Alex Cameron - Miami Memory

Review

Schon klar: Das neue Album von Alex Cameron ist kein Synthwave, sondern eher moderner Synthie Pop garniert mit Heartland Rock und einem Schuss artsy Singer/Sonwriter, der statt extensivem Eighties-Worship sein eigenwilliges, Synth-getreibenes Ding irgendwo zwischen dem musikalischen Feingefühl eines frühen David Bowie und dem lyrischen Feingefühl eines Christian Steiffen dreht. Dahingehend cheaten wir diesen Monat natürlich ein bisschen in unserer Rubrik „Synth Or Die“ – oder generell auf einer Seite, die sich „metal.de“ schimpft.

Dennoch sind der Typ und seine Persona einfach zu kultig, um ihn vollständig an uns vorbeirauschen zu lassen. Und in Ermangelung einer echten, aktiven Tellerrand-Rubrik passt er aufgrund seiner Nähe zum Synthie Pop eben hier noch am besten rein, zumal es hier immerhin um gute Musik geht. Doch der Reihe nach, fangen wir von vorne an:

Die Entwicklung von Alex Cameron

Wir hatten ihn ja mal im Rahmen der kurzlebigen Rubrik „Durch die Lappen gegangen“ mit seinem damals aktuellen Album „Forced Witness“ kurz erwähnt. Nun ist der Australier mit dem Hüftschwung zurückgekehrt und serviert uns „Miami Memory“, die logische Konsequenz seiner Entwicklung. Um ein bisschen Kontext zu dieser abgedroschenen Phrase zu liefern: Beim 2013 zunächst unabhängig und kostenfrei auf seiner Internetseite und parallel physisch via Siberia Records veröffentlichten Debüt „Jumping The Shark“, das erst 2016 vom Label Secretly Canadian neu aufgelegt worden ist, stand Alex Cameron noch mit beiden Beinen im Synthie Pop mit (bewusst) leicht schäbig anmutender Lo-Fi-Ästhetik.

Doch schon hier etablierte er seine Persona des sympathischen Losers, des gutherzigen Luftikus‘, die er auf dem folgenden „Forced Witness“ ausbauen würde. Gleichzeitig öffnete er seinen Sound hin zu einer etwas rockigeren Spielweise, was sich auf „Miami Memory“ nun fortsetzt. Der Synthie Pop ist immer noch präsent, wird aber nun konsequenter durch traditionelleren Pop Rock sekundiert, wobei die Melodien immer noch so sahnig unterwegs sind wie zuvor, inklusive der gelungen eingestreuten Saxofon-Leads von seinem „Geschäftspartner“ Roy Molloy. Am deutlichsten scheinen die klassischen Al-Cam-Synthesizer noch auf dem Opener „Stepdad“ sowie dem Rausschmeißer „Too Far“ durch, die beide klingen, als könnten sie ohne Probleme auf das Debüt passen.

Eine moderne Reflexion mit Witz und Biss

Und diese beiden Tracks offenbaren auch die Grundthematik von maskuliner Verletzlichkeit und der Sehnsüchte des Mannes per se. Statt symbolischem Geschwurbel um den Alex Cameron-typisch mehrdeutig gesprochenen, heißen Brei, wie man es oft von der poppigen Weiblichkeit serviert bekommt, liefert Alex Cameron seine Inhalte aber in gewohnt schroffer, leicht versauter und ungeschönt ehrlicher Manier mit der expliziten Lyrik-Keule, eingebettet in diese unschuldig anmutenden, süßlichen Melodien, die diesen wunderbar absurden Kontrast erzeugen. Beispiel: In der Refrainzeile des Titeltracks heißt es zu diesen beinahe verträumten Instrumental ziemlich einschlägig:

Eating your ass like an oyster
The way you came like a tsunami.

Passt definitv zu einem Song über sexuelle und romantische Sehnsüchte. Der Track kommt mit einem durchgehenden, relativ experimentellen Synthie-Beat daher, an dem man sich zugegeben erst einmal gewöhnen muss. In „Far From Born Again“ darf zu STEELY DAN-artigem Soft Rock mit Synth-Unterlage in erfrischend erwachsener und respektvoller Manier zu Prostitution und Pornografie philosophiert werden. Endzeitliche Stimmung entsteht in „The End Is Nigh“ mit fast deprimierenden Lyrics, der mit einem großen, Synth-getriebenen Finale aufwartet, das ein bisschen den Inahlt zu reflektieren scheint.

„Miami Memory“ jongliert Pop, Rock und Synths

Etwas rockiger geht es in einigen der übrigen Tracks zu, die jedoch nicht weniger lyrischen Zunder bieten. So ist „Gaslight“ ein durch Folk-Versatzstücke verstärkter, herrlich schmachtender Song, der jedoch – erneut – eine weitaus psychologischere, düsterere Thematik maskiert. „Bad For The Boys“ diskutiert veraltete Frauenbilder und deren Konsequenzen in heutigen Zeiten, „PC With Me“ thematisiert Political Correctness („PC“) in einer Beziehung. Auch das Thema Scheidung wird im Song „Divorce“ mit dem lyrischen Brecheisen zu elegant peppigem Pop besungen, bei dem die wie Sahnetörtchen in die Ohren des Hörers gleitenden Synthesizer dieses eigentlich nicht sonderlich fröhliche Thema zu einer geradezu triumphalen Hymne transformieren.

Der Abstand vom Synthie Pop ist im Vergleich zum Vorgänger instgesamt ein bisschen größer geworden. Wie eingangs erwähnt: Wir cheaten diesen Monat in der Rubrik ein bisschen und blicken über die Grenze von Metal und Synthwave. Dennoch liefert „Miami Memory“ ein paar humorvolle, zum Teil aber auch ernsthafte, in jedem Falle: reflektierte Kommentare zur modernen Gesellschaft, die typisch für Alex Cameron in explizite Texte gegossen und in hochmelodische, zuckrige Songs verpackt worden sind. Insgesamt nicht ganz so Over The Top wie „Forced Witness“ ist „Miami Memory“ dennoch ein hervorragendes Album mit zahlreichen Hits geworden, das man sich mit Sinn für und Mut zum Tellerrandblick auf jeden Fall gönnen sollte.


Kein Metal und trotzdem für viele Metaller interessant: Synthwave. Die elektronische Spielart rund um apokalyptische Endzeit, Palmen in Miami und Neonreklame wird einmal monatlich auf metal.de mit einem ausgewählten Release gewürdigt. Also: Synth Or Die!

14.10.2019

Redakteur für Prog, Death, Grind, Industrial, Rock und albernen Blödsinn.

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