Blind Guardian
Interview mit Hansi Kürsch zum 25-jährigen Band-Jubiläum

Interview

Blind Guardian

Ohne Frage zählen BLIND GUARDIAN zu den erfolgreichsten Metalbands Deutschlands. Dabei feiert man in diesem Jahr das 25-jährige Band-Jubiläum und hat zu diesem Anlass auch die erste Best-Of-Kopplung veröffentlicht. Wir nutzten die Gunst der Stunde, unterhielten uns ausführlich mit Hansi Kürsch über den bandeigenen Perfektionismus und ließen 25 Jahre Bandgeschichte Revue passieren. Und obwohl der Sänger mit dieser Charakterisierung nur bedingt glücklich ist, bestätigt er mit seiner bodenständigen, freundlichen und dabei höchst eloquenten Art das „nette Jungs von nebenan“-Image wieder einmal aufs Trefflichste. Denn wenngleich man sich der eigenen Qualitäten und Erfolge bewusst ist, ist das im Hause BLIND GUARDIAN offensichtlich kein Grund, arrogant zu werden oder irgendwelche Starallüren zu entwickeln.

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Hey Hansi, Gratulation zu eurem 25-jährigen Band-Jubiläum! Wie fühlt man sich denn so, wenn man erkennen muss, dass man nun auch zu den „Alten Herren“ der deutschen Metal-Szene gehört?

Genau so: alt! (lacht) Ich habe mir nie darüber Gedanken gemacht, aber wenn man dann auf einmal tatsächlich sieht, es sind 25 Jahre – mit den Jahren, die wir unter dem Namen LUCIFER’S HERITAGE verbracht haben, sind es 30 Jahre – dann wird man schon ein wenig sentimental und muss sich einfach eingestehen, dass man zum alten Eisen gehört. Ich merke das natürlich auch an anderen Sachen – man bewegt sich nicht mehr ganz so schnell, man ist ein bisschen ruhiger – aber das sind Kleinigkeiten.
Insgesamt sind wir immernoch mit der gleichen Spontanität und mit dem gleichen Enthusiasmus dabei und den Leuten, die vor der Bühne stehen, scheint es auch nichts auszumachen, dass wir ein bisschen älter geworden sind. Wir haben nach wie vor Fans von 14 aufwärts bis Mitte 40 da stehen und es gibt auch noch den einen oder anderen, der sogar noch älter ist. Von daher merkt man, Musik hält einen doch irgendwie jung.

Ihr habt ja auch nie dieses ultra-jugendliche Image gepflegt, wie man es jetzt beispielsweise aus der Punk-Ecke kennt.

Haben wir überhaupt ein Image gepflegt? Das ist so die Frage. Wenn überhaupt – das hab ich häufiger mal gelesen – dann als die „netten Jungs von nebenan“, wobei das auch nicht hundertprozentig zutreffend ist. Ich glaube, bei uns steht die Musik im Vordergrund und wenn die Musik im Vordergrund steht, ist das echt altersunabhängig. Man kann bei einigen Sachen, die wir gemacht haben, auch von zeitloser Musik sprechen. Klar, es ist alles Heavy Metal und für den einen oder anderen hat das dann immer einen staubigen Charakter, aber für die, die es mögen, ist ganz klar, dass wir eine zeitlose Band sind. Und die Songs, die Anfang der Neunziger gut gewesen sind, müssen 2012 auch nicht unbedingt schlechter sein.

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Eine ganze Reihe zeitloser Songs habt ihr nun auf euer erstes Best-Of-Album, „Memories Of A Time To Come“, gepackt. Vermutlich ist es da aber wie bei jeder Band  – vor allem, wenn sie einen ähnlich starken Backkatalog hat wie ihr – so, dass jeder Fan ein paar Lieder hat, die er persönlich vermissen wird. Nach welchen Kriterien sucht man da überhaupt die Stücke aus?

