Opeth
Fredrik Åkesson über "Sorceress", walisische Studiotage, Death Metal und Zukunftspläne
Interview
Für ihr mittlerweile zwölftes Studioalbum „Sorceress“ haben OPETH, die schwedischen Progressive-Legenden um Mastermustache Mikael Åkerfeldt einen neuen Deal bei Nuclear Blast Records ausgehandelt. Außerdem spielen sie im November in der Wembley Arena in London. Höchste Zeit, einmal bei Fredrik Åkesson bezüglich etwaiger Sellout-Ängste nachzuhaken – und nebenbei ein bisschen über „Sorceress“, Speis und Trank, das Altern als Rockstar und den guten alten Death Metal zu plaudern.
Der erste Anruf schlägt fehl, aber bevor ich auch nur dazu komme, es ein zweites Mal zu versuchen, ruft mich OPETH-Gitarrist Fredrik Åkesson seinerseits zurück.
Hallo?
Habe ich gerade deinen Anruf verpasst? Fredrik hier!
Ja, Tobias hier, von Metal.de.
Sorry, ich hatte gerade noch ein anderes Interview und wir haben eine Minute überzogen.
Kein Problem! Wie geht’s dir?
Gut soweit. Es ist sehr interessant, die Interviews zu machen und etwas Feedback zum Album zu bekommen. Ich habe nur leider eine leichte Erkältung, deshalb klinge ich nicht so toll.
Ich verstehe dich klar und deutlich. Gibst du eigentlich viele Interviews? Ich hatte immer den Eindruck, dass Mikael (Åkerfeldt d. Red) das meistens übernimmt.
Schon, gestern waren es so zehn, und heute ist es das dritte. Natürlich macht Mike immer noch das meiste, aber ich bin tatsächlich auch gut eingespannt.
Freust du dich schon, endlich wieder auf Tour zu gehen und das neue Album live zu spielen?
Absolut, wie immer! Es gibt so viele Songs auf dem neuen Album, die wir wirklich gerne live spielen wollen. Die erste Single „Sorceress“ ist zum Beispiel sicherlich ein klasse Live-Track, der Song „Chrysalis“ auch. Wir haben so viele richtig rockige Sachen auf dem Album, die es sicherlich Spaß machen wird, zu spielen.
Lass uns über „Sorceress“ reden. Ich finde, das Album knüpft einerseits an die ruhigen, akustischen Stücke von „Heritage“ an, enthält aber gleichzeitig einige der härtesten Sachen seit „Watershed“. Stimmst du mir da zu?
Ja, das glaube ich auch. Es hat etwas von allem, ist aber verglichen mit den letzten beiden Alben schon auch heavy.
Würdest du mir auch zustimmen, wenn ich sage, dass einige der Tracks schneller zum Punkt kommen, traditioneller rocken?
Ja, wir haben ein paar sehr verschiedene Beats verwendet. Bei „Chrysalis“ hat Mike direkt an Martin Axenrot (Drums d. Red) gedacht. Der Song enthält so eine Art Shuffle Groove, mit denen Axe während der Soundchecks immer herumexperimentiert und die er ziemlich gut beherrscht. Das hat Mike sich dann für diesen Track gewünscht. Und auch „Sorceress“ ist mit Axenrot im Hinterkopf entstanden, weil der Song diesen schweren, düsteren Beat beinhaltet. Das ist schon etwas rockiger, das kann man sicher so sagen.
Schreibt Axenrot seine Parts denn selbst?
Mike schreibt in der Regel ziemlich gute Demoversionen der Songs. Die Grundidee der Beats und ein paar wichtige Fills sind also immer schon da. Aber es gibt immer noch jede Menge Raum, den Axenrot füllen kann womit er will. Auf diesem Album kam er tatsächlich eine ganze Menge ans Improvisieren. Zuerst hat er sich mit Martín Méndez (Bass d. Red.) zwei Wochen lang in Barcelona getroffen, dann sind wir alle eine Woche im Studio im Wald zusammengekommen. Auch Méndez hatte viel Freiraum für seine Fills. Somit ist es ziemlich cool zu sehen, was am Ende aus den Demoversionen entsteht.
„Wir hatten alle unsere Hausaufgaben ziemlich gut erledigt.“
Hast du einen Lieblingssong auf „Sorceress“?
Mein erster Favorit war der Titeltrack. Ich mag diesen Song sehr gerne. Er ist irgendwie anders als vieles, was OPETH bisher gemacht haben. Und „Chrysalis“ ist auch einer meiner Favoriten.
