Opeth - In Cauda Venenum

Review

Soundcheck September 2019# 3 Galerie mit 34 Bildern: Opeth - Evolution XXX - Opeth by request 2022 in Berlin

Drei Jahre nach „Sorceress“ veröffentlichen OPETH „In Cauda Venenum“ oder „das Gift ist im Stachel“. Das lateinisch betitelte Album erscheint mit englischen sowie mit schwedischen Texten und Lyrics und erklimmt damit neue Gipfel in Sachen Prog-Marotten. Und egal, ob liebevolles Gimmick, natürlicher Entstehungsprozess oder auf die Sammelwut der devot doppelt konsumierenden Fangemeinde zielender Marketing-Move – die Muttersprache verleiht dem Werk einen neuartigen Charakter. Ob das „giftige Ende“ nun auf das Ende einer Ära im Sound von OPETH hindeutet, darüber darf spekuliert werden. Auf einer Reise, an deren Anfang bereits das „Vermächtnis“ stand, ist nach wie vor alles möglich.

„In Cauda Venenum“ offenbart einen düsteren Hörspielcharakter

Wie bereits „Heritage“ und „Sorceress“ startet in „In Cauda Venenum“ mit einem instrumentalen Intro. Diesmal ist es weder ein kammermusikalisches Duett von Kontrabass und Klavier („Heritage“) noch ein verträumtes Zupfspiel auf der Akustikgitarre („Persephone“), das in das neue Kapitel im Kosmos der Schweden einleitet: „Garden Of Earthly Delights“ unterlegt einen gebrochenen Chor-Dreiklang mit einem elektronisch pulsierenden Synth-Basslauf, der auch dem „Stranger Things“-Theme entnommen sein könnte. Die Laute von spielenden Kindern, ungesundes Husten, Motorengeräusche und kiesknirschende Schritte auf einem Kirchhof verleihen dem Ganzen schließlich eine Art Hörspielcharakter.

„In Cauda Venenum“ ist durchzogen von Sprachsamples, deren zarte Unbedarftheit und fragile Vergänglichkeit den Hörer bisweilen schaudern lässt. Über die beschwingten Akkorde der zweiten Vorabsingle „Dignity“ spricht Olof Palme, bis zu seiner Ermordung im Jahre 1986 Vorsitzender der schwedischen Sozialdemokraten, über die bangen Erwartungen und Befürchtungen des Jahreswechsels in Bezug auf die Zukunft selbst. Immer wieder lachen oder weinen Menschen in die Leere hinein.

Leicht uninspirierte stehen neben ganz großen Momenten

Nein, „In Cauda Venenum“ enthält immer noch keine Growls und seine härtesten und schnellsten Riffs sind bereits aus der Leadsingle „Heart In Hand“ bekannt. Aber auch im Komfort-Sound der neuen OPETH gibt es diesmal einige Passagen, die einigermaßen berührungslos vorbeiziehen und bei aller klanglichen Perfektion und Detailverliebtheit seltsam uninspiriert wirken. „Next Of Kin“ beispielsweise hat verglichen mit Vorgängerexperimenten wie „Voice Of Treason“ oder „The Seventh Sojourn“ einfach nicht sehr viel Neues beizutragen. Und bei „Continuum“ balancieren OPETH nach „River“ einmal mehr auf dem gewagten Grat zwischen JETHRO TULL und LYNYRD SKYNYRD. Doch natürlich hat auch das 13. OPETH-Album Momente zum Niederknien.

Neben besagtem „Heart In Hand“, in dem die Elemente der OPETH der 2010er Jahre sich in Perfektion zu einem dynamischen Gesamtwerk verbinden, sticht vor allem „Universal Truth“ mit ätherisch perlenden Melodien und einem Refrain hervor, in dem sich Åkerfeldts Kopfstimme in einem hymnischen Klimax mit der triumphalen Leadgitarre überlagert. Überhaupt kann man es nicht oft genug sagen: Bei allem Verdruss über den verlorenen Guttural-Dämonen ist jede Zeile aus dem Mund des Bandleaders eine Wohltat.

Was kommt als nächstes, OPETH?

