Hahaha, ich weiß gar nicht, warum uns alle Leute danach fragen! Ich glaube, das war Chris‘ Idee, so etwas Spanisches zu machen. Das ist überhaupt kein großes Ding, aber danach haben bis jetzt alle gefragt.

Chris, wie bist Du zu dem Duett [auf „Lonely The Innocence Dies“] mit Veronica Freeman [Sängerin von BENEDICTUM] gekommen?

Chris: Diese Idee schwebte mir schon seit langem im Kopf. Ich kenne Veronica schon lange, wir arbeiten beide bei Locomotive Records [ehemalige Plattenfirma von GRAVE DIGGER] und außerdem ist ihr Mann ein alter Freund aus den Achtzigern. Daher gibt es schon eine längere Beziehung zwischen ihrer Band und GRAVE DIGGER.

Manni: Ich habe bei BENEDICTUM auch schon mal ein Gitarrensolo gespielt. Die Idee, generell mit Veronica ein Duett zu machen, stand viel eher als der Song.

Chris: Mir schwebte so etwas vor, wie es KYLIE MINOGUE und NICK CAVE vor Jahren mal gemacht hatten. Dass das jetzt ein wenig anders geworden ist, ist aber auch klar, haha! Der Grundgedanke war, als Duett etwas Düsteres und Böses zu machen. In dem Text geht es ja darum, dass Veronica mich mit einem Priester hintergeht, und ich sie als Rache mehr oder weniger ins Grab befördere.

Ihr hattet ja vor der Listening Session gesagt, dass es keine Konzeptalben von Euch mehr geben wird. Trotzdem hängen die Texte auf „Ballads Of A Hangman“ zusammen, aber es ist kein Konzeptalbum im herkömmlichen Sinne?

Chris: Sicherlich hängen die Texte alle zusammen. Meine Frau hat mir ein kleines Büchlein mit mexikanischen Sonetten geschenkt. Darin geht es nur um Themen wie Tod, Saufereien, Spaß haben, Sex und, äh, Leute massakrieren. So blöd das jetzt klingt, aber das hat mich zu den Texten inspiriert. Als ich dann die Texte soweit zusammen hatte, dachte ich: Das klingt, wie wenn jemand die „Ballads Of A Hangman“ singt. Die anderen waren davon sofort begeistert, dass daraus dann der Albumtitel entstanden ist.
Im Grunde geht es auf dem Album immer um die dunkle Seite des Menschen. Viele Leute haben mich gefragt, wie ich einerseits so freundlich und hilfsbereit sein, andererseits aber solche Texte schreiben kann. Aber das ist eine Seite, die ich damit ausleben kann, auch wenn ich das nicht praktiziere – ich bin ja nicht Jack The Ripper! Aber alle zwei Jahre muss ich solche Texte eben schreiben, hahaha!

Gutes Stichwort – um ein wenig in die Vergangenheit zu blicken: Ihr habt vor einiger Zeit eine Doppel-Headliner-Tour mit THERION gemacht…

Manni: Ja, das war schon eine gute Erfahrung. Gerade in Osteuropa haben sie uns die Tür aufgestoßen, um noch mehr Leute zu erreichen. Viele Fans wären sonst sicherlich nicht zu unserer Show gekommen. In Deutschland war aber das Publikum eher zweigeteilt: Wenn wir gespielt haben, sind unsere Fans in der Halle gewesen und die THERION-Fans draußen, und bei THERION war es genau umgekehrt. Es hatte etwas von zwei Konzerten an einem Abend, es war ein Kommen und Gehen.

Und habt Ihr musikalisch irgendetwas mitgenommen?

Chris: Gar nichts! Nein, THERION machen tolle Musik, aber diese Trällerelfen gehen mir nach drei Stücken alle auf die Nerven, hahaha!

Mal eine ganz andere Frage: Ihr habt 1996 ja “Tunes Of War” veröffentlicht und wurdet deswegen von einem schottischen Clan geehrt. Stimmt diese Geschichte eigentlich oder war das eher ein Marketing-Gag?

Chris: Es war so, dass so ein paar Vögel aus Worms meinten, sie hätten eine besondere Affinität zu einem schottischen Clan. Die haben uns angeschrieben und unsere damalige Plattenfirma hat dann halt eine große Story draus gemacht. Aber im Endeffekt hatten diese Leute mit Schotten und einem Clan genausoviel zu tun wie wir: Nämlich gar nichts. Die sind damals sogar ein paar mal mit uns aufgetreten, aber letztendlich sollte man das eher wieder vergessen – wäre das ein richtiger schottischer Clan gewesen, dann wäre ich auch stolz darauf, hahaha!

Manni: Aber die Idee mit dem Grave-Digger-Clan war trotzdem eine tolle Idee: Deshalb haben wir unseren Fanclub so benannt. Es erzeugt halt ein gewisses Zusammengehörigkeitsgefühl unter den Fans.

Von der Vergangenheit in die Gegenwart: Was steht als nächstes an im Hause GRAVE DIGGER?

Chris: Ein paar Gigs stehen jetzt an und der Dreh zum Videoclip von „Ballads Of A Hangman“. Im Januar geht es dann auf große Tournee, diesmal mit ALESTORM. Im Sommer stehen dann Festivals an, und bald müssen wir auch unseren 30jährigen Geburtstag vorbereiten.

Danke für das Interview! Irgendwelche „final words“?

Chris: Klar! Ich hoffe, dass wir auf Eurer Seite nicht wieder so einen Verriss kriegen, wie für „Liberty Or Death“, hahaha!

Galerie mit 23 Bildern: Grave Digger - Paddy Rock Open Air 2023
30.12.2008

- Dreaming in Red -

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