Ihr habt „Sorceress“ in nur zwölf Tagen aufgenommen. Das finde ich ziemlich schnell. Hattet ihr diesmal einen ganz genauen Plan davon, wo es hingehen sollte?
Um genau zu sein, waren wir zwar zwölf Tage da, haben aber nur an zehn aufgenommen. Auf- und Abbau haben uns jeweils einen Tag gekostet. Ich glaube, dass diesmal jeder einfach seine Hausaufgaben ziemlich gut erledigt hatte. Mikael und ich haben viel Gitarre zusammen gespielt, und auch Martin Axenrot und Martín Méndez konnten viel proben. Es gab einfach keine offenen Fragen. Obwohl wir tatsächlich sogar noch einen Bonus-Song aufgenommen haben, den wir vorher nicht gehört hatten. Insgesamt haben wir zwei gemacht, die du möglicherweise noch nicht gehört hast. Die werden auf der Special Edition von „Sorceress“ sein. Auch dass wir wieder mit Tom Dalgety aufgenommen haben, hat das Ganze sehr beschleunigt. Er kennt einfach die Räumlichkeiten. Während andere zum Beispiel mit der Mikrofonierung der Drums einen ganzen Tag verbringen können, hat das bei uns nur drei Stunden gedauert.
Hat es auch geholfen, dass die Rockfield Studios so fernab vom Schuss liegen und ihr die Muße hattet, euch auf euch selbst und die Musik zu konzentrieren?
Das war auf jeden Fall auch einer der Gründe dafür, warum es so schnell ging. Tom Dalgety lebt dort, und auch wir hatten unsere eigenen kleinen Apartments direkt auf dem Studiogelände, mit einem Aufenthaltsraum, in dem wir gemeinsam essen und nach der Aufnahme-Session ein paar Biere trinken konnten. Es steigert auf jeden Fall deine Produktivität, wenn du einfach die ganze Zeit vor Ort bist. Du bist weg von deiner Familie und konzentrierst dich einfach zu einhundert Prozent auf das Album. Zu Hause hätte es wahrscheinlich drei Wochen gedauert. Rockfield ist einfach eine großartige Umgebung für uns, nicht zuletzt mit dem Erbe der Bands, die dort aufgenommen haben (QUEEN, RUSH u.v.m. d. Red), im Hinterkopf. Und die Tatsache, dass die ganze Szenerie sich quasi auf einer Farm mit jeder Menge Kühen und Pferden befindet. Es ist schön, einfach keinerlei Gebäude zu sehen, sondern nur die Hügel mit den Schafen.
Kocht ihr dann auch zusammen, wenn ihr schon gemeinsam da wohnt?
Eigentlich kochen wir alle sehr gerne. Diesmal haben wir aber nur einmal Burger zusammen gemacht. Direkt am ersten Tag. Aber dann hatten wir einfach nicht mehr so viel Zeit. Ab und an sind ein paar Leute zum Käseladen gelaufen und haben ein bisschen Käse und Rotwein geholt.
Ihr hättet doch euer offizielles „Opeth Communion“ Pale Ale trinken können!
Wir haben uns sechs Kisten davon ins Studio bringen lassen. Aber die waren nach einer Woche schon weg.
„Während der Aufnahmen trinken wir nicht!“
Es wundert mich jetzt doch etwas, dass das Album so gut geworden ist.
Während der Aufnahmen trinken wir natürlich nicht! (lacht)
Zurück zum Album: Wer steckt hinter der Frauenstimme, die auf „Persephone“ und „Persephone (Slight Return)“ zu hören ist?
Das ist eine Freundin von Tom Dalgety, die wir gar nicht getroffen haben. Mike hatte ihn gefragt, ob er eine Frau kenne, die diesen sehr britischen Akzent gut rüberbringen könnte. Er hatte sofort eine Idee. Mir fällt ihr Name leider gerade nicht ein, aber er steht natürlich in den Liner Notes des Albums.
Folgt das Album denn einem lyrischen Konzept?
Es ist kein Konzeptalbum. Ich schreibe die Texte nicht, deshalb sollte ich auch vielleicht nicht zu viel darüber reden. Was ich weiß, ist, dass Mikael viel über die negativen Seiten einer Beziehung geschrieben hat. Die Stimmung ist sehr düster. Manche der Songs sind fast ein bisschen misanthropisch. Der letzte richtige Track „Era“ lässt dann aber etwas Hoffnung aufkommen. Insgesamt ist es aber wieder sehr persönlich. Um ein kleines Lyrik-Klischee zu bedienen: Jeder kann eine eigene Verbindung dazu finden.
Steht das Artwork in irgendeiner Verbindung zu den Texten?