Die alte Düsternis dringt dennoch mitunter subtil wie nachhaltig durch: In „The Garroter“ geben Axenrot und Svalberg ein albtraumhaftes Kellerjazz-Duo und „Charlatan“ türmt verdrehte Disharmonien auf einer Art Prog-Djent-Fundament auf.

OPETH werden immer wie OPETH klingen, soviel ist klar. Doch nach drei Alben im „neuen Stil“ lässt sich das Stagnationspotential bei „In Cauda Venenum“ nicht mehr gänzlich wegreden. „All Things Will Pass“, heißt es zum Abschluss. Dazu überrascht dann doch noch ein Riff mit dezentem Black-Metal-Vibe, das in eine Melodie übergeht, die das Album nach diesem Durchlauf für die nächsten Stunden im Kopf verankern wird. Wer die Band kennt, der weiß, dass es künstlerisch weitergehen wird.

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16 Kommentare zu Opeth - In Cauda Venenum

  1. L@THERIVERFLOW sagt:

    Seit Heritage ist da nichts mehr bei mir hängengeblieben. Die Musik ist zwar keineswegs schlecht, aber kein Vergleich zu den früheren Sachen und ich persönlich finds auch recht langweilig, weil mir der Kontrast zwischen dem ,,harten“ und ,,weichen“ Elementen der Musik fehlt.
    Nach dem ersten reinhören könnte das Album schon etwas besser bzw. interessanter als der Vorgänger werden. Eines kann man denk ich aber schon sagen, große Neuheiten wird es auch auf In Cauda Venenum nicht geben. Eine Wertung gibts evtl zu einem späteren Zeitpunkt.

    1. Andreas sagt:

      Sprichst mir da ja fast aus der Seele! Habs seit Heritage mmer wieder versucht, wegen vergangenen Großtaten. Aber es funkt einfach nicht. :/
      Da der Wechsel zwischen harmonischen und aggressiveren Passagen fehlt, ist mir die Musik vorhersehbarer und langweiliger geworden. Konnte auch mit den vorab veröffentlichten Songs nicht viel was anfangen. Aber wie immer, werde ich auch dieser Platte ne Chance geben. Wer weiß! 😉

  2. doktor von pain sagt:

    Die älteren Sachen von Opeth finde ich klasse, aber seit ihren letzten paar Alben interessiert mich die Musik irgendwie gar nicht mehr. „Sorceress“ habe ich mir schon gar nicht mehr angehört, und so werde ich es mit dem neuen Album auch handhaben.

  3. L@THERIVERFLOW sagt:

    Wenn man sich im Vergleich mal die älteren Sachen anhört, fällt einem erst so richtig auf wie schwachbrüstig das ganze geworden ist.
    Echt schade! Ich habe grade wieder in Ghost Reveries, Morningrise, Damnation, Still Life reingehört… Unglaublich wie herausragend die Musik dieser Band mal gewesen ist. Also wenn man das in diesem Kontext sehen möchte, kann man da gut und gerne mal ne zwei bis drei drauf geben. Deshalb lass ichs, höre mir stattdessen die o.g. Sachen an und tu so als wäre nach Watershed schluss gewesen.

  4. royale sagt:

    Nach Blackwater Park, hab ich keine Platten mehr von Opeth gekauft, aber auch nicht mehr wirklich verfolgt.
    Nun bin ich gerade am kochen und der Song lief nun bestimmt fünfmal durch. Soo schlecht ist der Song nicht, denke zum Autofahren ist der bestimmt gut. Das ganze Album kenn ich allerdings noch nicht….

    1. nili68 sagt:

      Ich hoffe, das wird nicht wieder als Edgyness ausgelegt, aber mir gefallen Opeth erst latent, seit die keinen Death Metal mehr machen. Das neue Album steht momentan so bei geht so bis okay. Mal sehen..

      1. Nether sagt:

        Da leg ich noch einen drauf. Mir gefiel noch nie was von denen. 😁

  5. der holgi sagt:

    Opeth waren stets mutig genug, sich einen Dreck um die Erwartungen zu scheren, die man an erfolgreiche Bands legt, so im allgemeinen begriffen, Mike ist ein Vollblutmusiker der sich zur Karikatur seiner selbst degradieren würde, würde er den Ansprüchen der Zuhörerschaft genügen, und dem Stil treu bleiben, der Opeth einst nach oben katapultierte.

