Candlemass - Live

Review

Unter "Blast From The Past" erscheinen jeden Mittwoch Reviews zu Alben, die wir bislang nicht ausreichend gewürdigt haben. Hier gibt es alle bisher erschienenen Blast-From-The-Past-Reviews.

Galerie mit 28 Bildern: Candlemass - Hammer Of Doom Festival 2022

Nachdem CANDLEMASS in den vier Jahren zuvor vier Studioalben veröffentlicht hatten, kam 1990 die Idee auf, die Chose mit einem Livealbum abzurunden. Dass die Schweden bislang ein für eine Doom-Metal-Band ungewöhnliches Tempo vorgelegt hatten, steht außer Frage. Dass sie nun durchschnaufen konnten, ohne etwas an der Veröffentlichungsfrequenz zu ändern, dürfte sowohl Band als auch Plattenfirma gefallen haben.

CANDLEMASS schnaufen durch (ohne durchzuschnaufen)

Chefsongwriter Leif Edling hatte ja bereits auf „Tales Of Creation“ von 1989 Demosongs aus der Vor-CANDLEMASS-Zeit entstaubt, und 1990 war – nicht zuletzt durch die Touraktivitäten – ein neues Album noch in weiter Ferne: Erst im Februar spielten die Schweden zusammen mit KING DIAMOND und SAVATAGE eine weitere Runde in Europa.

Jetzt also ein Livealbum, und die Vorbereitungen liefen auf Hochtouren: Gebucht war der Club im Fryshuset im Stockholmer Süden, Stammproduzent Mats Lindfors wurde für die Aufnahmen angeheuert und die Band probte wie verrückt. Es wurde die Werbetrommel gerührt, plakatiert, und als der Gig endlich vonstatten gehen sollte, zeigte sich Stockholm von seiner besten Seite: Ein frühsommerlicher Juniabend versprach ein schwitziges Event.

Was sollte schiefgehen?

Im Club selbst wurde der beste Sound aufgefahren, die dicksten Scheinwerfer und die fettesten Nebelmaschinen. Außerdem hatten die Freundinnen kiloweise Chili gekocht und den Kühlschrank mit reichlich Bier aufgefüllt. Selbst für alle Eventualitäten war vorgesorgt: Neben dem eigentlichen Set sollte auch die Probe aufgenommen werden, um im Falle eines Falles ein Backup zu haben. Was konnte jetzt noch schiefgehen?

Eigentlich alles: Zunächst sind Bühne und Studio zum Soundcheck noch nicht fertig, Mats Lindfors bekommt auch keinen Schlüssel für sein Aufnahmestudio im Club ausgehändigt, und als Krönung macht die 24-Kanal-Bandmaschine Zicken. Was also tut man in solch einer Situation? Augen zu und durch. Und das gilt für alle Anwesenden: die Band, der Produzent, die Crew und die Fans. Letztlich funktioniert sogar das Aufnahmeequipment. Und das Ergebnis? Ein Livealbum, das seinen Namen wirklich verdient!

Band mit Turbolader

„Live“ präsentiert CANDLEMASS mit Turbolader. Allen voran der schwergewichtige Frontmann Messiah Marcolin ist hörbar in seinem Element, aber auch Leadgitarrist Lars Johansson wird regelrecht von der Kette gelassen. Während seine Kollegen Leif Edling, Mappe Björkman und Janne Lindh ein solides und schweres Fundament legen, flitzt der blonde Gitarrist in einem Flow von Riff zu Riff, von Lead zu Solo – und wieder zurück. Erst jetzt kommt die ganze Finesse der Kompositionen zum Vorschein, nicht zuletzt durch den wirklich fetten Sound, der den bisweilen pappigen Klang auf den vier Studioalben vergessen macht.

Dazu kommt eine Setlist, die alle bisherigen Hits vereint: „Well Of Souls“, „Bewitched“, „Solitude“, „Demons Gate“ und „Mirror, Mirror“ – alles drauf. Und das in Versionen und einem Sound, den man sich immer gewünscht hat. Von „Dark Reflections“ wird zudem ein Promovideo ausgekoppelt, schließlich hat man Nägel mit Köpfen gemacht und das Konzert von einer Crew mit mehreren Kameras mitfilmen lassen. Dass die Band den Song an diesem Abend gleich zweimal spielen muss, weil beim ersten Versuch das Bandgerät noch streikt – geschenkt. Dass es „Bearer Of Pain“ nicht aufs finale Album schafft, weil die Band einfach weiterspielt, als gerade die Tonbänder gewechselt werden müssen – shit happens.