Die Idee mit dem Pfau auf einem Berg von Leichen hatte Mike schon vor ungefähr zwei Jahren. Ich meine, unsere Wurzeln liegen immer noch im Death Metal, der Leichenberg könnte zum Beispiel etwas damit zu tun haben. Es ist ein bisschen wie bei dem „Heritage“-Cover, wo unter dem Baum die Hölle begann. Das Schöne trifft das Böse, die Dunkelheit – so in etwa. Ich denke, jeder kann für sich selbst etwas aus der Symbolik machen: Der Pfau könnte die Natur darstellen, die sich am Menschen rächt, oder aber OPETH, die eine gute Mahlzeit genießen. (lacht)
Wie auch immer. Ich finde es klasse!
Ich auch! Ich denke, es ist sehr gut gelungen. Es stammt einmal mehr von Travis Smith, der seit „Still Life“ mit OPETH zusammenarbeitet. Für die letzten Alben sind wir etwas mehr in Richtung dieses Ölgemälde-Stils gegangen. Und diesmal hat er den Nagel wirklich auf den Kopf getroffen. Im Album gibt es übrigens auch noch ein cooles Artwork. Es sind ein paar recht ironische Bandfotos dabei. Du musst warten, bis du sie siehst, aber ich finde sie verdammt lustig. Die Idee steht in einer Reihe mit dem verrückten Photoshop-Gesicht in der „Watershed“-CD, den Köpfen im „Heritage“-Baum und den Spielkarten bei „Pale Communion“. Ich finde es cool, etwas Auflockerndes zu haben, wenn der Rest des Artworks relativ ernst daherkommt.
„Können wir so viele Tickets verkaufen?“
„Sorceress“ ist außerdem euer erstes Album bei Nuclear Blast und eurem eigenen Imprint „Moderbolaget“. Was bedeutet das überhaupt?
„Moder“ heißt Mutter und „bolaget“ Firma. Es bedeutet also so etwas wie „Mutterfirma“. Aber natürlich war unser neuer Deal bei Nuclear Blast die Hauptveränderung für uns. Es hat sich einfach richtig angefühlt, und bisher bereuen wir nichts und profitieren sehr von den neuen Marketing-Möglichkeiten. Aber es ist auch schön, unsere eigene Firma zu haben, durch die das Album läuft und die komplett der Band gehört.
Ihr geht schon bald wieder auf Tour, erst mit THE SWORD in Nordamerika, und dann in Europa. Hier steht für euch die Wembley Arena in London an. Hättest du jemals geglaubt, dass man mit eurer Art von Musik zur Stadionband werden kann?
Es ist unglaublich. Wir hätten nicht gedacht, dass wir jemals in Wembley würden spielen können. Witzigerweise meinte unser Manager Andy vor vier Jahren: „Ich sorge dafür, dass ihr in drei Jahren Wembley spielt.“ Wir haben erst nur gelacht und uns nichts weiter dabei gedacht, aber dann haben wir ein paar wirklich große Shows in London ausverkauft und konnten es kaum glauben. Dieses Mal sind wir natürlich trotzdem etwas nervös und fragen uns, ob wir wirklich so viele Tickets verkaufen können. Ist das möglich? Sie können die Arena wohl verkleinern, sodass es nur noch 6.000 oder 7.000 sind, aber das sind immer noch eine ganze Menge Leute. Aber wir müssen uns einfach entspannen und der Sache wie einer normalen Show entgegensehen. Wir werden allerdings eine etwas längere Setlist für diese Gelegenheit zusammenstellen.
Können wir auch mit einer neuen Live-DVD rechnen?
Wenn du mich fragst, ist die Zeit reif dafür. Die letzte DVD haben wir vor sechs Jahren zum zwanzigjährigen Bestehen von OPETH herausgebracht. Wir versuchen immer, nicht zu viel Kram auf den Markt zu schmeißen, um die Kuh zu melken, aber ich denke schon, dass es jetzt wieder an der Zeit wäre. Zumal diese Dimensionen schon einen großen Schritt für uns darstellen. Bisher ist nichts bestätigt, aber wir werden da auf jeden Fall drüber sprechen. Wenn es passiert, dann aber vermutlich erst im kommenden Jahr.