    Ich mochte BlackWaterPark sehr, und war zufrieden damit, diese Platte einmal im Regal zu finden, ein Nachfolger der in die selbe Kerbe haut ist stets Bärendienst, da isses mir wumpe welche Combo das macht, ich finde das immer strunzenlangweilig.

    Das was ich hier höre ist eindeutig Mike und Opeth, bis auf die Härte ist alles vorhanden, und stellte man sich Zerrgitarren-Wände und sein Gegrunze dazu vor, voila, Opeth wie einst im Mai.

    Will sagen: Nicht mehr meine Musik, aber hochmusikalisch, handwerklich ein Fest, mutig und ehrenwert eigenständig, und dazu noch die „Mir-doch-egal-was-man-von-mir-erwartet-Einstellung“, Hut ab.

    8/10
  6. ian_tank sagt:

    Auch ich gehöre zur „seit Heritage nicht mehr meine Band“-Fraktion. „Eternal rains will come“ von der Pale Communion ist so ziemlich der einzige Song auf den letzten 4 Alben, mit dem ich etwas anfangen kann, und der, was Harmonien und Kontraste angeht, wenigstens entfernt an die zahllosen Großtaten erinnert. Okay, „Will O The Wisp“ von der Sorceress ist auch ein netter Track.

    Auf „In Cauda Venenum“ berührt mich bislang nicht nur kein Track. Leider finde ich bislang nicht mal berührende Momente. Ich fürchte, ich werde dieses Album noch viel weniger hören als Sorceress.

    Viele Fans der „neuen“ Opeth meckern immer, dass wir doch alle nur Deathgrowls zurück wollen. Das ist aber nur ein Teil, der zum Aggressiv-hart/melancholisch-verträumt-Kontrastprogramm beigetragen hat. Was mir aber viel mehr als das Growling fehlt, sind die mich berührenden, emotionalen Kompositionen und Harmonien. Und so gut Mikaels Stimme ist, sie verliert doch sehr deutlich, wenn nur noch clean gesungen wird.

    3/10
  7. royale sagt:

    Habe hier und da Interviews zum Album gelesen und nun konnte ich das komplette Album ein paar mal durch hören, naja, der Song hier, den finde ich schon gut?! Aber den Rest?
    2019 ist ein unheimlich starkes Jahr und Opeth brauch ich da nicht unbedingt im Plattenregal.

    5/10
  8. rexregum sagt:

    Mittlerweile dürfte es kaum ein Review über eine Opeth-Platte geben, in der nicht immer wieder auf den großen Bruch verwiesen wird.
    Ja, auch ich bin schon lange Opeth-Fan und liebe die alten Platten.
    Ja, Opeth haben mir mit einem ihrer Konzerte eines der eindrucksvollsten Konzerte meines Lebens beschert.
    Ja, ich hatte meine Probleme mit dem Bruch und bin mit den ersten drei Platten ohne growling und Death Metal nicht recht warm geworden. Heritage und Pale Communion habe ich kaum beachtet, Sorceress war OK.
    Ja, Opeth ist bisher die einzige Band, die es geschafft hat, dass ich enttäuscht ein Konzert mittendrin verlassen habe.
    Bis hierhin also alles wie gehabt.

    Jetzt kommt das Aber. Die ersten beiden Lieder fand ich schon vielversprechend, als die Platte rauskam, hab ich sie erstmal vorsichtshalber online probegehört. Eigentlich wollte ich nur mal schnell durchklicken, bin aber dann 67 min hängengeblieben und kam aus dem Stauen nicht mehr raus. Mittlerweile rotiert die Platte in auf meinem Plattenteller und nach einigen Durchläufen hat sich meine Meinung nicht verändert. Ich kann und will hier nicht nach Bezügen, Querverweisen, Einflüssen und dergleichen suchen, ich kann nur sagen, was mein Bauchgefühl sagt (was nach 30 Jahren täglichem Metal-Konsum so falsch nicht sein kann): Opeth haben mit diesem Album den großen Wurf gemacht – sowohl in Bezug auf ihre eigene Discographie als auch in Bezug auf die Art von Metal insgesamt. Bei dem Plattentitel hätte ich mir eine musikalische Überraschung als Abschluss gewünscht (ein Ausblenden der Lieder fand ich schon immer eher belanglos). Das ist aber auch die einzige Kritik.