Uns ging es ja genauso. Mir fehlen da auch ein paar Nummern, aber man muss logischerweise mit einem Kompromiss leben, sowohl im Zusammenspiel mit seinen Kollegen als auch in technischer Hinsicht. Sprich: Die Zeit, die einem gegeben ist, um so ein Album fertigzustellen, die bestimmt natürlich auch, wieviel Material drauf sein kann. Zudem bestimmt der Output selbst natürlich auch ein bisschen, wie die Struktur des Albums gestaltet werden muss. Bei uns war es jetzt so, dass wir von vorne herein die Idee hatten, einen organischen Flow zu kreieren, der die 25 Jahre zeitgerecht darstellt.
Wir wollten jedes Album irgendwo vertreten haben, aber es sollte nichts darunter leiden, dass es dann an einer Stelle auf dem Best-Of erscheint, an der es nicht die volle Wirkung erzielen kann. Deswegen mussten wir alles neu mixen, teilweise haben wir uns ja sogar dazu entschieden, Sachen neu aufzunehmen. Da kam es dann auch dazu, dass wir merkten, dass einige Songs eben mit anderen Songs – wie es bei einem normalen Studio-Album auch ist – besser harmonieren. Insofern sind selbst da noch Kompromisse nötig gewesen, um den Flow dann eben auch zu rechtfertigen. Eine Nummer wie „Fly“ zum Beispiel hätte einfach nicht so gut in dieses Album reingepasst wie „This Will Never End“.

Die eigentlich zur Verfügung stehende Spielzeit der beiden CDs habt ihr dabei nicht einmal vollständig ausgenutzt. Man hätte jetzt hergehen und einfach noch ein paar nicht neu abgemischte Sachen dazupacken können. Das wolltet ihr aber bewusst nicht tun.

Nee, das hätte diesem organischen Grundgedanken nicht entsprochen. Wir hätten automatisch dann mit soundtechnischen Kompromissen leben müssen und man hätte dann doch die unterschiedlichen Epochen festgestellt. Das, was wir da jetzt gemacht haben, hat uns ungefähr drei Monate lang beschäftigt. Wenn wir noch drei, vier Nummern mehr gemacht hätten, wäre das dementsprechend immer ein bisschen länger geworden. Wir sind da einfach an die Grenzen des für uns zeitlich möglichen gegangen.
Für die Fans wäre es natürlich schöner gewesen – und uns wäre es eigentlich auch lieber gewesen – wenn man die Spielzeit vollends aufgefüllt hätte. Aber wir wollten den Nummern, die auf dem Album dann vertreten sind, gerecht werden. Was man hätte machen können, ist, von vorne herein zu sagen, wir nehmen keine Nummern neu auf und konzentrieren uns nur auf Remixe. Dann hätten wir sicherlich die knapp 72 Minuten pro CD ausnutzen können, aber ob es dadurch dann besser geworden wäre? Keine Ahnung.

Ich fand es jedenfalls ziemlich cool, dass ihr die Sachen auch neu aufgenommen habt. „Valhalla“ fand ich einfach großartig, vor allem, weil Kai Hansen (GAMMA RAY, ex-HELLOWEEN) wieder dabei war.

Fanden wir auch. Das war für uns auch unbedingt notwendig, wenn wir schon so eine Retro-Nummer auf retro wieder aufnehmen, dass wir dann Kai wieder mit an Bord haben. Glücklicherweise hatte Kai da gerade auch Zeit und war sogar im Studio mit anderen Sachen zugange, so dass das ohne großartige Probleme funktioniert hat. Das war ein reiner Glückstreffer.

Man merkt dem Best-Of auch den euch eigenen Perfektionismus an. Die meisten Bands hätten da einfach mehr oder weniger willkürlich Lieder ausgewählt und auf ein Album geklatscht, während ihr die alle komplett neu abmischt. Und jetzt habe ich bei den ganzen alten Songs plötzlich Details entdeckt, von denen ich davor gar nicht wusste, dass sie überhaupt da sind.

