Blind Guardian
Interview mit Hansi Kürsch zum 25-jährigen Band-Jubiläum

Interview

Blind Guardian

Blicken wir wieder zurück auf das Jahr 2005, wo ihr euch dann von Thomen getrennt habt. Der Grund waren damals wieder einmal die berühmten musikalischen Differenzen?

Ja, das war ein Grund. Ich hab die musikalischen Differenzen auch nicht als so extrem empfunden, speziell nicht im Bezug auf „A Night At The Opera“. Da bin ich nach wie vor der Meinung, dass Thomen die Performance seines Lebens abgeliefert hat. Das sah lange Zeit nicht so aus, aber irgendwann hat er während der Produktion den Dreh gekriegt und bahnbrechende Sachen gespielt. Da glaube ich nicht, dass das wirklich für ihn ein Grund gewesen ist, die Band zu verlassen. Ja, es gab konzeptionelle Differenzen, es gab aber auch einfach ideologische Differenzen, was generell die Band anging und was auch private Sachen anging. Da war es dann irgendwann nicht mehr möglich, miteinander Musik zu machen und dann war es auch gut, dass wir uns getrennt haben. Aber das war etwas, was zumindest schon drei, vier Jahre lang spürbar gewesen ist.

Habt ihr noch persönlichen Kontakt zu ihm?

Ja, haben wir. Thomen lebt mittlerweile auch wieder in Deutschland. Das war auch einer der Gründe, Thomen ist damals nach Spanien umgezogen und das hat die Kommunikation auch schwieriger gemacht. Jetzt lebt er wieder in Krefeld und ich könnte mir vorstellen, dass er demnächst auch wieder musikalisch aktiv wird.

Das freut mich sehr, weil seit dem ersten SAVAGE-CIRCUS-Album damals ist es ja eher ruhig um ihn geworden. Ich hatte in der Folge teilweise den Eindruck, er würde unter einer Art Burn-Out leiden und hätte sich deswegen ziemlich zurückgezogen.

Das mag sein, aber da kann ich nicht so viel dazu sagen. Es sind sicherlich Sachen in seinem Leben passiert, die ihn davon abgehalten haben, sich zu 100 Prozent nur auf die Musik zu konzentrieren. Bei BLIND GUARDIAN ist es eben auch so gewesen, dass André und ich die Kreativen gewesen sind. Und Thomen braucht ’ne Band. Wenn die Band funktioniert, funktioniert Thomen. Wenn er keine Leute findet, mit denen er Musik machen kann, dann wird’s schwierig. Aber es sieht so aus, als wenn er jetzt ein gutes Team zusammen hätte.

Ihr habt euch dann mit Frederik verstärkt.

Wir haben uns sehr schnell mit Frederik verstärkt und das war die ideale Wahl. Ich glaube auch nicht, dass es für uns in den nächsten zehn oder fünfzehn Jahren einen Grund geben könnte, noch einmal anderweitig umzuschwenken. Frederik ist im Grunde genommen der perfekte Ersatz für Thomen gewesen und mittlerweile sogar mehr. Er war BLIND-GUARDIAN-Fan, ist studierter Musiker, kam in diese Band und hat innerhalb kürzester Zeit dann „A Twist In The Myth“ eintrommeln müssen. Seitdem hat er einen aus meiner Sicht fulminanten Entwicklungsgang mitgemacht. Auch wir als Band sind durch Frederik live wesentlich routinierter und besser geworden. Frederik ist als Schlagzeuger immernoch nicht am Zenit, ich glaube, da ist noch viel Luft nach oben. Ich könnte mir vorstellen, dass wir so mit der nächsten, übernächsten Platte schlagzeugtechnisch ein Level hinlegen werden, dass dem ein oder anderen die Kinnlade nach unten fallen wird.

Er ist auch eine ganze Ecke jünger als ihr und bringt dadurch bestimmt eine Menge frischen Wind in die persönliche Konstellation hinein, oder?

Ja, aber Frederik ist jemand, der – wie sagt man? – weise zur Welt gekommen ist, „wise beyond age“ würde der Engländer sagen. Der wirkt schon wesentlich gelassener und erwachsener als es einem das Alter vielleicht suggerieren würde. Ich denke mal, wichtig ist, dass ein Schlagzeuger im Training bleibt. Wichtig ist jetzt bei uns, dass wir jemanden haben, der zum einen die Musik versteht, zum anderen aber uns auch mental versteht. Das ist zu 100 Prozent gegeben. Und er ist auch jemand, der so gut im Leben steht, dass er nicht dadurch abhebt, dass er auf einmal in so eine Situation kommt, das hat er eindrucksvoll bewiesen.

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Seinen Einstand hat er auf „A Twist In The Myth“ (2006) gegeben, einem Album, bei dem ich wieder den Eindruck habe, dass es bei euren Fans schlechter wegkommt, als es eigentlich ist.

