Rammstein
Alles muss brennen

Konzertbericht

Billing: Rammstein und Duo Jatekok
Konzert vom 19.06.2022 | Merkur-Spiel-Arena, Düsseldorf

„Ich will im Beifall untergehen“ singt Till Lindemann eindringlich im vorletzten Song des heutigen RAMMSTEIN-Sets im Düsseldorfer Stadion. Seit dem Erscheinen der ersten Single aus ihrem aktuellen Album „Zeit“ brechen die Gerüchte über die anstehende Auflösung der Band nicht ab. Sollte die diesjährige Stadiontour tatsächlich ein Abschied sein, dann bekommt Lindemann seinen Willen. Denn lauteren Beifall als heute Abend kann sich keine Band wünschen.

RAMMSTEIN geben Vollgas

Und das gilt von der ersten Sekunde an. Als die Bandmitglieder zum eröffnenden „Armee der Tristen“ nach und nach das gewaltige Bühnenbild betreten, löst das einen Jubelsturm aus, bevor RAMMSTEIN den ersten Ton spielen. Der langsame Song gestaltet sich als ungewohnt atmosphärischer, fast schon vorsichtiger Einstieg in das Set der Band. Zumindest in musikalischer Hinsicht. Die ersten großen Explosionen lassen schließlich nicht lange auf sich warten.

Anschließend geht es Schlag auf Schlag, wenn die fetten Riffs von „Zick Zack“ und der stampfende Rhythmus von „Links 2-3-4“ die Massen zum Toben bringen. Das Stadion ist seit Jahren ausverkauft und die Fans wandeln den Frust über die Corona-bedingte lange Wartezeit in zu jeder Sekunde spürbare Freude um.

Dass zu Beginn des Konzertes eine Durchsage kommt, die Fans sollen bitte auf Videoaufnahmen verzichten, stößt derweil auf taube Ohren. Manch ein Zuschauer zückt bei jedem Song die Kamera, um zumindest Ausschnitte festzuhalten. Natürlich ist dieser Abend nach der langen Zeit der Vorfreude ein besonderer. Doch wäre es nicht genau deshalb besser, ihn ganz im Sinne der Band zu genießen, anstatt nur an das Danach zu denken?

Till Lindemann und der Riesenpenis

RAMMSTEIN selbst leben das zumindest allem Anschein nach vor. Zu keiner Sekunde wirkt die heutige Show nach Routine oder Lustlosigkeit. Im Vergleich zu vielen anderen Bands ihrer Größenordnung, geben RAMMSTEIN für die gesamte Dauer ihres Konzerts immer noch Vollgas.

Keyboarder Flake steht niemals still, sondern bewegt sich entweder auf seinem Laufband oder kultiviert einen eigenwilligen Tanzstil. Die Gitarrenfront aus Richard Kruspe und Paul Landers holt derweil die ganz großen Rockstar-Posen raus. Bassist Oliver Riedel und Christoph Schneider verweilen zumeist im Hintergrund und liefern ein Fundament für den Rest der Band. Insbesondere letzterer nutzt aber jede Chance im Set, sich von seinem Hocker zu erheben und die Fans anzuheizen.

Doch wie immer steht Lindemann im Mittelpunkt der Show. Zu „Pussy“ holt er die mittlerweile Kult gewordene, überdimensionierte Peniskanone raus, mit der er das Publikum beschießt. Zum Ende des Songs lassen Rammstein symbolisches Sperma über das gesamte Stadion schießen. Hier bleibt niemand verschont.

Ungewohnt intim

Zu „Mein Teil“ flambiert Lindemann im Metzger-Outfit den im Kochtopf befindlichen Flake mit solch großen Flammenwerfern, dass man sich in manchen Momenten Sorgen um das Überleben des selbsternannten Tastenfickers macht. Während „Puppe“ setzt die Band einen riesigen Kinderwagen in Flammen. Lindemann gibt sich im Refrain so manisch wie sonst nie an diesem Abend. Währenddessen flimmern über die Leinwände Bilder, die aus einem Horrorfilm stammen könnten.