Das ging uns auch so. Einige Sachen wussten wir, denn wenn ich mich jetzt meinetwegen auf eine Gesangsperformance auf der „Nightfall In Middle-Earth“ konzentriere, dann weiß ich schon, was ich damals gemacht habe, und bin logischerweise auch eher in der Lage, um Ecken zu denken. Aber einige Sachen sind doch in Vergessenheit geraten und da war ich jetzt auch ganz froh, dass man die wieder so zum Vorschein bringen konnte.

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Insgesamt profitieren die Lieder in jedem Fall ziemlich deutlich. Was ich persönlich jedoch nicht gebraucht hätte, ist die Neuaufnahme vom „Bard’s Song“.

Von „In The Forest“ oder von „The Hobbit“?

Die neue Version von „The Hobbit“ ist super! Aber „In The Forest“ klingt mir irgendwie zu pompös und aufgeblasen.

Das war aber ganz bewusst so gemacht, weil wir uns damit einfach absetzen wollten. Wir haben das ja 2003 schon einmal in einer moderneren Version aufgenommen und hatten jetzt praktisch noch Aufnahmezeit von der EMI zugestanden bekommen, mit der wir überhaupt nicht gerechnet hatten. Eigentlich hatten wir schon alle Deadlines überschritten und bekamen auf einmal grünes Licht für weitere anderthalb Wochen, die wir mit Musik füllen konnten. Und da wir nicht mehr in die Mixe reingehen wollten oder konnten, haben wir gesagt, wir gehen noch einmal an den „Bard’s Song“ ran und versuchen mal was komplett anderes. Das muss nicht jedem gefallen, kann aber. Also ich bin ganz zufrieden mit der Aufnahme. Das ist wie mit den Mixen von den alten Nummern: Die Frage der Notwendigkeit stellt sich immer, aber wenn man Spaß daran hat, warum nicht?

Klar, das sowieso. Und man hat dadurch auch die Wahl zwischen verschiedenen Versionen. Mir gefällt halt das intimere der alten Aufnahmen besser als jetzt dieses etwas pompöse.

Das ist halt Geschmackssache. Ich finde die neue Version ein wenig näher an der Grundintention dran als unsere 2003er-Aufnahme. Und 1992 waren wir einfach noch nicht so weit. Deswegen ist es für mich jetzt ganz schön, das Lied auch mal in einer aktuelleren Form zu hören, die sich allerdings schon deutlich unterscheidet von den anderen beiden.

Sonst hätte man sie ja auch nicht gebraucht…

Aus meiner Sicht hätte man sie ansonsten wirklich nicht gebraucht, das war tatsächlich auch ein bisschen die Prämisse, um das überhaupt noch einmal zu machen. Die Zeit, die wir hatten, war limitiert, man hätte sicherlich da noch einmal an die Mixe gehen können, aber irgendwann muss man so ein Ding auch einfach loslassen.

Du hast gerade schon die EMI angesprochen. Was mich ein bisschen gewundert hat, ist, dass das Best-Of nicht bei Nuclear Blast, eurem eigentlichen aktuellen Label, erschienen ist.

Wir haben ja mehr als zehn Jahre lang über unseren Vertrag bei Virgin Records mit der EMI zusammengearbeitet. Die Rechte für das meiste von unserem alten Material liegt tatsächlich noch bei der EMI und es war auch eine EMI-Idee, überhaupt ein Best-Of zu machen. Nur sollte sich das dann auf unsere Virgin-Ära beziehen, was für uns sinnlos gewesen wäre, weil wir nicht unbedingt vorhaben, alle fünf oder sogar alle zwei Jahre eine Best-Of-Platte herauszubringen. Von daher war es für uns wichtig, die komplette Ära von BLIND GUARDIAN bis zum abschließenden fünfundzwanzigsten Jahr dann irgendwie berücksichtigt zu haben. Da gab es dann glücklicherweise auch ein „go“ von Nuclear Blast, so dass die Platte zwar bei der EMI erschienen ist, aber auch Nuclear-Blast-Material enthält und wir für die zukünftigen Platten immernoch bei Nuclear Blast unter Vertrag stehen.

 

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13.02.2012

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