Das ist der Fall und bei „A Twist In The Myth“ bin ich mir auch ziemlich sicher, dass wir durch einen neuen Mix nochmal ein bisschen was rausholen könnten. Das ist produktionstechnisch in eine Richtung gemischt worden, die uns damals richtig erschien, aber bei der ich mir auch vorstellen könnte, dass man tatsächlich in fünf, sechs Jahren nochmal Hand anlegt und dem Album etwas mehr Gerechtigkeit zukommen lässt. Da haben wir uns, glaube ich, ein bisschen verlaufen. Aber grundsätzlich glaube ich auch, das Album hatte tatsächlich damit zu kämpfen, dass zum einen Thomen die Band verlassen hatte, und zum anderen vielleicht auch damit, dass „A Night At The Opera“ viele Leute zum kritischer Hereinhören motiviert hat. Das ist so ein ganz komisches Phänomen, dass man im Grunde genommen immer mit dem darauffolgenden Album ein bisschen das zu spüren bekommt, was das Album davor bewirkt hat.
Bei „A Twist In The Myth“ und „A Night At The Opera“ darf man aber absolut nicht vergessen, dass wir gerade im Bezug auf die Zeit, in der die entstanden sind, extrem viele neue, junge Fans bekommen haben, was die… ich nenne sie jetzt mal „Konkurrenzbands“ alle nicht geschafft haben. Egal wer, da hat niemand wirklich den Zeitgeist so gut einfangen können, dass da auch ein Gros an neuen Fans hinzugewonnen werden konnte. Und es gibt gerade aus diesen Generationen extrem viele Leute, für die genau diese beiden Alben die bahnbrechendsten BLIND-GUARDIAN-Alben sind. Und das wird halt von vielen Leuten auch übersehen, dass wir tatsächlich immer in der Lage gewesen sind, neue Leute zu aktivieren UND ein Gros unserer alten Fans zu halten.

Auf „A Twist In The Myth“ befindet sich mit „Straight Through The Mirror“ einer meiner absoluten Lieblingssongs. Als ich den zum ersten Mal gehört habe, war ich mir sicher, dass er live der absolute Knaller werden würde… Habt ihr ihn jemals live gespielt?

Wir haben ihn noch nicht live gespielt. Das ist eine von den Nummern, die auch so ein bisschen unterschätzt wird in dem, was da musikalisch passiert. Da muss man sich viel Zeit nehmen, um die live-technisch umzusetzen, das ist vergleichbar mit „Battlefield“. Das sind Nummern, vor denen ich gerade im Gesangsbereich höchsten Respekt habe und wo man dann vielleicht ohne es nutzen zu können, extrem viel Zeit in die Proben investieren müsste. Diese Zeit haben wir bis jetzt nicht gehabt.

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Euer neuestes Album, „At The Edge Of Time“ (2010), hat inzwischen auch schon anderthalb Jahre auf dem Buckel. Hast du da inzwischen einen objektiveren Blick auf die Scheibe als direkt nach dem Release?

Wie es bei uns nunmal ist, sind anderthalb Jahre trotz allem für uns keine so große Zeit nach einer Veröffentlichung. Ich bin in der Regel erst nach vier, fünf Jahren wirklich in der Lage, das zu beurteilen. Diese Zeit braucht es, um ganz sicher zu sein, wie ein Album auf mich selbst wirkt. Aber ich glaube, „At The Edge Of Time“ gehört zu den stärksten Alben, die wir gemacht haben. Das haben wir von Anfang an so empfunden. Es war von der Songwriting-Phase her fast schon vergleichbar mit „Tales From The Twilight World“, es ging alles sehr einfach von der Hand. Da ist eine extreme Vielfalt auf dem Album, die ist vielleicht vergleichbar mit der „Nightfall In Middle-Earth“. Und es hat teilweise tatsächlich die Ansprüche, die wir auch auf der „A Night At The Opera“ hatten. Von daher bin ich mit dem Album zu 100 Prozent zufrieden und ich glaube auch, dass sogar Old-School-BLIND-GUARDIAN-Fans mit dem Album wesentlich besser klarkommen als mit „A Twist In The Myth“ oder „A Night At The Opera“.

Dem würde ich zustimmen. Vor allem, weil ihr wieder eine leichte Thrash-Schlagseite erkennen lasst.

Ja, die ist da. Aber was ich vorhin schon sagte, was wir bei der Produktion und auch beim Mix berücksichtigt haben, war, dem Hörer sozusagen eine Guideline zu geben. Das hilft der Produktion, das hilft den Songs. Die sind teilweise gar nicht so weit weg von dem, was auf „A Twist In The Myth“ oder „A Night At The Opera“ passiert, aber sie sind wesentlich griffiger. Und das empfindet der BLIND-GUARDIAN-Fan – glaube ich zumindest – dann eben als ein bisschen Old-School-lastiger, was aber teilweise gar nicht der Fall ist. Beziehungsweise das war nie weg, es wirkt halt eben nur auf „A Twist In The Myth“ und „A Night At The Opera“ ein bisschen anders. Und da glaube ich, dass wir mit den beiden Alben extrem viel gelernt haben.

 

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13.02.2012

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