    Nach all den Jahren hat Opeth mich wieder.

    10/10
    1. hhirsch sagt:

      Ich habe extra nochmal genau nachgesehen – Opeth werden tatsächlich 30 Jahre nächstes Jahr – wenn ich einfach mal auf meinen musikalischen Geschmack der letzten 30 Jahre zurückblicke…ja, dann kann ich mit vielen Dingen, die ich in den 90ern gehört habe, nicht mehr viel anfangen. Warum soll eine Band sich nicht verändern bzw. sogar neu erfinden – wenn man es mag und kann? Das ist für mich der größte Verdienst von Opeth über die Jahre. In Cauda Venum knüpft für mich genau da an – und – egal ob man die Musik nun mag oder nicht – es ist musikalisch „großer Sport“. Natürlich hat die Scheibe mit „Black Water Park“ oder „Deliverance“ nichts mehr zu tun – aber das ist nun auch bald 20 Jahre her.
      Ich weiß nicht ob es der „große Wurf“ ist von Opeth – auf jeden Fall ein musikalisch exzellent gemachtes Album. Die Wurzeln hat man endgültig über Bord geworfen. Es ist für mich ein reines „Prog Album“ und geht noch ein Stück weiter in die Richtung als „Sorceress“. Aufgrund der hervorragenden handwerklichen Fähigkeiten würde ich mit 8 Punkten ebenfalls mitgehen. Der „Opeth Fan“ aus dem Jahr 2000 wird das Album wahrscheinlich „hassen“.

      8/10
      1. Watutinki sagt:

        Also ich mag die Musik aus den 90er immer noch genau so sehr, nein eigentlich sogar noch viel mehr als heute! Keine Ahnung wie alt Du da warst, aber es soll auch Leute geben die ihren Musikhorizont erweitern können, ohne die alten Sachen automatisch schlecht zu finden.

  9. ArtBeck sagt:

    Absolutes Meisterwerk, dem man sich am besten mit einer gehörigen Portion Lautstärke nähert. Die Produktion ist so wunderbar „old School“, dass sich erst bei Vol. 8 von 10 die ganze Größe und Breite des Soundgewands entfaltet, ganz im Gegensatz zu nahezu allen derzeitigen „modernen“ Produktionen, die bereits bei 4 von 10 die Ohren und Lautsprecher in die Knie zwingen, aber auf Handy & Laptop alles zugleich hörbar machen..
    Ist man dann angekommen in diesem wunderbaren Kosmos, gibt es unendlich viel zu entdecken: angefangen mit Axes prägnantem und variablem Drumming (das beste seit Einstieg bei OPETH, wie ich finde) über Harmonie- und Rhythmus-Arbeit der Saiten bis hin zu M. Akerfeldt’s bester Gesangsleistung ever – und ja, auch ich vermisse trotzdem den ein oder anderen Growl. Klar hat das mit Death Metal überhaupt nix mehr am Hut – aber OPETH klingen wieder knackiger als auf den 3 Vorgängern und bieten dabei sogar zwei Versionen einer grandiosen Scheibe – passt!

    10/10
  10. Schorsch Kamerun sagt:

    Proggig war er ja schon immer,der Michel. Aber ich muss jetzt wirklich mal sagen dass mir die neuen Sachen ab Heritage doch deutlich mehr zusagen als die im Death verorteten Scheiben. Kann gern so weitergehen.

    8/10
  11. dan360 sagt:

    Wieder einmal ein brillantes Album! Åkerfeldts Vocals sind einfach outstanding. Wie geil ist bitte ‚Lovelorn Crime‘?! Hätte ich doch mal direkt die schwedische Version geordert.. 8,5 Points!