Die brachialen Pyroeffekte zu „Sonne“ setzen im Stadion eine solche Hitze frei, dass es sich anfühlt, als wäre der „hellste Stern von allen“ in Düsseldorf gelandet. Vor „Deutschland“ gibt Kruspe an einem erhöhten Pult den DJ und verwandelt das Konzert für ein paar Minuten in eine Techno-Party. Ein passend glamouröses Outfit inklusive. RAMMSTEIN sind ein Fest für alle Sinne, wie man es nirgendwo sonst erlebt.

Zu Beginn des Zugabenteils beweist das Sextett, dass es all das im Zweifel gar nicht braucht, um zu fesseln. „Engel“ bieten RAMMSTEIN als zurückhaltende Pianoversion da, passenderweise unterstützt durch das DUO JATOTEK, das im Vorfeld des Konzertes den Anheizer gibt. Dafür ziehen sich die Bandmitglied auf die kleinere Zweitbühne in der Mitte des Innenraums zurück. Umringt werden sie von einem Lichtermeer, mit dem die Fans die Atmosphäre in diesem Moment unterstützen. So intim wird es bei Stadionkonzerten nur selten.

Kein Nostalgie-Act

Im Anschluss lassen sich die Bandmitglieder in Schlauchbooten vom Publikum zurück auf die Hauptbühne tragen. Dadurch erscheinen die sonst so überlebensgroß wirkenden Musiker plötzlich unheimlich nahbar. Doch damit ist Schluss, als die massiven Riffs von „Ausländer“ einsetzen, bevor es mit „Du riechst so gut“ zurück zu den Anfangstagen der Band geht. Den Schlusspunkt setzen RAMMSTEIN nach knapp 130 Minuten passenderweise mit „Adieu“ – und hinterlassen jede Menge glücklicher Gesichter.

Mehr Bombast, mehr Show und mehr Krawall als bei RAMMSTEIN gibt es nach wie vor bei keiner anderen Band. Dabei setzen die Berliner nicht nur auf unkaputtbare Klassiker, sondern integrieren gleich fünf Songs von „Rammstein“ und vier vom aktuellen Album „Zeit“. Damit zeigt die Band, dass sie nach fast 30 Jahren immer noch kein Nostalgie-Act ist. Bei so einer eindrucksvollen Performance fällt der nicht ganz optimale Sound kaum ins Gewicht.

Setlist RAMMSTEIN:

1. Armee der Tristen
2. Zick Zack
3. Links 2-3-4
4. Sehnsucht
5. Zeig dich
6. Mein Herz brennt
7. Puppe
8. Heirate Mich
9. Zeit
10. Deutschland
11. Radio
12. Mein Teil
13. Du hast
14. Sonne
15. Engel (Zugabe)
16. Ausländer (Zugabe)
17. Du riechst so gut (Zugabe)
18. Pussy (Zugabe)
19. Rammstein (Zugabe)
20. Ich will (Zugabe)
21. Adieu (Zugabe)

20.06.2022

"Irgendeiner wartet immer."

Interessante Alben finden

Auf der Suche nach neuer Mucke? Durchsuche unser Review-Archiv mit aktuell 36676 Reviews und lass Dich inspirieren!

Nach Wertung filtern ▼︎
Punkten
Nach Genres filtern ►︎
  • Black Metal
  • Death Metal
  • Doom Metal
  • Gothic / Darkwave
  • Gothic Metal / Mittelalter
  • Hardcore / Grindcore
  • Heavy Metal
  • Industrial / Electronic
  • Modern Metal
  • Off Topic
  • Pagan / Viking Metal
  • Post-Rock/Metal
  • Progressive Rock/Metal
  • Punk
  • Rock
  • Sonstige
  • Thrash Metal

Kommentare