Habt ihr euch generell schon Gedanken über eure Setlist für die anstehenden Touren gemacht? Ich erinnere mich noch an die „Heritage“-Tour, auf der es keinen einzigen Song mit Growls gab …
Das werden wir nicht wieder tun. Ich bin froh, dass wir es getan haben, aber ich verstehe auch die Enttäuschung, die das sicherlich bei einigen Fans hervorgerufen hat. Wir haben da viel drüber geredet, und es ist jetzt schon wichtig für uns, sowohl die Old-School-Fans als auch jene aus jüngerer Zeit glücklich zu machen. Eine gute Durchmischung ist wichtig. Unsere aktuellen Setlists bestehen aber in der Regel zu mindestens 60 Prozent aus älteren Sachen. Es wird einen guten Mix geben. Diese eine Tour, die du erwähntest, war eine Besonderheit. Natürlich werden wir uns auf den kommenden Touren auf „Sorceress“ konzentrieren und auf jeden Fall drei, vielleicht auch vier Songs von diesem Album spielen. Vielleicht schaffen wir mehr, sie sind ja etwas kürzer. Dazu kommt dann ein Song von jedem Album und von einigen zwei.
Wir fangen nächste Woche mit den Proben an, bei denen wir drei Songs von jedem der älteren Alben spielen werden. Dann suchen wir uns für die Setlist aus, was am besten passt.
Es ist also nicht so, dass euch der Death Metal langweilt? Er hat einfach nur gerade keinen Platz auf euren Alben?
Nein, wir schrecken nicht vor dieser Ära von OPETH zurück. Sie macht einen wichtigen Teil des OPETH-Sounds aus. Ich liebe es, den Death-Metal-Kram zu spielen und wir haben jede Menge großartiger Songs aus dieser Zeit. Außerdem finde ich, dass die alten Sachen live sehr gut mit dem neueren Material harmonieren. Ich halte die Dynamik zwischen den Phasen für spannend. Außerdem klingen die neuen Sachen meiner Meinung nach live sowieso allesamt härter.
„Musikalisch haben wir als Band noch einiges zu bieten.“
Aber glaubst du, dass sich eure Fanbase stark gewandelt hat, dass viele nicht mit der neuen Ausrichtung klarkommen?
Ich weiß, dass sich viele Leute negativ im Internet äußern. Aber ich lese davon nicht so viel. Wenn ich hinaus in die Welt schaue, dann sehe ich eine Menge Metalheads, die die alten und die neuen Sachen genießen. Die meisten OPETH-Fans scheinen mir musikalisch sehr offen zu sein. Klar verändert sich die Fanbase in einer so langen Zeit. Leute, die damals die ersten IRON-MAIDEN-Platten gehört haben, sind heute auch 62 Jahre alt.
Und so lange macht ihr auch weiter?
Das hoffe ich. Das ist zumindest mein Ziel. Ich hoffe, dass wir rocken, bis wir umfallen. Die Shows werden größer. Wir machen uns mittlerweile mehr Gedanken über Bühnenshows – auch für die anstehenden Touren. Wir wollen diese neue Lichttechnik ausprobieren. In diese Richtung experimentieren wir gerade etwas herum.
Musikalisch haben wir als Band, so glaube ich, noch einiges zu bieten. Es fühlt sich an, als könnten wir auch beim nächsten Mal noch mit etwas Neuem und Frischem kommen. Ich hoffe einfach, wir können das machen, bis wir draufgehen.
Wenn du zurückblickst: Was ist für dich heute anders als damals, als du mit „Watershed“ dein erstes Album mit OPETH gemacht hast? Was hat sich geändert?
Natürlich hat sich in den zehn Jahren vieles getan, aber ich fühle mich eigentlich immer noch wie ein 18 Jahre alter Metalhead. Natürlich hat sich musikalisch einiges verändert, aber ich glaube, dass die Chemie innerhalb der Band noch immer stimmt. Wir hängen noch immer gerne miteinander rum, gehen in den Pub, verbringen auch abseits der Band Zeit miteinander. Das ist schon ein sehr wichtiger Teil des Ganzen und der stimmt bei uns noch immer. Wir sind natürlich etwas populärer geworden im Laufe der Zeit.
Solange OPETH keine Sellout-Stadionband werden, ist doch alles gut.
Nein, wir werden uns sicherlich nicht irgendwann in arrogante Rockstars verwandeln. Das ist, glaube ich, auch eine unserer Stärken: Wir sind allesamt keine Egotypen. Wir sind ein einfacher, entspannter Haufen.
Fredrik, ich danke dir vielmals für das Interview! Hast du uns oder den OPETH-Fans da draußen noch etwas zu sagen?
Nun, ich hoffe, dass euch „Sorceress“ gefällt. Wir sind sehr glücklich damit, und ich hoffe, ihr seid es auch. Wir freuen uns sehr, im November wieder in Deutschland auf Tour zu sein. Macht es gut, bis dahin und Prost!
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