„Live“ ist wirklich live …

„Live“ zeigt CANDLEMASS auf den Punkt, ja auf dem Höhepunkt. Jetzt mal die ganzen Malaisen außen vor: An diesem Abend stimmt ansonsten einfach alles. Messiah Marcolin fegt in seiner Mönchsrobe über die Bühne und feuert das Publikum in einem Lauf an, die Meute ihrerseits hüpft, feiert, schwitzt, dass es eine Wonne ist. Dass in der finalen Albumversion einige seiner Ansagen gemutet werden, hat übrigens einen banalen Grund: Der amerikanische Markt und die dortigen Radiogesetze waren nicht bereit für seine Flut an „Fucks“. Wenn man genau hinhört, kann man trotzdem alles hören. Und das ist kein Grund für einen Punktabzug. Overdubs sind auf „Live“ übrigens nur in homöopathischer Dosis zu hören: Eine einzige Bassnote in „Bewitched“ und der Anfang von Lars‘ Gitarrensolo in „Demons Gate“. Mehr nicht.

Das Album kann sich auf jeden Fall hören und sehen lassen – am besten in der Doppeldecker-Gatefold-Vinyl-Version. Die enthält außerdem mit vierzehn Stücken die umfangreichste Songlist, während die CD-Version um „Crystal Ball“ gekürzt werden musste. Im Innenteil sind zudem unzählige Fotos rund um das Event abgedruckt, die CANDLEMASS in allen möglichen und unmöglichen Situationen zeigen (in diesem alten Special „Die Lieblingslivealben der metal.de-Redaktion“ lest Ihr, was den Verfasser dieser Zeilen besonders beeindruckt hat). Kurzum: „Live“ ist ein ebensolches Album der Extraklasse, das hinter die ersten vier Studioalben ein fettes Ausrufezeichen setzt.

… und rundet ab

Dass der eben erwähnte Filmmitschnitt bis auf das „Dark Reflections“-Video erst nach vielen Jahren erschien, hat übrigens ebenfalls einen banalen Grund: Streit um die Rechte – beziehungsweise: erst als CANDLEMASS nach zwölf Jahren die Hände an das ursprüngliche Material bekamen, konnten sie die Veröffentlichung als „Documents Of Doom“ in die Wege leiten. Und dass die Band nach „Live“ in Teilen getrennte Wege gehen würde – das konnte zu diesem Zeitpunkt noch niemand wissen. Das ist allerdings noch eine andere Geschichte, die schon bald hier in der Blast From The Past-Reihe erzählt werden soll.

23.04.2025

- Dreaming in Red -

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3 Kommentare zu Candlemass - Live

  1. itsutterrubbish sagt:

    Damals bei meinen Live LPs auf einer Stufe mit Life after Death, World Wide Live und Priest Live.
    Hab ich das abgefeiert…
    Allein A sorcerer’s pledge mit Messiah ist eine Göttergabe.

    10/10
  2. Dude sagt:

    Ehrenmann. Geile Liveplattenauswahl. World Wide Live und Live After Death waren 2 der 4 Platten die mich zum Metal gebracht haben (+Restless And Wild +Pleasure To Kill). Alles natürlich standesgemäß auf 1000 fach kopierten Tapes. Zunächst. SPäter alle „real“. Wozu hats geführt? …Üblem Gebolze umd Gegrunze. Ich geh World Wide Live aufdrehen… Der Meine Klaus aus den 70ern/80ern ist bei mir bis heute der einzige der mit so krassem deutschen deutschem Akzent knödeln darf.

  3. 100jahre sagt:

    Is ja lustig, meine beiden ersten Platten waren Anfang 86 Live after death und World wide life. Die Scorpions hatte ein Poster dabei, das hat mir dann jemand zerrissen.
    Ich glaube ich hatte noch die Ultimate Sin und die Hellbound, dazu noch eine deutsche Thrash Metal Platte. Das waren meine ersten 5 LP’s.
    Die Pleasure to kill hatte ich auch als „tausendfach“ kopiertes Tape, da hat man ewig gesucht nach sowas. Genau wie die „To Mega Therion“ von Celtic Frost. Das lief nachts bei Vollmond auf dem Kassetten Recorder im Kinderzimmer, LOL